Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessungsgrundlage für Entschädigung. Betriebsgrundstück. Einheitswert. Entschädigung. Kleinbetriebsregelung. NS-Verfolgte. Unternehmensentschädigung. Vervielfältiger
Leitsatz (amtlich)
Die Höhe der Entschädigung nach § 2 NS-VEntschG bemisst sich auch dann nach dem Vierfachen des vor der Entschädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes des Betriebsgrundstücks, wenn im Rahmen der Unternehmensentschädigung die “Kleinbetriebsregelung” des § 4 Abs. 2a EntschG entsprechend gilt.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; EntschG § 4 Abs. 2a, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; NS-VEntschG § 2 Sätze 2, 5 (F. 2003), S. 3 (F. 1994)
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 01.06.2006; Aktenzeichen 29 A 40.04) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt eine höhere Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz für das ehemals der Gewerkschaftshaus D… GmbH gehörende Betriebsgrundstück F…-Straße in D… Unternehmenszweck der Gesellschaft war die Verwaltung des Betriebsgrundstücks, welches mit einem Mietshaus bebaut war. Infolge der in der Strafsache gegen L… und Genossen durch den Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht Berlin im Mai 1933 angeordneten Beschlagnahme des Vermögens der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wurde auch das Vermögen der Freien Gewerkschaften und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes beschlagnahmt und eingezogen. Nach der Kriegszerstörung wurde das Grundstück 1962 im komplexen Wohnungsbau verwendet.
Mit Bescheid vom 9. August 1999 stellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt fest, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch wegen des Eigentumsverlustes an dem bezeichneten Grundstück zustehe.
Mit Bescheid vom 18. März 2004 stellte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass der Klägerin ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 218 884,05 € gegen den Entschädigungsfonds sowie ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 2 188,84 € zustehe. Für die Berechnung ging es von einem Einheitswert des Betriebsgrundstücks (nach einer Mitteilung des Finanzamts zum 1. Januar 1931: 113 400 RM) und einem Hauszinssteuer-Abgeltungsdarlehen (mit 3 800 RM valutierend) aus, bildete hieraus die Summe (117 200 RM), die es mit dem Faktor 4 multiplizierte. Von dem Produkt (468 800 RM) setzte es 50 v.H. der zum Zeitpunkt der Schädigung eingetragenen Belastungen (41 500 RM = 50 v.H. von 83 000 RM) ab und addierte den Schätzwert des beweglichen Betriebsvermögens, das mangels anderweitiger Feststellung mit einem Pauschbetragsmindestsatz (800 RM) angesetzt wurde.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 466 226,61 € (abzüglich der bereits festgesetzten Entschädigung), weil für das Betriebsgrundstück im Rahmen von § 4 Abs. 2a EntschG der siebenfache Vervielfältiger anzusetzen sei; auch sei der Pauschbetrag von 800 RM zu vervielfachen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 1 227,10 € stattgegeben, weil auch der Pauschbetrag für das bewegliche Betriebsvermögen gemäß § 4 Abs. 2a EntschG zu vervierfachen sei; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil hinsichtlich des für das Grundstück angesetzten Einheitswertes die von der Beklagten vorgenommene Vervielfachung mit dem Faktor 4 rechtmäßig sei und die Klägerin nicht eine Versiebenfachung beanspruchen könne.
Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dass der Einheitswert des Betriebsgrundstücks nicht – wie von der Klägerin erstrebt – mit dem Faktor 7, sondern lediglich mit dem Faktor 4 zu multiplizieren sei, ergebe sich bereits aus § 2 Satz 2 des NS-VEntschG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EntschG und werde im Übrigen durch § 2 Satz 5 Halbs. 2 des NS-VEntschG bestätigt, der mit dem Entschädigungsrechtsänderungsgesetz vom 10. Dezember 2003 nachträglich lediglich zwecks “Klarstellung” in das Gesetz aufgenommen worden sei und ausdrücklich mit Benennung der “Vervierfachung” auf § 4 Abs. 2a EntschG Bezug nehme. Dass § 2 Satz 5 Halbs. 1 NS-VEntschG die dortige Regelung für entsprechend anwendbar erkläre, stehe dem nicht entgegen. Denn dies beziehe sich erkennbar nur auf den dort genannten Berechnungsmodus, nicht aber auch auf den Faktor 7. Eine entsprechende Anwendung im Entschädigungsgesetz wäre systemwidrig und würde zu einer unangemessenen Bevorzugung bei der Entschädigung derjenigen Personen führen, deren Grundstücke zu einem Unternehmen gehörten. Das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz orientiere sich nicht, wie das Entschädigungsgesetz, am fiktiven Verkehrswert für Grundstücke im Jahre 1990, der bei Kleinbetrieben mit höchstens 10 Mitarbeitern zu einer unzureichenden Berücksichtigung eines Betriebsgrundstücks führen würde, da dieses bei derart kleinen Unternehmen regelmäßig den wesentlichen Wert darstellte, sondern an den Grundsätzen des alliierten Rückerstattungsrechts und der Angleichung an die Entschädigungen, die nach dem deutsch-amerikanischen Pauschalentschädigungsabkommen geleistet worden seien. Um den großen Zeitabstand zwischen Schädigung und Entschädigung auszugleichen, sei der maßgebliche Einheitswert pauschal mit 4 multipliziert und – anders als nach dem Entschädigungsgesetz – eine Degression nicht zugelassen sowie Grundstücksbelastungen aus der Zeit nach dem 15. September 1935 generell außer Acht gelassen und aus der Zeit zuvor nur zur Hälfte berücksichtigt worden, was im Regelfall eine erheblich höhere Entschädigung für NS-Opfer und deren Rechtsnachfolger bewirke.
Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 4 Abs. 2a EntschG, der gemäß § 2 Satz 5 NS-VEntschG für ihren Anspruch auf Entschädigung für das den Gewerkschaften entzogene Gewerkschaftshaus D… entsprechend gelte und bewirke, dass für die Berechnung der begehrten weiteren Entschädigung der Einheitswert des Grundstücks mit dem in § 4 Abs. 2a EntschG normierten Vervielfältiger “7” hätte multipliziert werden müssen, so dass sich die begehrte weitere Entschädigung ergebe. Hierzu trägt sie vor, dass nach dem Wortlaut und der Zielsetzung des § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG allein die Versiebenfachung sach- und systemgerecht sei und eine Schlechterstellung derjenigen Inhaber von Kleinbetrieben, die nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zu entschädigen seien, im Vergleich zu solchen Entschädigungsberechtigten vermeide, für deren Entschädigung § 4 Abs. 2a EntschG unmittelbar anwendbar sei. Aus dem erst nachträglich in das Gesetz eingefügten § 2 Satz 5 Teilsatz 2 NS-VEntschG, der nach der Begründung zum Gesetzentwurf eine “Regelung zugunsten” der Anspruchsberechtigten habe treffen sollen, ergebe sich schon deswegen nichts anderes, weil hierdurch der durch die Ursprungsfassung des Gesetzes eingeräumte, wegen der Anwendung des Faktors 7 höhere und eigentumsrechtlich geschützte Entschädigungsanspruch nicht nachträglich hätte gemindert werden dürfen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und macht geltend, das Verwaltungsgericht habe in Anwendung des § 2 Satz 5 NS-VEntschG i.V.m. § 4 Abs. 2a EntschG zu Recht entschieden, dass der Einheitswert des Betriebsgrundstücks nicht mit dem Faktor 7, sondern mit dem Faktor 4 zu multiplizieren sei. Dies folge eindeutig aus § 2 Satz 5 Teilsatz 2 NS-VEntschG, der lediglich die auch zuvor geltende Rechtslage klarstelle, dass mit § 2 Satz 2 NS-VEntschG eine spezialgesetzliche, vorrangige Regelung bestehe, von der auch bei der Anwendung des § 4 Abs. 2a EntschG nicht abzuweichen sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) dahin erkannt, dass bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Entschädigung lediglich das Vierfache des Einheitswertes des entzogenen Betriebsgrundstücks zu berücksichtigen ist und die Beklagte daher nicht verpflichtet ist, der Klägerin die begehrte weitere Entschädigung zu gewähren.
Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch wegen des im Jahre 1933 eingetretenen Eigentumsverlustes zusteht und sich die Bemessung der Entschädigung nach § 2 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes (vom 27. September 1994, BGBl I S. 2632, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. September 2005, BGBl I S. 2809 – NS-VEntschG –) richtet. Zwischen den Beteiligten steht allein im Streit, ob aus der in § 2 Satz 3 NS-VEntschG (in der bis zum 16. Dezember 2003 gültigen Fassung vom 27. September 1994, BGBl I S. 2632 ≪F. 1994≫) bzw. § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG (in der ab dem 17. Dezember 2003 gültigen Fassung des Gesetzes vom 10. Dezember 2003, BGBl I S. 2471 ≪F. 2003≫) angeordneten entsprechenden Geltung des “§ 4 Abs. 2 bis 4 des Entschädigungsgesetzes”, welche auch § 4 Abs. 2a EntschG erfasst, folgt, dass die Bemessungsgrundlage der Entschädigung mit dem Siebenfachen des – der Höhe nach unstrittigen – Einheitswertes des Betriebsgrundstücks zu ermitteln ist (so die Klägerin) oder sich auch insoweit die Höhe der Entschädigung nach dem Vierfachen des vor der Entschädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes (§ 2 Satz 2 NS-VEntschG) bemisst (so die Beklagte). Die von dem Verwaltungsgericht gefundene Auslegung, dass in den Fällen des § 2 NS-VEntschG lediglich eine Vervierfachung vorzunehmen ist, entspricht dem Bundesrecht.
Der Klägerin ist nicht darin zu folgen, dass bereits der Wortlaut des § 2 NS-VEntschG eindeutig für eine Versiebenfachung spreche. § 2 Satz 2 NS-VEntschG bestimmt vielmehr, dass bei Vermögensgegenständen, für die ein Einheitswert festgestellt wird, sich die Höhe der Entschädigung nach dem Vierfachen des vor der Entschädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes bemisst. Dies erfasst auch Betriebsgrundstücke. Einen hiervon abweichenden Faktor, mit dem in Fällen der Entschädigung eines Unternehmens mit höchstens zehn Mitarbeitern und nicht mehr als einem Betriebsgrundstück (Kleinbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 2a EntschG) der Einheitswert des einen Betriebsgrundstücks zu vervielfältigen wäre, legt § 2 NS-VEntschG selbst nicht ausdrücklich fest. Angeordnet ist sowohl in der ursprünglichen, zum 1. Dezember 1994 in Kraft getretenen (§ 2 Satz 3 NS-VEntschG ≪F. 1994≫) als auch in der seit dem 17. Dezember 2003 gültigen Fassung (§ 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG ≪F. 2003≫) der Norm lediglich die entsprechende Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG. Allein der entsprechend geltende Wortlaut des § 4 Abs. 2a EntschG ist insoweit eindeutig, als er bei einer Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz eine Versiebenfachung des Einheitswertes des Betriebsgrundstücks anordnet.
Aus der lediglich entsprechenden Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass auch insoweit die Regelung des § 2 Satz 2 NS-VEntschG überlagert wird, nach der für alle Vermögensgegenstände, für die ein Einheitswert festgestellt wird, sich die Höhe der Entschädigung nach dem Vierfachen des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes bemisst. Systematisch durchgreifend gegen eine solche Überlagerung und dessen Vorrang spricht, dass § 2 Satz 2 NS-VEntschG für den Vervielfältiger nicht danach unterscheidet, ob es sich um einen Fall der Unternehmensentschädigung handelt oder lediglich Grundvermögen zu entschädigen ist. Auch sonst sind von der entsprechenden Anwendung von Normen der §§ 3, 4 des Entschädigungsgesetzes, die § 2 Satz 3 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 1994) bzw. § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 2003) anordnet, gerade die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 EntschG ausgenommen, die nach zu entschädigenden Vermögensgegenständen differenzierende Bestimmungen zum Vervielfältiger enthalten, mit dem zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage ein Einheitswert zu multiplizieren ist. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grunde von der in § 2 Satz 2 NS-VEntschG durchgängig vorgegebenen Beschränkung auf eine Vervierfachung lediglich in Fällen der entsprechenden Anwendung des § 4 Abs. 2a EntschG abgewichen worden sein sollte.
Eine auf die entsprechende Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG gestützte Versiebenfachung auch in den Fällen des § 2 NS-VEntschG widerspräche überdies dem Sinn und Zweck der Kleinbetriebsregelung. Die Kleinbetriebsklausel des § 4 Abs. 2a EntschG ist im Zuge der Beratungen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes eingefügt worden, um den Fällen, dass bei kleinen Unternehmen der Wert des Grundstücks den Wert des übrigen Betriebsvermögens erheblich übersteigt, dadurch Rechnung zu tragen, dass der Berechtigte wählen kann, dass die Entschädigung für sein Unternehmen mit dem Siebenfachen des Einheitswertes des Geschäftsgrundstücks zu bemessen ist (s. BTDrucks 12/7588, 37). Diese Regelung bezweckt eindeutig, dass für diesen Fall sowohl bei der Unternehmensentschädigung als auch bei der Grundstücksentschädigung für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage in Bezug auf den Einheitswert des Grundstücks derselbe Vervielfältiger, nämlich der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntschG u.a. für Geschäftsgrundstücke vorgesehene Vervielfältiger “7”, zu Grunde zu legen ist. Diese Gleichstellung wäre bei einer entsprechenden Anwendung des Vervielfältigers “7” bei der Bemessung der Entschädigung nach § 2 NS-VEntschG gerade nicht gegeben. Denn bei der Grundstücksentschädigung ist der Grundstückseinheitswert auch eines Geschäftsgrundstücks nach § 2 Satz 2 NS-VEntschG lediglich zu vervierfachen; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EntschG ist – anders im Entschädigungsgesetz – gerade nicht entsprechend anzuwenden. Soweit die Klägerin diesem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe, deren Entschädigung nach § 2 NS-VEntschG zu bemessen ist, entgegenhält, dass dann die Entschädigung in Kleinbetriebsfällen, die nach § 2 NS-VEntschG zu bemessen ist, und die Entschädigung in Fällen, in denen direkt § 4 Abs. 2a EntschG Anwendung findet, in Bezug auf den anzuwendenden Vervielfältiger nach unterschiedlichen Grundsätzen bemessen wird, so ist dies in der Beschreibung zutreffend. Daraus lässt sich indes keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung von Entschädigungsberechtigten herleiten. Nach dem von dem Gesetzgeber gewählten systematischen Ansatz für die Bemessung der Höhe der Entschädigung einerseits für diejenigen, deren Entschädigungsberechtigung aus § 1 NS-VEntschG folgt, und andererseits für diejenigen, bei denen sich die Entschädigungsberechtigung aus § 1 EntschG ergibt, bestehen angesichts der dem Gesetzgeber im Bereich des Entschädigungsrechts zuzubilligenden Befugnis zur pauschalierenden, typisierenden Regelung sowie angesichts der in die Wertbemessung jeweils einfließenden Umstände und der damit verbundenen Bewertungs-, Feststellungs- und Nachweisschwierigkeiten in Bezug auf den Schädigungszeitpunkt Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass die vorbezeichnete Ungleichbehandlung, die zudem eine systemgerechte Entschädigung innerhalb der Gruppe der nach §§ 1 ff. NS-VEntschG zu entschädigenden Personen gewährleistet, keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.
Demgegenüber greift auch der Einwand nicht durch, dass bei einer Vervierfachung des Einheitswertes die in § 2 NS-VEntschG angeordnete entsprechende Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG ohne Sinn wäre. Dies ist nicht der Fall. Soweit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2a EntschG vorliegen, folgt aus der entsprechenden Geltung, dass auch bei der Unternehmensentschädigung Bezugsgröße der Vervierfachung der Einheitswert des Betriebsgrundstücks ist und nicht ein etwa hiervon nach unten abweichender Einheitswert des Unternehmens, das in Anwendung des § 4 Abs. 2 EntschG ermittelte Reinvermögen oder eine Schätzung nach § 4 Abs. 3 EntschG; dies kommt insbesondere bei mit hohen, nicht einzelnen Wirtschaftsgütern zuzuordnenden Betriebsschulden in Betracht. Bei entsprechender Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG ist überdies dem Einheitswert des Betriebsgrundstücks der Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen, und zwar vor der Vervierfachung (§ 2 Satz 5 Teilsatz 2 NS-VEntschG).
Vorstehende Auslegung des § 2 Satz 3 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 1994) bzw. des § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 2003) wird durch § 2 Satz 5 Teilsatz 2 NS-VEntschG (F. 2003) jedenfalls bekräftigt. Nach dieser Regelung ist “in den Fällen des § 4 Abs. 2a des Entschädigungsgesetzes […] der Abgeltungsbetrag […] vor der Vervierfachung hinzuzurechnen”. Zwar wird durch diese Regelung der in § 4 Abs. 2a EntschG genannte Multiplikator nicht ausdrücklich geändert; der Gesetzgeber hat nicht bestimmt: In den Fällen des § 4 Abs. 2a des Entschädigungsgesetzes ist der Einheitswert zu vervierfachen und zuvor der Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen. Er hat aber für den Abgeltungsbetrag die Festlegung getroffen, dass die Berücksichtigung “vor der Vervierfachung” zu erfolgen habe; das setzt indes als anderweitig bereits geregelt voraus, dass auch der Einheitswert lediglich zu vervierfachen ist. Für einen Schreibfehler oder ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers fehlt ebenso jeder Anhaltspunkt wie für eine Auslegung, die für den Vervielfältiger darauf abstellt, ob ein Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen ist.
Anderes ergäbe sich selbst dann nicht, wäre – entgegen Vorstehendem – für die entsprechende Geltung des § 4 Abs. 2a EntschG nach § 2 Satz 3 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 1994) anzunehmen, dass die Beschränkung auf eine Vervierfachung umstritten gewesen sein sollte. Dann folgte aus der hier mangels entgegenstehender Übergangsvorschriften auf den geltend gemachten Entschädigungsanspruch anzuwendenden, gegenüber § 2 Satz 3 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 1994) späteren, gegenüber § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG (F. 2003) spezielleren und insgesamt vorrangigen Regelung des § 2 Satz 5 Teilsatz 2 NS-VEntschG zumindest klarstellend, dass nur eine Vervierfachung des Einheitswertes des Betriebsgrundstücks zu erfolgen hat. Der Gesetzgeber wäre im Übrigen an einer entsprechenden Regelung von Verfassungs wegen selbst dann nicht gehindert gewesen, wenn man mit der Rechtsauffassung der Klägerin eine konstitutiv wirkende neue Regelung unterstellte. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG für die Frage, ob und in welchem Umfang die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, für unrechtmäßige Vermögensschädigungen durch eine ausländische Staatsgewalt oder frühere deutsche Staatsgewalten einen Ausgleich zu schaffen, keine Vorgaben zu entnehmen (BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – BVerfGE 102, 254 ≪297≫; s.a. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2004 – BVerwG 3 B 57.04 – ZOV 2005, 223). Der Anspruch auf eine Entschädigung in bestimmter Höhe ist unabhängig davon, ob er dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfällt (vgl. – zu Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz – BVerwG, Urteil vom 6. April 1995 – BVerwG 7 C 10.94 – BVerwGE 98, 147; Beschluss vom 30. Juli 1998 – BVerwG 8 B 31.98 – Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 7; offen lassend BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1999 – 1 BvR 1281/95 – VIZ 2000, 209) gegenüber einer Inhaltsbestimmung, wie sie in der Festlegung einer Berechnungsposition liegt, für sich allein auch dann nicht eigentumsrechtlich geschützt oder sonst verfestigt, wenn eine Gesetzesänderung eine Absenkung der Entschädigung bewirkte. Anhaltspunkte dafür fehlen, dass sich – bei der Klägerin oder Dritten – in die Anwendung eines Vervielfältigers “7” ein schutzwürdiges, auch eigentumsrechtlich beachtliches Vertrauen gebildet haben könnte oder der Gesetzgeber aus Gleichbehandlungsgründen an einer Änderung gehindert gewesen sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Hund, Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 1849997 |
BVerwGE 2008, 6 |
DÖV 2008, 784 |