Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsanspruch: Verzögerungs –. Entstehung –. Fälligkeit –. Verjährung eines Zinsanspruchs. Revisibilität landesrechtlicher Verjährungsvorschriften. – des BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verzögerungszinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 VwVfG entsteht in dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung nicht „alsbald” nach Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden ist, und wird mit Erlass des Feststellungsbescheides (oder dem darin genannten Zeitpunkt) fällig.
2. Die auf diesen Zinsanspruch als Landesrecht angewandten Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Verjährung (§§ 194 ff.) stellen kein revisibles Recht dar.
Normenkette
VwVfG § 49 a Abs. 4, § 53; VwGO § 137 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 12.02.2004; Aktenzeichen 3 K 703/02) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Zinsen wegen nicht alsbaldiger Verwendung von Fördermitteln.
Der Beklagte hatte der Klägerin mit Bescheiden Nr. LBL 01/92 bis LBL 43/92 vom 6. Oktober 1992 und sich daran anschließenden Änderungs- bzw. Umwidmungsbescheiden Fördermittel von insgesamt 2 016 609,20 DM zur Instandsetzung von Mietwohnungen im Rahmen des Landesprogramms „Leerstandsbeseitigung” bewilligt. Den Bescheiden waren als Anlage die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an Gemeinden (ANBest-G) und die Allgemeinen Nebenbestimmungen zur Projektförderung (ANBest-P) beigefügt. Die hier in Rede stehenden Fördermittel wurden bis Ende 1992 an die Klägerin ausbezahlt.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 20. Januar 1993 mit, dass die Mittel aus den Zuwendungsbescheiden LBL 6/92, LBL 35/92 und LBL 42/92 nicht zweckentsprechend verwendet werden könnten und bot die Rücküberweisung an. Am 5. März 1993 einigten sich die Beteiligten mündlich darauf, dass eine Umwidmung auf andere Objekte erfolgen solle.
Am 22. April 1993 und 6. Mai 1993 wurde ein Umwidmungsantrag von der Klägerin gestellt. Der Beklagte erteilte mit Schreiben vom 29. April 1993 seine vorläufige Zustimmung zum Einsatz der Mittel für die „Austauschprojekte”. Die Bestätigung der Umwidmung erfolgte am 2. Dezember 1993. Die Klägerin hatte zuvor die Zustimmung zum vorzeitigen Baubeginn erteilt und die Mittel am 21. August 1993 weitergeleitet. Bezüglich des Bewilligungsbescheides LBL 14/92 erfolgte nach Abstimmung mit der Klägerin ein stückweiser Widerruf. Ein Teilbetrag von 7 621,70 DM war für den vorgesehenen Förderzweck eingesetzt und am 30. Dezember 1993 an den entsprechenden Leistungsempfänger weitergeleitet worden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12. Dezember 2002 hat der Beklagte von der Klägerin wegen nicht alsbaldiger Mittelverwendung Zinsen in Höhe von 1 018,77 EUR – basierend auf einem Zinssatz von sechs vom Hundert – aus 219 441,70 DM für 50 Zinstage und aus 7 621,70 DM für 129 Zinstage gefordert.
Mit der dagegen gerichteten Klage hat sich die Klägerin auf Verjährung des Zinsanspruchs berufen und die Aufhebung des Bescheides beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage sei § 49 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwVfGBbg. Bezüglich des Zinssatzes sei auf § 117 Abs. 2 LHO a.F. abzustellen, der erst am 10. Juni 1994 außer Kraft getreten sei und eine Zinshöhe von 6 % vorgesehen habe. Die Klägerin habe die Zuwendungsbeträge nicht „alsbald” im Sinne von § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg verwendet. „Alsbald” bedeute hier innerhalb von zwei Monaten nach der Auszahlung. Auch unter Ermessensgesichtspunkten sei die Zinsforderung nicht zu beanstanden. Der Anspruch sei nicht verjährt. § 197 BGB a.F. sei einschlägig. Der danach bestehende Zeitraum von vier Jahren sei bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Februar 2002 noch nicht verstrichen gewesen. Die Frist habe frühestens mit Ablauf des Jahres 1999 begonnen, in welchem die Klägerin die letzten Verwendungsnachweise vorgelegt habe. Der Zinsanspruch sei dann fällig geworden, als die Bewilligungsbehörde nach Anhörung des Betroffenen über die Frage habe entscheiden können, ob sie den Zuwendungsbescheid widerrufe oder stattdessen Verzögerungszinsen geltend mache. In diesem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass die Behörde für den in Betracht zu ziehenden Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfGBbg einer Jahresfrist unterliege. Die Klägerin habe erst auf besondere Aufforderung Ende Juli 1999 letzte zur Klärung angeforderte Angaben über die betroffenen Zuwendungen erbracht. Der Beklagte habe frühestens zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den für eine Entscheidung über einen Widerruf oder einen Verzögerungszinsanspruch erforderlichen Tatsachen erhalten. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2001 sei die Klägerin angehört worden. Die Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. sei mit dem Schluss des Jahres, in dem der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Zinsforderung gegeben worden sei, also 2001, in Lauf gesetzt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und ihr Klagebegehren weiter verfolgt.
Der Beklagte, der der Sprungrevision zustimmt, tritt ihr entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Sprungrevision ist zulässig. Entgegen der Bedenken des Beklagten bindet die vom Einzelrichter des Verwaltungsgerichts zugelassene (Sprung-)Revision das Bundesverwaltungsgericht nach § 134 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Entscheidungsmacht als Einzelrichter gründet hier im Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung in der Sache anstelle der Kammer und (zusätzlich) ohne mündliche Verhandlung (§ 87 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 VwGO; vgl. – weitergehend für den Regeleinzelrichter nach § 6 VwGO – Urteil vom 29. Juli 2004 – BVerwG 5 C 65.03 – NVwZ 2005, 98; Urteil vom 28. September 2004 – BVerwG 1 C 10.03 – Buchholz 402.240 § 35 AuslG Nr. 3). Die übrigen Voraussetzungen für eine wirksame Einlegung einer Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 1 VwGO sind gegeben.
2. Die Revision ist unbegründet. Zwar sieht die Klägerin § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfGBbg zu Recht als verletzt an; bei der Bestimmung der Fälligkeit des Zinsanspruchs ist das Verwaltungsgericht von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen (2.1). Soweit sie jedoch einen Verstoß gegen § 198 BGB a.F. annimmt, lässt sie außer Betracht, dass sich die Frage, ob der Zinsanspruch nach § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfGBbg verjährt ist, nach irrevisiblem Landesrecht richtet (2.2). Deshalb muss das angefochtene Urteil Bestand haben, weil es bei Zugrundelegung der Verjährungsvorschriften nicht auf dem Verstoß gegen § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg beruht (2.3).
2.1 Gemäß § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfGBbg können Zinsen für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung verlangt werden, wenn eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet wird. Die Anwendung dieser Vorschrift durch das Verwaltungsgericht ist für den Senat gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO überprüfbar, weil die Norm nach ihrem Wortlaut mit § 49 a Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes übereinstimmt.
Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzung für die Entstehung des Zinsanspruchs als gegeben erachtet. Hierin stimmt auch die betroffene Klägerin überein. Revisionsrechtlich ist dagegen nichts zu erinnern.
Nicht tragfähig ist jedoch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Fälligkeit des Verzögerungszinsanspruchs nach § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg in jenem Zeitpunkt eintrete, in welchem die berechtigte (Bewilligungs-)Behörde nach Anhörung des Betroffenen über die Frage entscheiden könne, ob sie den zugrunde liegenden Zuwendungsbescheid widerruft oder stattdessen Verzögerungszinsen geltend macht (UA S. 11).
2.1.1 Der Zinsanspruch entsteht bei verzögertem Mitteleinsatz in dem Zeitpunkt, zu dem die Leistung nicht „alsbald” nach Auszahlung bestimmungsgemäß verwendet worden ist, hier also zwei Monate nach der Auszahlung, und wird mit Erlass des ihn festsetzenden Zahlungsbescheides (oder des darin genannten Zeitpunkts) fällig. Auf die Widerruflichkeit des Zuwendungsbescheides kommt es nicht an.
Der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs ergibt sich aus dem Sinn der Regelung. Hierzu heißt es im Urteil des Senats vom 26. Juni 2002 – BVerwG 8 C 30.01 – (BVerwGE 116, 332, 335 f. = Buchholz 316 § 49 a VwVfG Nr. 2): „Zweck des § 49 a Abs. 4 VwVfG ist es …, der Behörde für den Fall, dass eine Leistung nicht alsbald verwendet wird, neben dem Widerruf eine mildere Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Erbringung verwendet, kann der die Leistung bewilligende rechtmäßige Verwaltungsakt widerrufen (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 VwVfG) und die Erstattung der Leistung gefordert werden (§ 49 a Abs. 1 VwVfG). Sieht der Zuwendungsgeber angesichts der letztlich doch noch erfolgten zweckentsprechenden Verwendung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vom Widerruf ab, wird ihm durch die Bestimmung des § 49 a Abs. 4 VwVfG die Möglichkeit eröffnet, zumindest den Vorteil abzuschöpfen, den der Zuwendungsempfänger daraus gezogen hat – oder zumindest hätte ziehen können –, dass er die Mittel zinsbringend eingesetzt oder Zinsen für eine sonst notwendige Darlehensaufnahme vermieden hat. Gleichzeitig wird der Nachteil ausgeglichen, der dem Zuwendungsgeber dadurch entstanden ist, dass er in dem maßgebenden Zeitraum die Mittel nicht selbst zinsbringend oder anderweitig fördernd einsetzen konnte.”
Bei diesem Zinsanspruch handelt es sich folglich nicht um eine den steuerrechtlichen Nebenleistungen (vgl. § 3 Abs. 4 AO) vergleichbare, von einer Primärschuld abhängige Forderung, sondern um ein eigenständiges Druckmittel zur Einhaltung des Subventionszwecks. Diese Funktion wird durch § 49 a Abs. 4 Satz 2 VwVfGBbg bestätigt, wonach ein behördliches Zinsverlangen nicht einen späteren Widerruf der Bewilligung ausschließt. Deshalb wird der Anspruch existent, sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. alsbald nach Bewilligung der Mittel.
Die Anspruchsentstehung sagt allerdings nichts darüber aus, wann die Bewilligungsbehörde die Zinsen vom säumigen Empfänger verlangen kann. Da das Einfordern in ihr Ermessen gestellt ist, ob sie überhaupt von diesem Druckmittel Gebrauch macht, ginge die Ermessensvorschrift von § 49 a Abs. 4 Satz 1 VwVfGBbg ins Leere, würde die Zinsschuld bereits mit ihrer Entstehung fällig werden. Die Bewilligungsbehörde muss die Zinsforderung geltend machen. Daraus folgt, dass die Fälligkeit mit der Bekanntgabe des Zahlungsbescheides eintritt (vgl. für den Haftungsbescheid im Abgabenrecht: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. März 1989 – VII R 152/85 – BStBl II, 1990, S. 363, 364). Durch einen im Bescheid genannten Zahlungszeitpunkt wird die Fälligkeit entsprechend verschoben.
Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber auf den Zeitpunkt abhebt, in welchem die Behörde über den Widerruf des Zuwendungsbescheides befinden könne, lässt es die eigenständige Ausgestaltung des Zinsverlangens außer Betracht. Die Möglichkeit der Zinserhebung steht grundsätzlich nicht in Abhängigkeit von der Widerrufbarkeit der Zuwendung. Mag das Zinsverlangen auch das mildere Mittel der Sanktionierung säumigen Verhaltens sein, so geht es mit ihm doch vorrangig um die Verwirklichung des Subventionszwecks und nicht um die Abwicklung eines fehlgeschlagenen Zuwendungsverhältnisses. Ob ein verzögerter Mitteleinsatz eine den Widerruf rechtfertigende Zweckverfehlung ergibt, wird zudem fraglich sein. Die für diese Prüfung notwendigen Erwägungen sind jedenfalls von Gesichtspunkten abhängig, die für den Erlass eines Zinsbescheides weitgehend unerheblich sind.
2.2 Keinen zulässigen Revisionsgrund ergibt hingegen die Auffassung der Klägerin, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung von § 198 BGB a.F. Die Vorschrift hat in ihrer bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung den Beginn der Verjährung auf die Entstehung des Anspruchs festgelegt; und das Verwaltungsgericht hat unter der Entstehung des Anspruchs den Zeitpunkt verstanden, in dem die Forderung fällig wird (UA S. 10). Doch ob die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den hier in Rede stehenden Zinsanspruch mangels unmittelbar geltender öffentlich-rechtlicher Bestimmungen entsprechend anwendbar sind, entzieht sich der Rechtmäßigkeitskontrolle des Senats, weil es insoweit nicht um in § 137 Abs. 1 VwGO für revisibel erklärtes Recht geht.
Das vor dem Bundesverwaltungsgericht revisible Recht ist entweder Bundesrecht oder mit Bundesrecht gleichlautendes Verwaltungsverfahrensgesetz eines Landes (zu Besonderheiten im Beamtenrecht vgl. § 127 Nr. 2 BRRG; zur revisionsgerichtlichen Überprüfung von Landesrecht vgl. auch Art. 99 GG).
2.2.1 Bei § 198 BGB a.F. handelt es sich zwar um Bundesrecht, doch unter Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO wird nur das Recht gemeint, welches für die zu entscheidende Streitsache kraft eines Gesetzgebungsbefehls des Bundesgesetzgebers gilt (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 4. November 1976 – BVerwG 5 C 73.74 – BVerwGE 51, 268, 271 und Urteil vom 24. September 1992 – BVerwG 3 C 64.89 – BVerwGE 91, 77, 80). Die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches regeln öffentlich-rechtliche Geldforderungen nicht unmittelbar. Auch die analoge Anwendung der zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften innerhalb des landesrechtlichen Rahmens ergibt keine Revisionszuständigkeit. Mit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Übertragung der Rechtsfolgen des Bundesrechts auf den nicht geregelten Tatbestand des Landesrechts wegen vermeintlich wertungsmäßiger Gleichheit wird der Sache nach nur der landeseigenen Regelungskompetenz vorgegriffen. Das analog angewandte Bundesrecht soll ein inhaltsgleiches Landesgesetz ersetzen, wird also nicht „als Bundesrecht”, sondern als ungeschriebenes Landesrecht herangezogen.
2.2.2 § 198 BGB a.F. wird auch nicht deshalb revisibel (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO), weil die Vorschrift der Lückenfüllung revisiblen Landesverwaltungsrechts dienen könnte. § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg enthält keinen Verweis auf die hier angewandte Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches, sonst würde deren Teilnahme an der Revisibilität in Betracht kommen (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 21.89 – BVerwGE 84, 257, 264 = Buchholz 445.4 § 10 WHG Nr. 4). Zu dieser Vorschrift liegt auch keine bewusst offen gelassene Lücke vor, die vom Verwaltungsgericht in richterlicher Zuständigkeit geschlossen worden ist. Seine Durchsetzbarkeit ist kein notwendiger Bestandteil des Zinsanspruchs, setzt sie doch dessen Existenz voraus. Deshalb sind auch die Verjährungsfragen nicht konstitutiv für das Zinsverlangen. Ferner genügt nicht, dass Auslegung und Anwendung von § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg den Maßstab bilden für die Anwendbarkeit von § 198 BGB a.F. Die Anwendungsreichweite einer revisiblen Norm kann nicht das Ausmaß der Revisibilität bestimmen. Die Überprüfbarkeit von Landesrecht durch das Bundesverwaltungsgericht ist nach § 137 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nicht gegeben. Die Ausnahme, die für mit Bundesrecht gleichlautende Bestimmungen eines Landesverwaltungsverfahrensgesetzes geschaffen wurde, ist nach Sinn und Zweck der Norm für eine Erweiterung nicht offen. Die Aufgabenteilung zwischen Bundes- und Landesjudikative, wie sie im Lichte der bundesstaatlichen Ordnung (Art. 30, Art. 92 ff. GG) vorgegeben ist, legt ebenfalls ein einengendes Auslegungsverständnis nahe.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine revisible Bestimmung des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes einen Prüfungsraum hinsichtlich solcher Vorschriften eröffnen, auf die sie ausstrahlt (Urteil vom 16. Mai 2000 – BVerwG 4 C 4.99 – BVerwGE 111, 162, 173 = Buchholz 316 § 56 VwVfG Nr. 13), oder wenn dieses Fremdrecht von „unmittelbarem Einfluss auf Umfang und Reichweite” der revisiblen Landesvorschrift ist (Urteil vom 26. März 2003 – BVerwG 9 C 4.02 – Buchholz 316 § 59 VwVfG Nr. 17). Aber diese Rechtsprechung ist im Recht des öffentlich-rechtlichen Vertrages entwickelt worden und zwar zur Ausgestaltung eines Gleichordnungsverhältnisses. Die Vorschriften von §§ 54 ff. VwVfG stehen in einem engen Zusammenhang mit den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (siehe § 59 Abs. 1 und § 62 Satz 2 VwVfG). Insofern liegt bereits kraft Gesetzes eine Interdependenz zwischen dem Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch vor. Doch eine solche Affinität besteht im Recht der Eingriffsakte (§§ 35 ff. VwVfG) bezüglich des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht. Auch § 53 VwVfGBbg, der Teilaspekte der Verjährung regelt, zieht nach seinem Wortlaut das Bürgerliche Gesetzbuch nicht ergänzend heran, sondern überlässt die nähere Ausgestaltung dem sonstigen Landesrecht.
2.3 Der Senat hat folglich seiner Entscheidung die Auffassung des Verwaltungsgerichts zugrunde zu legen, wonach brandenburgisches Recht die Verjährung des Verzögerungszinsanspruchs erst mit seiner Fälligkeit beginnen lässt. Mithin bleibt hier für eine vom Senat in der mündlichen Verhandlung erörterte Festsetzungsverjährung in analoger Anwendung von §§ 169 ff. AO kein Raum. Die vom Verwaltungsgericht aus seiner Auffassung gezogene Schlussfolgerung, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei, ist daher nach Maßgabe des unter 2.1.1 niedergelegten Fälligkeitszeitpunkts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch bei zutreffender Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ist nach den vom Verwaltungsgericht herangezogenen irrevisiblen Verjährungsvorschriften der Zinsanspruch nicht verjährt. Mithin beruht das erstinstanzliche Urteil nicht auf dem festgestellten Verstoß gegen § 49 a Abs. 4 VwVfGBbg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Golze, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen
BVerwGE 2006, 303 |
BVerwGE |
BayVBl. 2006, 26 |
Städtetag 2005, 38 |
UPR 2005, 398 |