Entscheidungsstichwort (Thema)
begrenzte Dienstfähigkeit. Besoldung. Dienstbezüge. Gesetzesvorbehalt. Aufzehrungsregelung. Teilnichtigkeit. Gleichheitssatz. Alimentation. Alimentationsprinzip. Lebenszeitprinzip. unabhängige Amtsführung. Teilzeitbeschäftigung. Vollzeitbesoldung. Teilzeitbesoldung. Zuschlag
Leitsatz (amtlich)
Das Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) und der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verbieten es, begrenzt dienstfähige Beamte wie teilzeitbeschäftigte Beamte zeitanteilig zu besolden. Geboten ist eine Orientierung an der Besoldung für Vollzeitbeschäftigte. Allerdings darf der Normgeber berücksichtigen, dass begrenzt dienstfähige Beamte objektiv nicht die volle Dienstleistung erbringen und einer unerwünschten Attraktivität des Instituts der begrenzten Dienstfähigkeit entgegenwirken.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 125a Abs. 1; BBesG §§ 2, 6, 72a; BBG §§ 44-46; BeamtStG §§ 26-27, 29; DBZV BW § 2
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 16.05.2011; Aktenzeichen 4 S 1003/09) |
VG Stuttgart (Entscheidung vom 01.04.2009; Aktenzeichen 3 K 1366/08) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Mai 2011 wird aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. April 2009 in Bezug auf die begehrte Feststellung zurückgewiesen hat.
Es wird festgestellt, dass die der Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. April 2008 gezahlte Besoldung insoweit verfassungswidrig zu niedrig ist, als ihr kein Zuschlag aufgrund ihrer begrenzten Dienstfähigkeit gewährt worden ist.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist Lehrerin und steht als Studiendirektorin (Besoldungsgruppe A 15) in Diensten des beklagten Landes. Mit Bescheid vom 27. September 2007 wurde ihre Arbeitszeit wegen begrenzter Dienstfähigkeit mit Wirkung vom 1. Oktober 2007 auf 15/25 Wochenstunden (= 60 %) herabgesetzt. Im Anschluss daran teilte ihr das Landesbesoldungsamt ihre zeitanteilig ermäßigten Dienstbezüge mit. Da diese deutlich höher waren als die Versorgungsbezüge, die sie bei Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erhalten hätte, kam sie nicht in den Genuss des für begrenzt dienstfähige Beamte vorgesehenen Zuschlags zur Besoldung.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht erhoben und beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1 588,73 EUR für den Zeitraum von Oktober 2007 bis April 2008 zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass die ihr gezahlte Besoldung in diesem Zeitraum verfassungswidrig zu niedrig war. Mit diesem Klagebegehren ist sie in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung höherer Dienstbezüge für den Zeitraum von Oktober 2007 bis April 2008, weil sie der Aufzehrungsregelung der einschlägigen Verordnung unterfalle. Deren geltend gemachte Verfassungswidrigkeit sei im Rahmen des Leistungsantrags irrelevant, da keine höheren als die gesetzlich vorgesehenen Besoldungsleistungen zugesprochen werden könnten. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, weil die besoldungsrechtliche Gleichbehandlung von begrenzt dienstfähigen Beamten mit teilzeitbeschäftigten Beamten keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung sei. Beide Gruppen leisteten objektiv in beschränktem zeitlichen Umfang Dienst. Die bei begrenzt dienstfähigen Beamten fehlende Freiwilligkeit der Reduzierung der Arbeitszeit sei kein so wesentlicher Umstand, dass eine besoldungsrechtliche Gleichbehandlung der beiden Beamtengruppen verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Denn die Teildienstunfähigkeit des begrenzt dienstfähigen Beamten rühre aus seiner Sphäre her und er habe mit der fortbestehenden Dienstleistungsverpflichtung auch den Vorteil der fortbestehenden Integration ins Arbeitsleben.
Die Klägerin hat die bereits vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Mai 2011 und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. April 2009 sowie den Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 7. März 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin 1 588,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 7. April 2008 zu zahlen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die der Klägerin gewährte Besoldung in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. April 2008 insoweit zu niedrig ist, als ihr kein Zuschlag aufgrund ihrer begrenzten Dienstfähigkeit gewährt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des auf Zahlung höherer Dienstbezüge gerichteten Klagebegehrens unbegründet (1.). Hinsichtlich der hilfsweise beantragten Feststellung ist die Revision begründet. Das Urteil verletzt insoweit Bundesrecht, nämlich Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG (2.).
1. Das mit dem Hauptantrag verfolgte Begehren auf Zahlung höherer Dienstbezüge ist unbegründet. Ein Zahlungsanspruch besteht nicht, weil der Beklagte die Dienstbezüge der Klägerin im Einklang mit den normativen Vorgaben festgesetzt hat.
Besoldungsleistungen dürfen nur gewährt werden, wenn und soweit sie gesetzlich festgelegt sind (vgl. nur § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BBesG). Aufgrund des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im besoldungsrelevanten Bereich gilt dies auch dann, wenn die Alimentation der Beamten, d.h. ihr Nettoeinkommen, verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt ist. Auch dann wird den Beamten zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber aufgrund einer verfassungsgerichtlichen Feststellung eine Neuregelung getroffen hat. Diese muss den Zeitraum ab der Feststellung der Verfassungswidrigkeit erfassen (stRspr; vgl. Urteile vom 20. Juni 1996 – BVerwG 2 C 7.95 – Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8 S. 3 f. und zuletzt vom 27. Mai 2010 – BVerwG 2 C 33.09 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 Nr. 117 Rn. 8 m.w.N.).
Im streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2007 bis April 2008 galten für die Besoldung der baden-württembergischen Landesbeamten § 72a und § 6 Abs. 1 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), weil Baden-Württemberg von der insoweit seit dem 1. September 2006 bestehenden Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht hatte (Art. 125a Abs.1 Satz 1 GG, § 86 BBesG a.F.). Danach erhielt ein Beamter bei begrenzter Dienstfähigkeit Dienstbezüge wie ein teilzeitbeschäftigter Beamter, gegebenenfalls ergänzt durch einen durch Rechtsverordnung des Landes geregelten nicht ruhegehaltfähigen Zuschlag. Nach der baden-württembergischen Dienstbezügezuschlagsverordnung – DBZV BW – vom 6. November 2007 (GBl S. 490) bekamen begrenzt dienstfähige Beamte zusätzlich zu ihren laufenden Dienstbezügen einen nicht ruhegehaltfähigen Zuschlag in Höhe von fünf Prozent ihrer Dienstbezüge bei Vollzeitbeschäftigung, mindestens jedoch 220 EUR (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 DBZV BW). Allerdings verringerte sich nach § 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV BW der Zuschlag um den Unterschiedsbetrag, wenn die entsprechend des Arbeitszeitanteils gezahlten Dienstbezüge höher waren als die fiktiven Versorgungsbezüge (sog. Aufzehrungsregelung).
Die Arbeitszeit der Klägerin war aufgrund ihrer begrenzten Dienstfähigkeit auf 60 % reduziert. Bei Lehrern bemisst sich die Arbeitszeit nach der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung (vgl. Urteil vom 30. August 2012 – BVerwG 2 C 23.10 –BVerwGE 144, 93 = Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 29, jeweils Rn. 14 m.w.N.). Der ihr nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 DBZV BW an sich zustehende Zuschlag in Höhe von 248,20 EUR (5 % ihrer Vollzeitbezüge) wurde nach § 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV BW vollständig aufgezehrt, weil er geringer war als die Differenz zwischen den fiktiven Versorgungsbezügen (2 292,97 EUR) und ihren nach ihrem Arbeitszeitanteil berechneten Dienstbezügen (2 999,46 EUR).
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt eine bloße Teilnichtigkeit des § 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV BW – mit der Folge eines Zahlungsanspruchs allein aufgrund der verbleibenden Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 DBZV BW – nicht in Betracht. Trotz Nichtigkeit einer Teilregelung sind die verbleibenden normativen Regelungen dann rechtswirksam, wenn sie in ihrer Gesamtheit ein sinnvolles, anwendbares Regelwerk darstellen und der Verordnungsgeber dieses Regelwerk ohne den nichtigen Teil erlassen hätte und auch hätte erlassen können (BVerfG, Beschluss vom 7. September 2010 – 2 BvF 1/09 – BVerfGE 127, 165 ≪223≫; BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 – BVerwG 2 C 74.10 –BVerwGE 144, 186 Rn. 28). Hiernach scheidet die Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit von § 2 Abs. 2 Satz 2 DBZV BW schon deshalb aus, weil der Verordnungsgeber die verbleibenden Zuschlagsregelungen nicht ohne eine Aufzehrungsregelung hätte erlassen dürfen. Die verbleibenden Zuschlagsregelungen hätten nämlich zur Folge, dass ein Teil der begrenzt dienstfähigen Beamten – nämlich solche mit nur einer geringen Minderung der Dienstfähigkeit – höher besoldet würden als vollzeitbeschäftigte Beamte, was gleichheitswidrig wäre (vgl. auch VGH München, Urteil vom 30. November 2009 – 14 B 06.2477 -juris Rn. 50).
2. Die Revision ist begründet, soweit die Klägerin festgestellt wissen will, dass ihre Besoldung im Zeitraum von Oktober 2007 bis April 2008 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war. Der Verordnungsgeber war verpflichtet, begrenzt dienstfähigen Beamten einen Zuschlag zu gewähren, um eine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber teilzeitbeschäftigten Beamten zu vermeiden und das erforderliche Alimentationsniveau sicherzustellen. Daher verletzt das Berufungsurteil Bundesverfassungsrecht, nämlich Art. 3 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Die Ungleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass die Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihnen Rechnung getragen werden muss. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung nicht finden lässt. Im Bereich des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf (Urteil vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – BVerwGE 123, 308 ≪313≫ = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1 S. 4 m.w.N.).
Nach dem in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsprinzip hat der Dienstherr dem Beamten und seiner Familie nach Dienstrang, Bedeutung des Amtes und entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung bilden die Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in rechtlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe beitragen kann, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern. Die Alimentation ist die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte ihm zur Verfügung stellt und seine Dienstpflichten nach Kräften erfüllt. Der Beamte verliert mit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis grundsätzlich die Freiheit zu anderweitiger Erwerbstätigkeit, denn der Staat fordert die ganze Arbeitskraft des Beamten und damit seine volle Hingabe (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 – 2 BvF 3/02 – BVerfGE 119, 247 ≪263 f.≫ m.w.N.; stRspr). Das Alimentationsprinzip steht in einem engen Zusammenhang mit dem Lebenszeitprinzip, das ebenfalls eine integre, ausschließlich an Gesetz und Recht orientierte Amtsführung fördern soll, indem es den Beamten rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit gibt. Alimentationsprinzip und Lebenszeitprinzip konstituieren das Beamtenverhältnis als ein auf Lebenszeit angelegtes Dienst- und Treueverhältnis und gewährleisten die amtsangemessene Besoldung und lebenslange Versorgung (Urteil vom 23. Februar 2012 – BVerwG 2 C 76.10 – BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54, jeweils Rn. 17 m.w.N.).
Die Dienstbezüge sind anders als das Entgelt im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis kein Arbeitslohn für Arbeitsleistung innerhalb der Arbeitszeit, sie sind kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste in bestimmten Dienstzeiten (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39 ≪63≫ m.w.N.). Dienstbezüge werden nicht als Entgelt für Einzelleistungen gewährt, sondern sollen sicherstellen, dass der Beamte seine Dienstleistung unter Beachtung der hierfür geltenden Pflichten erbringt.
Ausgehend von diesen Maßstäben geht es im Streitfall um eine vor dem Hintergrund der Anforderungen des Alimentationsprinzips anzustellende vergleichende Betrachtung von zwei Gruppen: den aufgrund eigenen Antrags (also freiwillig) teilzeitbeschäftigten Beamten einerseits und den begrenzt dienstfähigen Beamten andererseits:
Werden Beamten Dienstbezüge gewährt, die entsprechend der ermäßigten Arbeitszeit abgesenkt sind, kann die Alimentation ihren Zweck nicht erfüllen: Denn bei einer entsprechend der Arbeitszeit reduzierten Besoldung erreichen die betroffenen Beamten nicht das Einkommensniveau, das der Besoldungsgesetzgeber selbst als dem jeweiligen Amt angemessen eingestuft hat. Sie erhalten nicht das Einkommen, das als Grundlage wirtschaftlicher Unabhängigkeit für das konkrete Amt mit seiner Verantwortung und Bedeutung angesehen werden kann. Das kann bei der Teilzeitbeschäftigung deshalb hingenommen werden, weil sie im Interesse des Beamten und auf dessen Antrag hin gewährt wird. Das Merkmal der Freiwilligkeit bezüglich der Einschränkung von Arbeitszeit und Besoldung ist als funktionsadäquates Sicherungskriterium erforderlich. Der Beamte kann – gegebenenfalls auch in Ansehung des übrigen Familieneinkommens –selbst darüber entscheiden, ob und inwieweit er die Arbeitszeit reduzieren und dafür Einbußen bei der Besoldung in Kauf nehmen will oder ob er für die Sicherung eines angemessenen Unterhalts auf die volle Besoldung angewiesen ist. (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007, a.a.O. S. 269 f.).
Während ein teilzeitbeschäftigter Beamter nur mit einem Teil seiner Arbeitskraft Dienst leistet, bringt der begrenzt dienstfähige Beamte seine Arbeitskraft ganz ein. Daher steht er dem in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Leitbild, wonach der Beamte dem Dienstherrn seine gesamte Persönlichkeit und volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat, zumindest erheblich näher (Urteil vom 28. April 2005 – BVerwG 2 C 1.04 – a.a.O. S. 314 bzw. S. 5). Der Dienstherr bringt durch die Entscheidung, die nur noch begrenzt dienstfähigen Beamten nicht in den Ruhestand zu versetzen, sondern sie im Dienst zu belassen, zum Ausdruck, dass er auf ihre objektiv eingeschränkte, subjektiv aber volle Dienstleistung Wert legt. Daher darf er ihnen auch die zur Sicherung der unabhängigen Amtsführung gebotene Besoldung nicht vorenthalten.
Der begrenzt dienstfähige Beamte hat nicht die Möglichkeit, es bei der Vollzeitbeschäftigung und damit bei der vollen Besoldung zu belassen oder später wieder Vollzeitbeschäftigung und -besoldung zu verlangen. Vom Ausnahmefall der substantiellen Verbesserung seiner gesundheitlichen Situation abgesehen, kann er anders als der teilzeitbeschäftigte Beamte auch nicht – ggf. sogar vorzeitig – zur Vollzeit und damit zur vollen Besoldung zurückkehren (vgl. nur § 91 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 4 Satz 1 BBG; Urteile vom 16. Oktober 2008 – BVerwG 2 C 20.07 – NVwZ 2009, S. 470 Rn. 23 ff. und vom 30. Oktober 2008 – BVerwG 2 C 48.07 – BVerwGE 132, 243 Rn. 7 ff.). Zwar liegt der Grund für die begrenzte Dienstfähigkeit des Beamten – seine beeinträchtigte Gesundheit – nicht in der Sphäre des Dienstherrn, so dass Gefahren für die Unabhängigkeit der Amtsführung nicht durch den Dienstherrn drohen; insbesondere haben es die Vorgesetzten des begrenzt dienstfähigen Beamten nicht in der Hand, ihn etwa durch die Erhöhung der Dienstleistungsquote besoldungsrechtlich besserzustellen. Aber es besteht strukturell die Gefahr, dass der begrenzt dienstfähige Beamte Alimentationsdefizite auf andere Weise auszugleichen sucht. Dies ist umso bedenklicher, als ihm in der Regel die bei Voll- und Teilzeitbeschäftigung voll dienstfähiger Beamter möglichen Nebentätigkeiten – die ihrerseits wiederum die Gefahr mit sich bringen können, zum „Diener zweier Herren” zu werden (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007, a.a.O. S. 272) – aus gesundheitlichen Gründen weitgehend verschlossen sein dürften.
Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass der Dienst leistende begrenzt dienstfähige Beamte nicht nur die Besoldung als Gegenwert für seine Dienstleistung erhält, sondern auch noch befördert werden und vor allem seinen Ruhegehaltssatz noch steigern kann. Allerdings sind das Vorteile, die das Alimentationsdefizit eines zeitanteilig besoldeten Beamten nicht verringern. Sie unterscheiden ihn überdies nur von dem vorzeitig in den Ruhestand versetzten begrenzt dienstfähigen Beamten, nicht aber von dem teilzeitbeschäftigten Beamten und können deshalb den unter Gleichheitsaspekten (Art. 3 Abs. 1 GG) erforderlichen besoldungsrechtlichen Unterschied zwischen dem Dienst leistenden begrenzt dienstfähigen Beamten und dem teilzeitbeschäftigten Beamten nicht herstellen.
Der Funktion der Alimentation, durch einen amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten sicherzustellen, dass der Dienst leistende Beamte im politischen Kräftespiel zu einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beiträgt, entspricht es daher, dass sich die Besoldung von Dienst leistenden begrenzt dienstfähigen Beamten grundsätzlich an derjenigen für Vollzeitbeschäftigte orientieren muss. Mit der Besoldung für Vollzeitbeschäftigte hat der Gesetzgeber das von ihm selbst als amtsangemessen angesehene Niveau der Besoldung festgelegt. Der Normgeber darf es bei der Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter nicht dabei belassen, diese auf ein zeitanteilig niedrigeres Niveau abzusenken. Mit der Verordnungsermächtigung in § 72a Abs. 2 BBesG a.F. ist dem Besoldungsnormgeber die Möglichkeit eröffnet, eine verfassungskonforme Gesamtregelung zu schaffen (vgl. für den Fall der verfassungsrechtlich gebotenen Besserstellung von Dienst leistenden begrenzt dienstfähigen Beamten gegenüber in den Ruhestand versetzten begrenzt dienstfähigen Beamten: Urteil vom 28. April 2005 – 2 C 1.04 – a.a.O. S. 315 bzw. S. 5 f.).
Im Rahmen dieser Gesamtregelung hat eine Aufzehrungsregelung, die – wie im vorliegenden Fall – zu einer gleichen Besoldung des begrenzt dienstfähigen Beamten und des teilzeitbeschäftigten Beamten führt, keinen Platz. Sie führt tendenziell dazu, dass dienstjüngere Beamte – wegen ihrer relativ niedrigen fiktiven Ruhegehaltsansprüche – und Beamte mit relativ hoher Teilzeitquote – weil sie eine relativ hohe Besoldung erhalten – den Zuschlag nicht erhalten; bei ihnen verbleibt es bei der Teilzeit-Besoldung. Damit werden die Anforderungen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verfehlt, da ohne rechtfertigenden Grund die ungleichen Gruppen der begrenzt dienstfähigen Beamten einerseits und der teilzeitbeschäftigten Beamten andererseits gleichbehandelt werden und für begrenzt dienstfähige Beamte das erforderliche Alimentationsniveau nicht gewährleistet wird.
Allerdings darf der Normgeber im Rahmen seiner Gesamtregelung auch den unterschiedlichen objektiven Umfang der Arbeitsleistung von begrenzt dienstfähigen Beamten einerseits und vollzeitbeschäftigten Beamten andererseits bei der Besoldung berücksichtigen und einer unerwünschten Attraktivität des Instituts der begrenzten Dienstfähigkeit entgegenwirken.
Die vom Dienstherrn zu gewährende Alimentation steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zur Dienstleistungspflicht der Beamten (Urteil vom 23. Februar 2012 – BVerwG 2 C 76.10 – BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54, jeweils Rn. 18). So wie das Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten in den hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeit-und des Alimentationsprinzips verankert ist (Urteile vom 23. Februar 2012 a.a.O. Rn. 16 und vom 25. Juni 2013 – BVerwG 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244 Rn. 50), gilt Entsprechendes für das angemessene Verhältnis von zeitlichem Dienstleistungsumfang und Bezugshöhe. Volle Alimentation setzt daher grundsätzlich auch die volle Dienstleistung der Beamten voraus (vgl. § 9 BBesG zum Verlust der Dienstbezüge bei schuldhaftem Fernbleiben vom Dienst). Durch seine Dienstleistung „erwirbt” der Beamte sein Recht auf amtsangemessene Alimentation (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 –BVerfGE 114, 258 ≪289≫).
Die gesetzliche Ausgestaltung der Alimentation der Beamten knüpft in vielfältiger Weise an den Umfang der Arbeitsleistung an, beispielsweise beim AltersRuhegehalt durch die – verfassungsrechtlich gebotene (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 – 2 BvR 1387/02 – a.a.O. S. 286 m.w.N.) – Anknüpfung an die Anzahl der ruhegehaltfähigen Dienstjahre (vgl. z.B. § 6 BeamtVG; bei Teilzeitbeschäftigung mit der entsprechenden Quote, § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG), beim Ruhegehalt im Falle der Dienstunfähigkeit ebenfalls durch die Anknüpfung an die Anzahl der ruhegehaltfähigen Dienstjahre (plus Zurechnungszeit, vgl. z.B. §§ 6 und 13 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) und bei der Vergütung für Mehrarbeit (vgl. z.B. die Bundesmehrarbeitsvergütungsverordnung – BMVergV). Wenn der Normgeber für begrenzt dienstfähige Beamte einen Abschlag von der Vollalimentation vornimmt, trägt dies dem Umstand Rechnung, dass dem Dienstherrn ein Teil der Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht und dadurch das austarierte Pflichtengefüge zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten betroffen ist (vgl. für den Fall des vorzeitigen Ruhestands Urteil vom 23 Februar 2012 – BVerwG 2 C 76.10 – BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54, jeweils Rn. 22 m.w.N.). Allerdings darf der Abschlag nicht so hoch sein, dass er die oben dargelegte Sicherungsfunktion der Alimentation verfehlt; er darf deshalb insbesondere nicht zu einer Gleichbehandlung von begrenzt dienstfähigen Beamten mit teilzeitbeschäftigten Beamten führen.
Zu einem entsprechenden Abschlag ist der Normgeber auch unter dem Gesichtspunkt berechtigt, einer unerwünschten Attraktivität des Instituts der begrenzten Dienstfähigkeit entgegenzuwirken. Er darf der nicht fernliegenden Gefahr einer Fehlsteuerung im Bereich der begrenzten Dienstfähigkeit durch zu attraktive Besoldung begegnen (vgl. zu der Funktion des Versorgungsabschlags, Anreize für eine vorzeitige Pensionierung und den Anstieg der damit verbundenen Finanzierungslasten zu verringern: Urteile vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 20.03 – BVerwGE 120, 154 ≪161≫ = Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8 S. 16, vom 19. Februar 2004 – BVerwG 2 C 12.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7 Rn. 18 und vom 25. Januar 2005 – BVerwG 2 C 48.03 – Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 9 Rn. 20). Das trägt auch der gesetzgeberischen Intention Rechnung, die Arbeitskraft der Beamten möglichst umfassend zu nutzen und Pensionierungen, aber auch die begrenzte Dienstfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze soweit wie möglich zu vermeiden. Die Weiterverwendung begrenzt dienstfähiger Beamter nach § 45 BBG und § 27 BeamtStG ist ebenso wie die anderweitige Verwendung dienstunfähiger Beamter nach § 44 Abs. 2 und 3 BBG, § 26 Abs. 2 und 3 BeamtStG und die Reaktivierung von Ruhestandsbeamten nach § 46 BBG, § 29 BeamtStG Ausdruck des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung” (Urteil vom 26. März 2009 – BVerwG 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25, jeweils Rn. 20 m.w.N.). Dabei hat die Weiterverwendung der dienstunfähigen Beamten unter voller Nutzung ihrer Arbeitskraft Vorrang vor der begrenzten Dienstfähigkeit und damit nur einer anteiligen Nutzung ihrer Arbeitskraft.
Der Normgeber hat verschiedene Möglichkeiten, den vorgenannten Aspekten Rechnung zu tragen. Es steht ihm bei der Besoldung begrenzt dienstfähiger Beamter frei, einen Abschlag von der vollen Besoldung vorzunehmen oder – wie derzeit ausnahmslos im Bund und in den Ländern vorgesehen – an die Teilzeitbesoldung anzuknüpfen und diese um einen Zuschlag zu ergänzen, der sich allerdings – wie dargelegt – von der Besoldung freiwillig Teilzeitbeschäftigter deutlich abheben muss und nicht dem Effekt einer Aufzehrungsregelung wie der hier erörterten unterliegt. Geeignet dürfte insbesondere eine Regelung sein, die als Zuschlag zur Teilzeitbesoldung einen angemessenen prozentualen Teil der Differenz zwischen der Teilzeit- und der Vollzeitbesoldung gewährt, wie dies etwa das Thüringer Besoldungsrecht (§ 7 Thüringer Besoldungsgesetz, GVBl 2009, S. 238) vorsieht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dr. Kenntner
Fundstellen
BVerwGE 2014, 244 |
ZTR 2014, 506 |
DÖV 2014, 804 |
VR 2014, 323 |
AUR 2014, 210 |
GV/RP 2014, 325 |
KomVerw/LSA 2014, 327 |
FuBW 2014, 709 |
KomVerw/B 2014, 327 |
KomVerw/MV 2014, 327 |
KomVerw/S 2014, 329 |
KomVerw/T 2014, 327 |