Entscheidungsstichwort (Thema)
Normerlassklage. Tätigwerden des Normgebers. Erlass einer Rechtsverordnung. administrative Normsetzung. Klageart. Feststellungsklage. Klagebefugnis. Aufgabenübertragung. Erschließungsaufgabe. Erschließungsbeitrag. Beitragserhebungsbefugnis. mangelnde Verwaltungskraft. Deckung des Erschließungsaufwands. Einnahmebeschaffung. Gemeindegebiet. gemeindegebietsfremdes Grundstück. kommunale Zusammenarbeit. Zweckvereinbarung. normatives Ermessen. Entscheidungsfreiheit des Normgebers. gerichtliche Kontrolle
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Aufgabenübertragung auf eine andere Gemeinde durch Rechtsverordnung gemäß § 203 Abs. 1 BauGB ist nicht auf den Fall beschränkt, dass eine Gemeinde wegen mangelnder Verwaltungskraft zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Baugesetzbuch nicht in der Lage ist. Sie kommt auch bei jedem anderen sachlich anzuerkennenden Bedürfnis in Betracht.
2. Auf diesem Wege übertragen werden kann auch die Aufgabe der Erschließung (§ 123 Abs. 1 BauGB) und die Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§§ 127 ff. BauGB), um eine Gemeinde zu einer ihr andernfalls nicht möglichen Heranziehung von Eigentümern von Grundstücken auf dem Gebiet der Nachbargemeinde zu ermächtigen, die durch eine auf dem Gebiet beider Gemeinden liegende Anbaustraße erschlossen werden.
3. Ein Rechtsanspruch auf Tätigwerden des Normgebers scheidet aus, wenn dem Betroffenen ein anderer, vorrangig zu verfolgender Weg zur Erreichung des von ihm verfolgten Ziels zur Verfügung steht. Im Fall einer Klage auf Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 203 Abs. 1 BauGB kann dies der Abschluss einer Zweckvereinbarung nach den Landesgesetzen über kommunale Zusammenarbeit sein.
Normenkette
BauGB § 203 Abs. 1, § 123 Abs. 1, § 127 ff.; BBauG § 147 Abs. 1; VwGO §§ 43, 42 Abs. 2; BayGO Art. 62 Abs. 2; BayKommZG n.F. Art. 7 Abs. 1-2, Art. 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 28.07.2006; Aktenzeichen 6 B 01.120) |
VG Ansbach (Urteil vom 13.11.2000; Aktenzeichen AN 18 K 99.772) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Tatbestand
I
Die klagende Stadt hält das beklagte Land für verpflichtet, ihr durch Rechtsverordnung die Erschließungsaufgabe und Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen für auf dem Gebiet der beigeladenen Nachbargemeinde liegende Grundstücke zu übertragen, die an eine von ihr hergestellte, überwiegend auf ihrem eigenen Gemeindegebiet liegende Straße angrenzen.
Die Klägerin stellt in mehreren Bauabschnitten die Zwickauer Straße als Erschließungsanlage her. Die technischen Straßenbauarbeiten sind von der Rothenburger Straße bis zur Einmündung der Schreiberhauer Straße abgeschlossen; an einigen Stellen steht noch Grunderwerb aus. Die Straße verläuft mit Ausnahme einer geringen Teilfläche auf dem Gemeindegebiet der Klägerin und über weite Strecken unmittelbar entlang der Grenze zum Gebiet der beigeladenen Nachbargemeinde. An die Straße grenzen vier (davon zwei größere) Grundstücke an, die auf dem Gebiet der Nachbargemeinde liegen.
Die Klägerin hatte bereits im Dezember 1992 mit der Beigeladenen eine Zweckvereinbarung geschlossen, nach der die Klägerin die Zwickauer Straße auf ihrer gesamten Länge ausbauen, das auf dem Gebiet der Beigeladenen liegende Grundstück Fl.Nr. 204 in die Verteilung des Erschließungsaufwands einbeziehen und für dieses Grundstück einen Erschließungsbeitrag fordern dürfe; die Zweckvereinbarung wurde von der Aufsichtsbehörde genehmigt. Diese Zweckvereinbarung sollte im Februar 1995 dahingehend geändert werden, dass die Klägerin auch für die weiteren streitgegenständlichen Grundstücke Erschließungsbeiträge sollte erheben dürfen; dieses Mal verweigerte die Aufsichtsbehörde die Genehmigung mit der Begründung, dass es sich um Außenbereichsgrundstücke handele, für die Erschließungsbeiträge nicht erhoben werden könnten. Einen dagegen eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin später zurück und beschritt daraufhin den folgenden Weg:
Mit Schreiben vom 21. Januar 1998 beantragte sie bei der zuständigen Regierung von Mittelfranken den Erlass einer Rechtsverordnung nach § 203 Abs. 1 BauGB, mit der die Erschließungsaufgabe nach § 123 Abs. 1 BauGB und die Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung der Zwickauer Straße bezüglich der vier gemeindegebietsfremden (konkret bezeichneten) Grundstücke auf sie übertragen werde. Zur Begründung gab sie an, dass es ihr gegenwärtig rechtlich nicht möglich sei, die auf dem Gebiet der Nachbargemeinde gelegenen und bei der Verteilung des Erschließungsaufwands gemäß § 131 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigenden Grundstücke zu einem Erschließungsbeitrag heranzuziehen. Mit der begehrten Zuständigkeitsübertragung wolle sie ihrer Verpflichtung zur möglichst vollständigen Deckung des Erschließungsaufwands und der Einnahmebeschaffung (Art. 62 Abs. 2 BayGO) nachkommen. Anderenfalls wäre ein Teilbetrag von rund 100 000 € des Erschließungsaufwands nicht umlegungsfähig und fiele ihr zur Last. Die Beigeladene sei ausweislich der bereits früher geschlossenen, aber von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigten Zweckvereinbarung mit der Zuständigkeitsübertragung einverstanden. Die Grundstücke Fl.Nrn. 204 und 204/1 lägen zwar derzeit noch im Außenbereich, doch habe die Beigeladene vor einigen Jahren die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen; das Verfahren sei bislang nicht zum Abschluss gebracht, doch sei es möglich, dass die Grundstücke bis zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten als erschlossen anzusehen seien.
Die Bezirksregierung lehnte den Antrag ab, weil kein Fall des § 203 Abs. 1 BauGB vorliege. Die Klägerin habe ihre Erschließungspflicht durch den Ausbau der Zwickauer Straße bereits erfüllt, sie wolle nun lediglich die Möglichkeit erhalten, Erschließungsbeiträge auf fremdem Gemeindegebiet zu erheben. Hierfür biete das Gesetz keine Grundlage.
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung ausgeführt: Bei dem Klagebegehren gehe es nicht um eine Aufgabenübertragung nach § 203 Abs. 1 BauGB. Der Klägerin stünden alle planerischen Möglichkeiten bezüglich der Herstellung der Erschließungsanlage zur Verfügung, weil diese hauptsächlich über ihr eigenes Gebiet führe. Die geringe Fläche, die das Gebiet der Nachbargemeinde betreffe, rechtfertige keine andere Beurteilung, weil sich dieser “Überbau” wohl durch kleinere Eingriffe in die noch nicht endgültig hergestellte Straße beseitigen ließe und er keine selbstständige Erschließungsanlage darstelle, für die die Aufgabe der Herstellung allenfalls übertragen werden könne. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift sei kein Raum; sie sei mit Blick auf die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie vielmehr restriktiv auszulegen. Auch wenn sich dies im Wortlaut des Gesetzes nicht niedergeschlagen habe, sei die Vorschrift im Wesentlichen gedacht für Fälle mangelnder Leistungsfähigkeit der Gemeinde, der die Erfüllung der Aufgabe eigentlich obliege.
Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Das Berufungsurteil verletze § 203 Abs. 1 BauGB. Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift sei aus Rechtsgründen nicht geboten. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm lasse sich dies nicht herleiten. Zwar solle die Vorschrift vornehmlich dazu dienen, eine Aufgabenübertragung bei Gemeinden zu ermöglichen, denen die für die Aufgabenerfüllung notwendigen persönlichen und sächlichen Mittel fehlten. Motiv für die Aufgabenübertragung könne aber ebenso die Notwendigkeit sein, sich aus sachlichen Gründen einer überörtlichen Planung zu unterwerfen. Die begehrte Aufgabenübertragung sei vorliegend sogar geboten, nämlich wegen der Verpflichtung der Gemeinden, den beitragsfähigen Aufwand für die Herstellung von Erschließungsanlagen möglichst uneingeschränkt durch Beiträge auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke umzulegen, damit es auf Dauer zu keinem Auseinanderfallen der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen und der nach § 133 Abs. 1 BauGB beitragsfähigen Grundstücke komme.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juli 2006, das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. November 2000 sowie den Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 3. Dezember 1998 und ihren Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1999 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die von der Klägerin mit Schreiben vom 21. Januar 1998 beantragte Rechtsverordnung nach § 203 Abs. 1 BauGB zu erlassen, durch die die Erschließungsaufgabe nach § 123 BauGB und die Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach §§ 127 bis 135 BauGB für die Grundstücke Fl. Nrn. 555 und 555/1 der Gemarkung Z… sowie Fl. Nrn. 204 und 204/1 der Gemarkung L… auf die Klägerin übertragen werden,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag der Klägerin vom 21. Januar 1998 erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
und trägt vor: Unabhängig davon, ob eine Zuständigkeitsübertragung nach § 203 Abs. 1 BauGB – über den Fall einer leistungsschwachen Gemeinde hinaus – auch dann in Betracht zu ziehen sei, wenn dies wegen einer komplexen tatsächlichen und planerischen Verflechtungssituation von benachbarten Gemeinden sinnvoll oder sogar erforderlich erscheine, habe die Klägerin jedenfalls deshalb keinen Rechtsanspruch auf den Erlass der begehrten Rechtsverordnung, weil ihr andere nicht ausgeschöpfte Rechtsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, um den ungedeckten Fehlbetrag aus dem Ausbau der Erschließungsstraße zu refinanzieren.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klage ist nur in eingeschränktem Umfang zulässig, weil nur für einen Teil des Klagebegehrens ein Feststellungsinteresse der Klägerin anzuerkennen ist (1.). Das Berufungsurteil verstößt auch in materieller Hinsicht gegen Bundesrecht (2.), weil der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit von § 203 Abs. 1 BauGB zu Unrecht verneint hat (2. a). Eine Aufgabenübertragung nach dieser Vorschrift kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn eine Gemeinde dadurch zu einer ihr andernfalls nicht möglichen Beitragserhebung für gemeindegebietsfremde Grundstücke ermächtigt wird, die durch eine auf dem Gebiet beider Gemeinden liegende Anbaustraße erschlossen werden (2. b). Gleichwohl erweist sich das Berufungsurteil im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Erlass der begehrten Rechtsverordnung jedenfalls daran scheitert, dass ihr ein anderer, vorrangiger Weg zur Erreichung des von ihr verfolgten Ziels zur Verfügung stand (3.).
1. Die Klage stellt eine Normerlassklage dar, gerichtet auf den Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm, hier einer Rechtsverordnung.
a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass für eine in Ausnahmefällen und aus Gründen der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) gebotene Klage zur Überprüfung untergesetzlicher Normen oder auf Tätigwerden des untergesetzlichen Normgebers die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) die zutreffende Klageart ist. Tragend hierfür ist die Erwägung, dass das Rechtsschutzbegehren damit wirksam zur Geltung kommt, ohne dass es prozessual in das Gewand einer einklagbaren “Leistung” des Normsetzers gekleidet wird; damit wird zugleich dem im Gewaltenteilungsgrundsatz begründeten Respekt vor den Recht setzenden Organen Rechnung getragen, demzufolge auf deren Entscheidungsfreiheit gerichtlich nur in dem für den Rechtsschutz des Bürgers unumgänglichen Umfang eingewirkt werden soll (vgl. Urteile vom 3. November 1988 – BVerwG 7 C 115.86 – BVerwGE 80, 355 ≪359 ff.≫, vom 7. September 1989 – BVerwG 7 C 4.89 – Buchholz 415.1 Allg.KommR Nr. 93 S. 54 f., vom 28. Juni 2000 – BVerwG 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 ≪278 f.≫ und vom 4. Juli 2002 – BVerwG 2 C 13.01 – Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 S. 2 f.; eingrenzend Urteil vom 23. August 2007 – BVerwG 7 C 13.06 – NVwZ 2007, 1311 ≪1313≫; ferner BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 – 1 BvR 541/02, 1 BvR 542/02 – BVerfGE 115, 81 ≪92 ff.≫).
b) Die Klägerin verfügt über die erforderliche Klagebefugnis i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO. Diese Vorschrift ist zur Vermeidung einer dem Verwaltungsprozess fremden Popularklage auf die Feststellungsklage nach § 43 VwGO entsprechend anzuwenden (Urteil vom 29. Juni 1995 – BVerwG 2 C 32.94 – BVerwGE 99, 64 ≪66≫, stRspr). Danach ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn es dem Rechtsuchenden um die Verwirklichung eigener Rechte geht. Dass ihm solche Rechte zustehen, muss nach seinem Vorbringen zumindest möglich erscheinen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die von ihm behaupteten Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihm zustehen können (Urteil vom 13. Juli 1973 – BVerwG 7 C 6.72 – BVerwGE 44, 1 ≪3≫, stRspr).
Gemäß § 203 Abs. 1 BauGB kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Behörde im Einvernehmen mit der Gemeinde durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die nach diesem Gesetzbuch der Gemeinde obliegenden Aufgaben auf eine andere Gebietskörperschaft übertragen werden. Im Vordergrund der Norm steht das objektive Interesse an einer ordnungsgemäßen Erledigung der Aufgaben nach dem Baugesetzbuch durch die Gemeinden. Ob § 203 Abs. 1 BauGB daneben den Gemeinden eine subjektive Rechtsposition einräumt, mithin drittschützenden Charakter hat, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ab, ob die Vorschrift nach dem in ihr enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren Personenkreises, hier also der Gemeinden, dient (vgl. z.B. das Urteil vom 16. März 1989 – BVerwG 4 C 36.85 – BVerwGE 81, 329 ≪334≫).
Es liegt mit Blick auf die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) auf der Hand und ist schon durch das tatbestandliche Einvernehmenserfordernis gesichert, dass § 203 Abs. 1 BauGB der “abgebenden” Gemeinde, deren Aufgaben übertragen werden sollen, ein Vetorecht mit Abwehr- und Sperrwirkung einräumt. Dass die Norm darüber hinaus eine subjektive Rechtsposition auch zugunsten der “übernehmenden” Gemeinde vermittelt, ist jedenfalls dann ohne Weiteres einsichtig, wenn dies gegen ihren Willen erfolgen soll; denn die “übernehmende” Gemeinde kann durch eine zusätzliche Belastung mit fremden Aufgaben in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt sein. Eine Beeinträchtigung in eben diesem Recht, nämlich unter dem Aspekt der kommunalen Planungs- und Finanzhoheit, erscheint aber auch dann möglich, wenn die “übernehmende” Gemeinde – wie hier – eine solche Aufgabenübertragung selbst wünscht und ihrem Antrag nicht entsprochen wird. Gerade im Rand- und Verflechtungsbereich von benachbarten Gemeinden, die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB verpflichtet sind, ihre Bauleitplanung aufeinander abzustimmen, ist eine sinnvolle Erfüllung gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgaben, die den Gemeinden nach dem Baugesetzbuch obliegen, namentlich die der Bauleitplanung und der Erschließung der Baugebiete, unter Umständen nur möglich und kann ohne erhebliche finanzielle Belastungen nur gelingen, wenn eine Gemeinde bereit ist, eine “grenzüberschreitende” Aufgabe auf sich zu nehmen. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall. Dann sind diese Belange im Rahmen einer Entscheidung nach § 203 Abs. 1 BauGB auch zu berücksichtigen (vgl. auch das Urteil vom 20. April 1994 – BVerwG 11 C 17.93 – BVerwGE 95, 333 ≪337≫ in Abgrenzung zu einem – dort verneinten – Initiativrecht einer Gemeinde in staatlichen Angelegenheiten nach der Straßenverkehrsordnung).
c) Zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht auch ein von § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetztes, durch den Antrag der Klägerin vom 21. Januar 1998 konkretisiertes Rechtsverhältnis. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichtshofs ist allerdings das erforderliche Feststellungsinteresse nur für einen Teil des Klagebegehrens zu bejahen. Denn nach der von der Kommunalaufsichtsbehörde genehmigten Zweckvereinbarung, die die Klägerin im Jahr 1992 mit der Nachbargemeinde geschlossen hat und die von der Kommunalaufsichtsbehörde genehmigt worden war, war die Aufgabe der Erschließung der Zwickauer Straße auf ihrer gesamten Länge und die Befugnis zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags für das Grundstück Fl.Nr. 204 der Gemarkung L… bereits auf die Klägerin übertragen (vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit vom 12. Juli 1966, GVBl S. 218 ≪BayKommZG a.F.≫, nunmehr Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 der Neubekanntmachung dieses Gesetzes vom 20. Juni 1994, GVBl S. 555, ber. 1995, S. 98 ≪BayKommZG n.F.≫). Dass diese Zweckvereinbarung unwirksam und nichtig wäre (vgl. Art. 59 BayVwVfG), ist nicht ersichtlich. Daher besteht keine Notwendigkeit, die bereits vollumfänglich übertragene Erschließungsaufgabe und die – bezogen auf das genannte Grundstück – zugleich übergegangene Befugnis zur Beitragserhebung nochmals zu übertragen. Insoweit kann auch kein dahingehendes Feststellungsinteresse bestehen. Anders verhält es sich, soweit es um die Übertragung der Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Grundstücke Fl.Nrn. 555 und 555/1 der Gemarkung Z… sowie Fl.Nr. 204/1 der Gemarkung L… geht. Denn die geplante Erweiterung der genannten Zweckvereinbarung auch auf diese Grundstücke durch weitere Zweckvereinbarung aus dem Jahr 1995 ist mangels aufsichtsbehördlicher Genehmigung nicht wirksam geworden. Anzuerkennen ist daher lediglich ein Feststellungsinteresse der Klägerin, ergänzend zu dem bereits bewirkten Zuständigkeitsübergang aufgrund der Zweckvereinbarung aus dem Jahr 1992 ihr durch die nun begehrte Rechtsverordnung auch die Beitragserhebungsbefugnis für die drei weiteren Grundstücke zu übertragen. Lediglich in diesem Umfang ist die Klage zulässig.
2. Das Berufungsurteil verstößt auch in materieller Hinsicht gegen Bundesrecht.
a) Die Begründung, mit der der Verwaltungsgerichtshof einen Rechtsanspruch der Klägerin auf die begehrte Rechtsverordnung verneint hat, ist mit § 203 Abs. 1 BauGB nicht vereinbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Anwendungsbereich der Vorschrift schon deshalb für nicht eröffnet angesehen, weil die Zwickauer Straße “hauptsächlich”, mit Ausnahme einer geringen Teilfläche, über das eigene Gemeindegebiet der Klägerin führt, so dass diese über alle planerischen Möglichkeiten zur Herstellung der Erschließungsanlage verfüge. Diese Begründung ist schon in sich nicht schlüssig, weil sie vernachlässigt, dass die Klägerin (unter Außerachtlassung der Zweckvereinbarung aus dem Jahr 1992, auf die der Verwaltungsgerichtshof nicht eingeht) hinsichtlich der erwähnten Teilfläche des Gebiets der Nachbargemeinde über keine Kompetenzen verfügte. Insoweit handelte es sich bei der Herstellung der Zwickauer Straße auch um eine an sich der Beigeladenen obliegende Aufgabe nach dem Baugesetzbuch.
b) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist der Anwendungsbereich von § 203 Abs. 1 BauGB auch nicht auf den Fall beschränkt, dass eine Gemeinde wegen mangelnder Verwaltungskraft zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nicht in der Lage ist. Eine Aufgabenübertragung nach dieser Vorschrift kommt vielmehr auch bei jedem anderen sachlich anzuerkennenden Bedürfnis in Betracht, namentlich im hier gegebenen Fall, dass die “übernehmende” Gemeinde dadurch zu einer ihr andernfalls nicht möglichen Beitragserhebung für gemeindegebietsfremde Grundstücke ermächtigt wird, die durch eine auf dem Gebiet beider Gemeinden liegende Anbaustraße erschlossen werden.
Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift in dem von den Vorinstanzen und in den ablehnenden Bescheiden vertretenen Sinne bietet der Wortlaut keinen Anhaltspunkt. Zu den der Gemeinde obliegenden Aufgaben nach dem Baugesetzbuch gehört auch die Erschließung der Grundstücke im Gemeindegebiet (§ 123 Abs. 1 BauGB). Der Gesetzeswortlaut spricht zwar nur von der Übertragung von Aufgaben. Das schließt aber nicht aus, der Gemeinde zusätzlich – jedenfalls als Annex zu der Aufgabe – auch die Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen (§ 127 Abs. 1 BauGB) zu übertragen. Denn Letztere dient der Refinanzierung der Kosten der Aufgabe; eine Aufgabenübertragung ohne Möglichkeit der Kostendeckung kann nicht gewollt sein (ebenso Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 203 Rn. 5; Kalb, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. IV, Stand 1. März 2007, § 203 Rn. 9a). Im Übrigen kann die Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen, die der Gesetzgeber als eine Beitragserhebungspflicht ausgestaltet hat (vgl. Urteil vom 23. April 1969 – BVerwG 4 C 15.67 – Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 4 S. 3, stRspr; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 10 Rn. 2), auch als “Aufgabe” begriffen werden. Darüber hinaus ist die Aufgabenübertragung nach § 203 Abs. 1 BauGB eine freie, an keine gesetzlichen Versagungsgründe gebundene Entscheidung, die im normativen Ermessen des Verordnungsgebers liegt (“kann”).
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich keine tragfähige Stütze für eine einschränkende Auslegung. Ihre Vorgängernorm, die abgesehen von zwei unwesentlichen Änderungen identische Regelung des § 147 Abs. 1 BBauG, geht zurück auf eine Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf des Bundesbaugesetzes und wurde damit begründet (BTDrucks 3/336 Anl. 2 S. 133 Nr. 65 zu § 211a), dass es “mit Rücksicht auf den unterschiedlichen Verwaltungsaufbau (…) angebracht” sei, den Landesregierungen die Möglichkeit einer abweichenden Regelung von der grundsätzlichen gemeindlichen Zuständigkeit (durch Übertragung von Aufgaben auf eine andere Gebietskörperschaft) zu geben. Die Bundesregierung lehnte den Vorschlag ab (BTDrucks 3/336 Anl. 3 S. 139 zu Nr. 65) mit dem Hinweis, dass eine völlige Entziehung der den Gemeinden übertragenen Aufgaben mit Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar sei. Die dann Gesetz gewordene Fassung des § 147 Abs. 1 BBauG beruht auf dem Vorschlag des zuständigen Bundestagsausschusses (BTDrucks 3/1794 S. 28 zu § 177a). Darin wurde die vom Bundesrat vorgeschlagene weitgehende Delegationsmöglichkeit wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt. Andererseits erkannte der Ausschuss an, “dass im Einzelfall durchaus ein Bedürfnis bestehen kann, die Befugnisse der Gemeinde ganz oder teilweise durch eine andere Stelle wahrnehmen zu lassen”. Da in einem solchen Falle die Planungshoheit der (übertragenden) Gemeinde berührt sein könne, müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Übertragung nur mit deren Einvernehmen zulässig sei.
Aus den insoweit wiedergegebenen Gesetzesmaterialien mag allein der Hinweis auf den “unterschiedlichen Verwaltungsaufbau” in den Ländern als Beleg dafür dienen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der Regelung vor allem an den Fall der mangelnden Verwaltungskraft einer Gemeinde gedacht hat (so auch Gaentzsch, a.a.O. § 203 Rn. 2 und 3; Kalb, a.a.O. § 203 Rn. 3 und 5; Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 203 Rn. 1). Jedoch ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber dies als alleinigen Grund und Anlass für eine Aufgabenübertragung angesehen hat. Vielmehr wird die schließlich Gesetz gewordene Fassung wesentlich allgemeiner mit einem möglicherweise im Einzelfall durchaus bestehenden Bedürfnis für eine (gänzliche oder teilweise) Aufgabenwahrnehmung durch eine andere Stelle begründet, ohne dass dieses Bedürfnis näher eingegrenzt wird. Die Sorge des Gesetzgebers ging lediglich dahin, die Aufgabenübertragung auf den Einzelfall zu beschränken und vom Einvernehmen der abgebenden Gemeinde abhängig zu machen. Die Gesetzesmaterialien schließen es somit nicht aus, dass auch jedes (andere) sachlich anerkennenswerte Bedürfnis geeignet sein kann, eine Aufgabenübertragung zu rechtfertigen. Neben dem Fall mangelnder Verwaltungskraft einer Gemeinde sind auch andere Fälle denkbar, in denen überörtliche Zusammenhänge, z.B. im Verflechtungsbereich von benachbarten Gemeinden, die Notwendigkeit begründen oder es als sinnvoll erscheinen lassen, eine über das Gebiet der einzelnen Gemeinde hinausgehende einheitliche Planung oder Erfüllung anderer Aufgaben nach dem Baugesetzbuch zu ermöglichen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 – 2 BvL 16/84 – BVerfGE 77, 288 ≪301≫ zu §§ 3 und 4 BBauG).
In gesetzessystematischer Hinsicht bildet § 203 Abs. 1 BauGB insoweit nur einen Teilausschnitt eines abgestuften Regelungssystems von Modifizierungen der gemeindlichen Zuständigkeiten bei der Erfüllung von Aufgaben nach dem Baugesetzbuch; zu diesem gehören ferner § 203 Abs. 2 (landesgesetzliche Übertragung auf kommunale Zusammenschlüsse) sowie die §§ 204 und 205 BauGB (gemeinsamer Flächennutzungsplan; Planungsverbände). Hinzu treten die Formen gemeinsamer Aufgabenerledigung nach den Landesgesetzen über kommunale Zusammenarbeit, hier nach dem bereits erwähnten Bayerischen Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit, z.B. im Rahmen von Zweckvereinbarungen (Art. 7 ff. BayKommZG n.F.).
Ein solches im Einzelfall anerkennenswertes Bedürfnis, das im Grundsatz den Erlass einer Rechtsverordnung nach § 203 Abs. 1 BauGB rechtfertigen kann, liegt auch vor, wenn eine Gemeinde dadurch in die Lage versetzt werden soll, Erschließungsbeiträge auch für gemeindegebietsfremde Grundstücke zu erheben, die von einer über das Gebiet beider Gemeinden führenden Erschließungsanlage erschlossen werden. Das ergibt sich aus folgendem Zusammenhang:
Wie bereits erwähnt, sind die Gemeinden zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen verpflichtet. Diese Beitragserhebungspflicht zielt ab auf die vollständige Deckung des anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die beitragsfähige Erschließungsanlage (vgl. Driehaus, a.a.O. § 10 Rn. 8). Daneben sind die Gemeinden aufgrund von Landesrecht (hier: Art. 62 Abs. 2 BayGO) zur möglichst vollständigen Einnahmebeschaffung verpflichtet. Aus beidem folgt, dass sie gehalten sind, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit – neben dem von der Gemeinde ohnehin zu tragenden Anteil am Erschließungsaufwand in Höhe von mindestens zehn Prozent (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) – möglichst kein weiterer von ihr zu tragender “Ausfallbetrag” hinzukommt oder dieser möglichst gering bleibt.
Allerdings ist die Befugnis der Gemeinden zu Erhebung von Erschließungsbeiträgen grundsätzlich beschränkt auf Grundstücke ihres eigenen Gemeindegebiets und auf Erschließungsanlagen, die sie in Erfüllung ihrer Erschließungslast hergestellt haben (vgl. Urteile vom 5. September 1975 – BVerwG 4 C 2.73 – Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 13 S. 3, vom 25. November 1981 – BVerwG 8 C 10.81 – Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 22 S. 15 f. und vom 25. Januar 1985 – BVerwG 8 C 82.83 – Buchholz 406.11 § 127 BBauG Nr. 44 S. 25). Das folgt aus ihrer auf das Gemeindegebiet bezogenen Pflicht zur Bauleitplanung (§ 1 Abs. 1 BauGB) und der daran anknüpfenden Erschließungslast (§ 123 Abs. 1 BauGB) sowie den räumlichen Grenzen ihrer kommunalrechtlichen Abgaben- und Satzungshoheit.
Für das daraus resultierende Problem, dass die Eigentümer gemeindegebietsfremder Grundstücke, die von einer Erschließungsanlage erschlossen werden, nicht zu Erschließungsbeiträgen herangezogen werden können, hält das Erschließungsbeitragsrecht nach dem derzeitigen Meinungsstand keine Lösung bereit, die in allen Fällen zu einem sinnvollen Ergebnis führt: Danach kann die ausbauende Gemeinde die Nachbargemeinde oder die gebietsfremden Grundeigentümer nicht anteilig an ihrem Aufwand beteiligen. Sie kann diesen anteiligen Aufwand aber auch nicht auf die Grundeigentümer auf ihrem eigenen Gemeindegebiet umlegen, sondern soll von diesen nach den Grundsätzen für nur einseitig anbaubare Straßen nur die Hälfte des insoweit angefallenen umlagefähigen Aufwands verlangen können (vgl. Driehaus, a.a.O. § 10 Rn. 11). Danach müsste die Gemeinde den Ausfallbetrag selbst tragen. Eine Lösung bieten ggf. die (in den Voraussetzungen nicht einheitlichen) Landesgesetze über kommunale Gemeinschafts- oder Zusammenarbeit (vgl. Driehaus, a.a.O. § 10 Rn. 12). Allerdings kann dieser Weg nicht gangbar sein, wenn das Landesrecht insoweit die Voraussetzung aufstellt, dass beide Gemeinden die Straßenbaulast für die Erschließungsstraße tragen (so OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Januar 1989 – 9 A 53/87 – NVwZ-RR 1989, 383 ≪384≫ zu § 13 Nds. Zweckverbandsgesetz), was nicht immer der Fall sein wird.
Vor diesem Hintergrund kann der Wunsch einer Gemeinde, zur möglichst vollständigen Deckung ihres Erschließungsaufwands auch die Eigentümer gebietsfremder Grundstücke zu Erschließungsbeiträgen heranzuziehen, im Grundsatz ein anerkennenswerter Grund für eine Übertragung der Erschließungsaufgabe und der Befugnis zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen durch Rechtsverordnung nach § 203 Abs. 1 BauGB sein. Für den Fall, dass das jeweilige Landesrecht es der Gemeinde ermöglicht, dasselbe Ergebnis auch über eine Zweckvereinbarung zu erreichen, kann dies allerdings für den Verordnungsgeber ein tragfähiger Grund sein, den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß § 203 Abs. 1 BauGB abzulehnen.
Erschließungsbeitragsrechtliche Gründe, wie z.B. das im Widerspruchsbescheid ergänzend angeführte Argument, die fraglichen Grundstücke unterlägen keiner Beitragspflicht, weil sie dem Außenbereich zuzurechnen seien, werden dagegen in der Regel keine taugliche Begründung für eine ablehnende Entscheidung des Verordnungsgebers sein. Die Entscheidung über die Aufgabenübertragung soll nicht mit einer quasi inzidenten Vorabprüfung der erschließungsbeitragsrechtlichen Rechtslage belastet werden, die möglicherweise schwierige und in der Regel erst im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten endgültig zu beantwortende Fragen aufwerfen kann. Anderes mag gelten, wenn eine (ggf. künftige) Erschließungsbeitragspflicht der in Rede stehenden Grundstücke offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden kann (wofür im Streitfall nichts ersichtlich ist).
Verfassungsrechtliche Gründe stehen diesem weitergehenden Anwendungsbereich von § 203 Abs. 1 BauGB nicht entgegen. Zwar kann der Entzug von Aufgaben einen unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie darstellen. Diese ist hier jedoch deshalb nicht berührt, weil § 203 Abs. 1 BauGB das Einvernehmen der abgebenden Gemeinde voraussetzt. Bei einer freiwilligen Übertragung scheidet eine Verletzung von Art. 28 Abs. 2 GG von vornherein aus (Beschluss des Senats vom 17. Januar 2007 – BVerwG 9 B 21.06 – NVwZ 2007, 584 ≪585≫ im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 19. November 2002 – 2 BvR 329/97 – BVerfGE 107, 1 ≪17 ff.≫). Für eine Aushöhlung der Institutsgarantie bei einer Aufgabenübertragung im Einzelfall ist nichts ersichtlich.
3. Die Revision kann gleichwohl keinen Erfolg haben, weil sich das Berufungsurteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Erlass der von ihr begehrten Rechtsverordnung – einschließlich eines Anspruchs auf Neubescheidung – scheitert daran, dass ihr ein anderer, vorrangiger Weg zur Erreichung des damit von ihr verfolgten Ziels zur Verfügung stand.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine ohnehin nur in Ausnahmefällen zulässige Normerlassklage besonderen Voraussetzungen unterliegt. Diese ergeben sich aus der Natur des geltend gemachten Anspruchs auf Tätigwerden des Normgebers und dessen Entscheidungsfreiheit als Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Dieses wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Dabei ist nur das (positive oder negative) Ergebnis seiner Entscheidung maßgeblich; eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle der die Entscheidung des Normgebers tragenden Motive, also des Abwägungsvorgangs, findet nur statt, wenn der Normgeber durch gesetzlich formulierte Abwägungsdirektiven, wie sie etwa im Bauplanungsrecht vorgegeben sind, gebunden ist (vgl. den Beschluss vom 3. Mai 1995 – BVerwG 1 B 222.93 – Buchholz 451.45 § 113 HwO Nr. 2 S. 1 f. und das Urteil vom 26. April 2006 – BVerwG 6 C 19.05 – BVerwGE 125, 384 ≪386≫, jeweils m.w.N.).
Ausgehend von diesem Maßstab kann – ungeachtet der von den Vorinstanzen und in den ablehnenden Bescheiden vertretenen fehlerhaften Rechtsauffassung zu § 203 Abs. 1 BauGB – nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der begehrten Rechtsverordnung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung und der hiernach auch zu berücksichtigenden Belange der Klägerin schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig war. Entscheidend dafür ist, dass das Bayerische Gesetz über kommunale Zusammenarbeit mit dem dort vorgesehenen Instrument der Zweckvereinbarung (Art. 8 ff. BayKommZG a.F.; Art. 7 ff. BayKommZG n.F.) eine vorrangige, den Interessen der Klägerin bereits ausreichend Rechnung tragende Möglichkeit eröffnet, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen, nämlich auch die streitgegenständlichen gemeindegebietsfremden Grundstücke zu Erschließungsbeiträgen heranzuziehen. Diese Möglichkeit ist vorrangig, zum einen weil sie bereits geltendes Recht ist, mithin ein Tätigwerden des Normgebers erübrigt, zum anderen weil die kommunalaufsichtsbehördliche Genehmigung einer Zweckvereinbarung allein aus Rechtsgründen verweigert werden kann und die Gemeinde somit einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung hat, den sie ggf. gerichtlich durchsetzen kann, während ein Tätigwerden des Verordnungsgebers gemäß § 203 Abs. 1 BauGB in dessen weitem Ermessen liegt.
Den aufgezeigten Weg hat die Klägerin ursprünglich mit der Zweckvereinbarung aus dem Jahr 1992 auch beschritten und wollte sie mit der Zweckvereinbarung aus dem Jahr 1995 weiter verfolgen. Gegen die Verweigerung der Genehmigung der zweiten Zweckvereinbarung hatte sie zunächst Widerspruch eingelegt, diesen aber – wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat – später zurückgenommen. Dass die Klägerin die ihr insoweit eröffneten (Rechtsschutz-)Möglichkeiten – aus welchen Motiven auch immer (einschließlich einer eventuellen Fehleinschätzung der Rechtslage) – nicht weiterverfolgt und ausgeschöpft hat, muss sie gegen sich gelten lassen. Die Klägerin kann nicht verlangen, dass Nachteile, die ihr durch eigene Versäumnisse entstanden sind, durch ein allein hierauf bezogenes Tätigwerden des Verordnungsgebers wieder ausgeglichen werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
Haufe-Index 1933617 |
BVerwGE 2008, 52 |
ZKF 2008, 91 |
ZMR 2008, 415 |
DÖV 2008, 559 |
BayVBl. 2008, 505 |
DVBl. 2008, 520 |
GK/Bay 2008, 224 |
KommP BY 2008, 226 |