Entscheidungsstichwort (Thema)
Außendienstzulage. Bundesbesoldungsordnung. Dienstbezüge. Festsetzung. Lebensstandard. Rücknahme eines Verwaltungsaktes. Ruhegehalt. Ruhegehaltfähigkeit. Soldat. Stellenzulage. tatsächlicher Bezug einer Zulage. Versorgungsbescheid. Zulage. zulageberechtigende Verwendung
Leitsatz (amtlich)
Die Stellenzulage für Soldaten als Führer oder Ausbilder im Außen- und Geländedienst nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes, gehörte nach Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a in der Fassung vom 6. Februar 1991 (BGBl I S. 293) zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, wenn der Soldat mindestens zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden war. Das gilt auch dann, wenn diese Verwendung bereits vor dem Eintritt in den Ruhestand beendet war und wenn der Soldat die Stellenzulage nicht erhalten hat.
Normenkette
BBesG § 42 Abs. 4, Vorbem. Nrn. 3a, 4; SVG §§ 16-17; VwVfG § 48
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 20.01.2000; Aktenzeichen 12 A 2867/97) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.04.1997; Aktenzeichen 10 K 14263/94) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der im Range eines Stabsfeldwebels zum 1. April 1991 in den Ruhestand getretene Kläger war während seiner aktiven Dienstzeit als Berufssoldat u.a. als Zugführer eingesetzt. Eine Zulage für diese Verwendung erhielt er nicht. Bei der Festsetzung seiner Ruhebezüge wurde zunächst auch eine „Außendienstzulage” gemäß Vorbemerkung Nr. 4 zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B berücksichtigt. Mit Bescheid vom 17. Februar 1994 hob das Wehrbereichsgebührnisamt den ursprünglichen Festsetzungsbescheid jedoch insoweit auf, als darin die Außendienstzulage als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden war.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage mit dem Antrag erhoben, den Änderungsbescheid aufzuheben und ihm weiterhin Ruhegehalt unter Berücksichtigung der Stellenzulage nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B zu gewähren.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe den ursprünglichen Festsetzungsbescheid zu Unrecht zurückgenommen. Dieser sei rechtmäßig. Nach der noch anzuwendenden Nr. 3 a der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B sei auch die Zulage nach Nr. 4 ruhegehaltfähig. Die Voraussetzung einer mindestens zehnjährigen zulageberechtigenden Tätigkeit sei erfüllt. Für das Erfordernis eines tatsächlichen Bezuges der Zulage gebe die Vorschrift nichts her.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2000 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. April 1997 zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt hält die Revision der Beklagten für begründet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Rücknahmebescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
Die Beklagte durfte den Festsetzungsbescheid nicht teilweise zurücknehmen, weil dieser rechtmäßig war (§ 48 Abs. 1 VwVfG). Die Stellenzulage für Soldaten als Führer oder Ausbilder im Außen- und Geländedienst nach Nr. 4 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, Anlage I des Bundesbesoldungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 6. Februar 1991 (BGBl I S. 293) – Vorbemerkungen –, ist bei der Bemessung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Klägers zu berücksichtigen.
Gemäß § 17 Abs. 1 SVG sind ruhegehaltfähige Dienstbezüge, auf deren Grundlage gemäß § 16 SVG das Ruhegehalt berechnet wird, u.a. sonstige Dienstbezüge, die im Besoldungsrecht als ruhegehaltfähig bezeichnet sind und die dem Soldaten zuletzt zugestanden haben. Danach kommt es nicht auf die Bezüge an, die der Soldat tatsächlich erhalten hat, sondern auf die Bezüge, auf die der Soldat einen Rechtsanspruch hatte (vgl. bereits Urteil vom 7. Oktober 1955 – BVerwG 2 C 27.54 – ZBR 1955, 372). Dies entspricht dem Grundsatz der strengen Gesetzesbindung der Soldatenversorgung gemäß § 1 a Abs. 1 SVG (ebenso § 3 Abs. 1 BeamtVG). Danach sind die Versorgungsbezüge ausschließlich nach normativen Kriterien festzusetzen.
Von dem Prinzip der amtsgemäßen Versorgung, wonach für die Versorgungsbezüge grundsätzlich die Dienstbezüge aus dem zuletzt innegehabten Amt maßgebend sind, weicht die zur Zeit des Eintritts des Klägers in den Ruhestand am 1. April 1991 noch geltende Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ab. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung (§ 42 Abs. 4 BBesG) gehört die Zulage nach der Nr. 4 dieses Abschnittes zu den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, wenn der Soldat mindestens zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden ist. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung. Die Stellenzulage nach der Vorbemerkung Nr. 4 erhalten Soldaten, wenn sie überwiegend als Führer oder Ausbilder im Geländedienst verwendet werden. Nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den Senat mangels beachtlicher Verfahrensrügen binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), wurde der Kläger in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis zum 30. September 1983 als Zugführer überwiegend im Außen- und Geländedienst eingesetzt. Diese Verwendung als Führer einer militärischen Teileinheit war zulageberechtigend (vgl. Urteil vom 24. August 1995 – BVerwG 2 C 40.94 – Buchholz 240.1 BBesO Nr. 15 S. 11 f.). Auf Grund ihrer mehr als zehnjährigen Dauer ist die Stellenzulage nach der Vorbemerkung Nr. 4 ruhegehaltfähig. Das folgt schon aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut. Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a knüpft die Ruhegehaltfähigkeit der Stellenzulage ausdrücklich allein daran, dass der Soldat mindestens zehn Jahre zulageberechtigend verwendet worden ist. Ob diese Verwendung bis zum Eintritt in den Ruhestand fortbestand oder ob sie bereits vorher beendet war und ob der Soldat die Stellenzulage jemals bezogen hat, ist unerheblich. Aus dem systematischen Zusammenhang, aus dem Zweck der Vorschrift und aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich nichts anderes. Die in Absatz 2 der Vorbemerkung Nr. 3 a getroffene Regelung unterstreicht, dass es für die Ruhegehaltfähigkeit der Stellenzulage ausschließlich auf die tatsächliche zulageberechtigende Verwendung des Soldaten und deren Dauer, nicht dagegen auf die Zahlung der Stellenzulage ankommt. Nach Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 2 Satz 1 werden in den Fällen, in denen für die Ruhegehaltfähigkeit einer Stellenzulage eine Mindestzeit zulageberechtigender Verwendung gefordert wird, auch Zeiten vor In-Kraft-Treten der jeweiligen Vorschrift berücksichtigt, in denen die Verwendung zulageberechtigend gewesen wäre; danach werden sogar Zeiträume einbezogen, für die mangels einer anspruchsbegründenden Vorschrift keine Zulageberechtigung bestand. Nach Vorbemerkung Nr. 3 a Abs. 2 Satz 2 werden auch solche Zeiträume berücksichtigt, während derer auf Grund von Konkurrenzvorschriften die Zulage nicht zustand. Die im System des Versorgungsrechts ungewöhnliche Vergünstigung der Vorbemerkung Nr. 3 a geht über den Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung hinaus (vgl. Urteil vom 19. Juni 1997 – BVerwG 2 C 34.96 – Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 14 S. 7). Bei der durch Art. 1 Nr. 14 Buchst. c des Fünften Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Mai 1990 (BGBl I S. 967) neu eingefügten Bestimmung hat sich der Gesetzgeber bewusst und gewollt von dem Prinzip gelöst, bei der Bemessung der Versorgung nur einen den Lebenszuschnitt des Versorgungsempfängers und seiner Familie mitprägenden Bezügebestandteil zu berücksichtigen (vgl. BTDrucks 11/6542 ≪neu≫, S. 19 und 32).
Aus welchen Gründen dem Kläger die Stellenzulage während seiner zulageberechtigenden Verwendung nicht gewährt worden ist, kann danach auf sich beruhen. Die Vorenthaltung der Stellenzulage vermag an ihrer gesetzlich gebotenen Berücksichtigung als ruhegehaltfähig nichts zu ändern. Ein wirksamer Verzicht des Klägers auf die Stellenzulage und auf deren Berücksichtigung als ruhegehaltfähig kommt nicht in Betracht. Auf die gesetzlich zustehende Besoldung und Versorgung kann weder ganz noch teilweise verzichtet werden (§ 2 Abs. 3 BBesG, § 1 a Abs. 3 SVG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.02.2001 durch Schütz Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
ZTR 2001, 335 |
DÖV 2001, 876 |
PersV 2002, 573 |
DVBl. 2001, 1083 |