Leitsatz (amtlich)
Das von § 9 Abs. 1 KWG geschützte Berufsgeheimnis der Finanzaufsichtsbehörden steht auch einem verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch entgegen.
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 11.03.2015; Aktenzeichen 6 A 1071/13) |
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.12.2012; Aktenzeichen 7 K 2168/12.F) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. April 2015 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger, Journalist bei einer großen Tageszeitung, begehrt Einsicht in Unterlagen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die im Jahre 2008 im Zusammenhang mit der Aufsicht über eine Bank entstanden sind, die mittlerweile in dem beigeladenen Kreditinstitut aufgegangen ist.
Rz. 2
Mit Schreiben vom Januar 2009 und präzisiert mit einem weiteren Schreiben vom Mai 2009 beantragte der Kläger - sowohl auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes als auch aufgrund presserechtlicher Anspruchsgrundlagen - Einsicht in Akten und Gutachten, die sich auf die H. Bank beziehen. Dabei geht es um 54 Aktenbände mit insgesamt über 2 000 Seiten. Die Beklagte lehnte diesen Antrag unter Verweis auf verschiedene Ausschlussgründe des Informationsfreiheitsgesetzes ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück.
Rz. 3
Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht im Anschluss an den Erlass eines Beweisbeschlusses, die Abgabe einer Sperrerklärung und die Durchführung eines in-camera-Verfahrens zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Das Verwaltungsgericht gab der Klage mit Ausnahme der nach dem Beschluss des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts als hinreichend deutlich als ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig benannten Aktenbestandteile statt. Die geltend gemachten Ausschlussgründe lägen abgesehen von den Unterlagen, die schützenswerte personenbezogene Daten enthielten, nicht vor.
Rz. 4
Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 11. März 2015 die Klage insgesamt abgewiesen. Dem Zugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG stehe gemäß § 3 Nr. 4 IFG das von der Beklagten zu wahrende Berufsgeheimnis des § 9 Abs. 1 KWG entgegen. Diese Bestimmung sei vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. November 2014 (C-140/13 [ECLI:EU:C:2014:2362], Altmann) über das bisherige Verständnis hinaus richtlinienkonform im Sinne einer umfassenderen Geheimhaltung der vorhandenen Unterlagen auszulegen; dies gelte nicht nur für die Wertpapieraufsicht, sondern in gleicher Weise für die Bankenaufsicht. Die streitigen Unterlagen enthielten vertrauliche Informationen im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmungen. Geschützt seien nicht nur Angaben, die dem sogenannten Bankgeheimnis zuzurechnen seien, sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der beaufsichtigten Unternehmen, sondern auch solche Informationen, die unter das aufsichtsrechtliche Geheimnis fielen. Die in den von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen verzeichneten Aktenteile seien ohne weitere Sachverhaltsaufklärung dem Berufsgeheimnis zuzuordnen. Die Unterlagen stellten zum einen Teil Informationen dar, die die Beklagte von den beaufsichtigten Instituten erhalten habe. Sie seien somit entweder dem Bankgeheimnis oder dem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zuzuordnen. Zum anderen seien die internen Vermerke der Beklagten, Entwürfe, Vermerke und Schriftsätze an die betroffenen Unternehmen oder andere Aufsichtsbehörden dem Unterfall des aufsichtsrechtlichen Geheimnisses zuzurechnen. Eine gesetzliche Ausnahme vom Verbot der Weitergabe vertraulicher Informationen sei nicht einschlägig. Auch ein Anspruch nach dem Hessischen Pressegesetz sei gegenüber der Beklagten als Bundesbehörde nicht gegeben. Im Übrigen richte sich dieser Anspruch nur auf Auskunft, nicht jedoch auf vollständige Offenlegung von Unterlagen. Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewähre - über einen verfassungsunmittelbaren Minimalstandard hinaus, der gegebenenfalls durch die vorhandenen einfach-gesetzlichen Auskunftsansprüche abgesichert werde - ebenso wenig wie die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG ein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle. Schließlich könne der Kläger weder aus europa- noch aus völkerrechtlichen Bestimmungen einen Anspruch auf Akteneinsicht herleiten.
Rz. 5
Der Kläger hat die vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 3. Mai 2016 - 7 C 7.15 - ist das Verfahren wegen der damals gegebenen Zuständigkeit eines anderen Senats abgetrennt worden, soweit der Kläger einen presserechtlichen Anspruch geltend macht; das verbleibende Verfahren ist bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem mit Vorlagebeschluss vom 4. November 2015 - 7 C 4.14 - eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt worden.
Rz. 6
Zur Begründung seiner Revision in den nunmehr wieder verbundenen Verfahren trägt der Kläger - nach Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 19. Juni 2018 (C-15/16 [ECLI:EU:C:2018:464], Baumeister) - vor: Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 IFG habe die Beklagte nicht entsprechend den Vorgaben des EuGH dargetan. Sie habe nicht zwischen vertraulichen und sonstigen Informationen unterschieden und eine Gefahr für die Finanzaufsicht wegen Offenlegung gegebenenfalls überholter Überwachungsmethoden nicht konkret dargelegt. Auch müsse die Beklagte bei unternehmensbezogenen Daten, die bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung älter als fünf Jahre seien, nachweisen, dass ausnahmsweise doch ein Geschäftsgeheimnis vorliege, wobei die Vorgaben des Geschäftsgeheimnisgesetzes zu beachten seien. Es sei unklar, welchen wirtschaftlichen Wert Akten bzw. Gutachten aus einer auf das Jahr 2008 bezogenen Aufsicht noch haben könnten. Des Weiteren seien Informationen über Rechtsverstöße - zu solchen sei es in der Finanzkrise gehäuft gekommen - keine schutzwürdigen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der verfassungsunmittelbare Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Beschaffung von Informationen gewährleiste, könne nicht auf einen Auskunftsanspruch beschränkt werden. Diesem Anspruch stünden auch keine Ausnahmegründe im öffentlichen oder privaten Interesse entgegen, die bei der erforderlichen Abwägung höher zu gewichten seien. Als "public watchdog" könne er sich auf einen Informationszugangsanspruch aus Art. 10 EMRK berufen. Schließlich sei Art. 11 EUGRCh zu berücksichtigen.
Rz. 7
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. März 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. April 2015 zu ändern und die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2012 zurückzuweisen.
Rz. 8
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Revision zurückzuweisen.
Rz. 9
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus: Alle vom Klageantrag umfassten Informationen fielen unter das aufsichtsrechtliche Geheimnis. Die Akten stellten die aufsichtlich zu würdigenden Umstände des von der Finanzkrise betroffenen Unternehmens dar und gäben somit einen vollständigen Einblick in die Aufsichtsstrukturen der Beklagten, welche durch die angewandten Aufsichtsstrategien und Aufsichtsmethoden in einer Krisensituation gekennzeichnet seien. Bei Kenntnis der bislang vertraulichen Arbeitsweise der Beklagten würde die effektive Aufgabenwahrnehmung wesentlich erschwert. Einer weiteren Tatsachenaufklärung bedürfe es deswegen nicht. Darüber hinaus unterlägen angesichts der auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung bezogenen Fünf-Jahres-Regel vertrauliche Unternehmensinformationen aus den Jahren 2004 bis einschließlich 2009 - und somit insbesondere die begehrten Unterlagen aus dem Jahr 2008 - ohne weitere Prüfung weiterhin dem Berufsgeheimnis der Beklagten. Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasse nicht das Recht auf Aktennutzung durch Einsichtnahme. Jedenfalls sei für eine Reduzierung des Auswahlermessens der Behörde im Hinblick auf die Form der Auskunftserteilung nichts dargetan. Darüber hinaus stünden einer Auskunft berechtigte Vertraulichkeitsinteressen der Beklagten und der Beigeladenen entgegen, die der Gesetzgeber als Ausschlussgrund normieren dürfte. Der unionsrechtlich geforderte Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte müsse sich auch gegenüber presserechtlichen Auskunftsansprüchen durchsetzen. Nichts anderes ergebe sich bei Berücksichtigung von Art. 10 EMRK und Art. 11 EUGRCh.
Rz. 10
Die Beigeladene trägt vor: Die Revision sei jedenfalls unbegründet. Mit der Geheimhaltungsvorschrift des § 9 Abs. 1 KWG werde ein Vertraulichkeitsinteresse normiert, das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse generell und abwägungsfest vorgehe.
Entscheidungsgründe
Rz. 11
Die Revision ist zulässig und begründet.
Rz. 12
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Schutzumfang des in § 9 KWG geregelten Berufsgeheimnisses als Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 4 IFG im Grundsatz zutreffend bestimmt. Er hat allerdings insbesondere hinsichtlich der Informationen, die im Interesse des beaufsichtigten Unternehmens geheim zu halten sind, einen undifferenzierten Maßstab zugrunde gelegt. Insoweit erweist sich das Urteil weder aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig, noch kann der Senat abschließend in der Sache entscheiden; dies nötigt zur Zurückverweisung der Sache (1.). Einen presserechtlichen Anspruch hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls unter Verstoß gegen revisibles Recht verneint. Auch in dieser Hinsicht ist eine Zurückverweisung geboten. Die insoweit ergänzend herangezogenen völker- und europarechtlichen Bestimmungen verhelfen dem Kläger zu keinen weitergehenden Ansprüchen (2.).
Rz. 13
1. Die Verneinung eines Anspruchs auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht des § 9 Abs. 1 KWG.
Rz. 14
a) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 22 ff., im Anschluss an Beschluss vom 4. November 2015 - 7 C 4.14 - Buchholz 404 IFG Nr. 16 Rn. 19 ff.) ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 9 Abs. 1 KWG über die Verschwiegenheitspflicht der beklagten Aufsichtsbehörde einer richtlinienkonformen - erweiternden - Auslegung bedarf. Sie bezieht sich nicht nur, wie ausdrücklich geregelt, auf Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des beaufsichtigten Instituts bzw. eines Dritten liegt; hier werden Geschäfts-und Betriebsgeheimnisse nur beispielhaft erwähnt. Sie schützt darüber hinaus auch das sogenannte aufsichtsrechtliche Geheimnis und damit Angaben und Informationen, deren Geheimhaltung zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Systems der Finanzaufsicht allein im Interesse der Beklagten und des insoweit von ihr repräsentierten Gemeinwohls liegt. Das so verstandene Berufsgeheimnis gilt - wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend festgestellt hat - nicht nur gemäß Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2003/39/EG der Kommission vom 15. Mai 2003 - MiFID I - (nunmehr Art. 76 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 - MiFID II) für die Aufsicht über Wertpapierfirmen, sondern nach Art. 53 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen - CRD IV - in gleicher Weise für die Aufsicht über Kreditinstitute (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 10 C 20.19 - ZIP 2020, 359 Rn. 16).
Rz. 15
Der Verwaltungsgerichtshof hat auf dieser Grundlage alle streitigen Aktenbestandteile ohne weitere Sachverhaltsaufklärung dem Berufsgeheimnis zugeordnet. Soweit die Beklagte die Informationen von den beaufsichtigten Instituten erhalten habe, seien sie entweder dem Bankgeheimnis oder den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zuzurechnen. Auf eine genaue Abgrenzung komme es nicht an, da es jeweils um Unterfälle des Begriffs der vertraulichen Information gehe. Die übrigen Unterlagen seien dem aufsichtsrechtlichen Geheimnis zuzuordnen. Diese Gesamtbetrachtung erweist sich als nicht tragfähig. Sie wird weder hinsichtlich der unternehmensbezogenen Angaben noch in Bezug auf die übrigen Akteninhalte den rechtlichen Vorgaben gerecht.
Rz. 16
Der Verwaltungsgerichtshof hat allen in den Unterlagen enthaltenen unternehmensbezogenen, d.h. die HRE-Bank betreffenden, Informationen, die die Beklagte von den beaufsichtigten Instituten erhalten hat, auch den Schutz eines Geschäftsgeheimnisses gewährt. Das ist jedenfalls angesichts der mittlerweile verstrichenen Zeit verfehlt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich sind; danach muss der Beteiligte, der sich auf die Vertraulichkeit der Informationen beruft, nachweisen, dass die betreffenden Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentlich für die wirtschaftliche Stellung des beaufsichtigten Unternehmens oder eines Dritten sind (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 54). Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht ausgehend vom Zeitpunkt der abschließenden behördlichen Entscheidung über den Zugangsantrag zu bestimmen. Im Falle der Ablehnung des Antrags und eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens kommt es vielmehr auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht an (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 45 ff.). Nach diesen rechtlichen Maßstäben fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Fortdauer der Wettbewerbsrelevanz bzw. sonstigen wirtschaftlichen Bedeutung der betreffenden Informationen (siehe dazu auch schon Beschluss des Fachsenats des BVerwG vom 12. April 2012 - 20 F 2.11 - juris Rn. 12).
Rz. 17
Soweit der Verwaltungsgerichtshof das aufsichtsrechtliche Geheimnis für gegeben erachtet, hat er zwar - im Anschluss an die Erläuterungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts am Gerichtshof der Europäischen Union vom 4. September 2014 in Sachen Altmann (C-140/13, Rn. 38) - zutreffende Beispielskategorien benannt. Er hat die einzelnen Aktenbestandteile aber nicht auf der Grundlage der von der Beklagten gegebenen Erläuterungen diesem Geheimnis jeweils nachvollziehbar zugeordnet. Eine solche Zuordnung ist hier nicht entbehrlich.
Rz. 18
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass alle begehrten Unterlagen schon deswegen vom aufsichtsrechtlichen Geheimnis erfasst seien - und es folglich auch auf die Fünf-Jahres-Regel nicht ankomme (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 56 f.) -, weil sich in den Akten das aufsichtlich zu würdigende Handeln des beaufsichtigten Unternehmens allgemein und hier speziell im Umfeld der Finanzkrise sowie ihre Aufsichtspraxis widerspiegele. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind nicht alle der Beklagten im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit vorliegenden Unterlagen dem Geheimnisschutz zu unterwerfen. Vielmehr müssen sich die geheim zu haltenden Vorgänge durch ihre aus bestimmten Umständen und Merkmalen folgende Vertraulichkeit auszeichnen. So mag zwar insbesondere bei Aufsichtstätigkeiten in krisenhaften Situationen - nicht zuletzt unter Beachtung von Nachweiserleichterungen (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 54 ff.) - die Annahme einer Beeinträchtigung der Funktion der Finanzaufsicht nicht fernliegen, wenn Einblick in bislang vertrauliche Aufsichtsstrukturen gewährt würde. Auch dabei muss es sich aber um Umstände und Informationen handeln, die nicht als solche, insbesondere als Routinevorgänge, letztlich auf der Hand liegen (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 43 f.)
Rz. 19
b) Das Urteil erweist sich in dieser Hinsicht nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Rz. 20
aa) Mit dem Vorbringen, die Aufsichtstätigkeit der Beklagten sei zwingend auf eine überobligatorische Zusammenarbeit mit den beaufsichtigten Unternehmen angewiesen, die bei einer Offenlegung von Unterlagen nicht mehr gewährleistet sei, sind die Voraussetzungen des Versagungsgrunds nach § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG nicht dargetan (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 30 f.).
Rz. 21
bb) Das Urteil hat auch nicht insoweit teilweise Bestand, als es sich auf Unterlagen bezieht, für die allein der Schutz der Geschäftsgeheimnisse von Bedeutung ist. Der vom Verwaltungsgerichtshof angenommene zeitlich unbegrenzte Schutz des Geschäftsgeheimnisses kann nicht auf § 6 Satz 2 IFG gestützt werden. Diese Vorschrift ist neben § 3 Nr. 4 IFG anwendbar (siehe BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - NVwZ 2019, 1840 Rn. 57) und dann von Bedeutung, wenn sie einen stärkeren Schutz als die fachrechtlichen Bestimmungen gewährt.
Rz. 22
Die Feststellung einer so begründeten Ergebnisrichtigkeit ist jedoch schon deswegen ausgeschlossen, weil der Verwaltungsgerichtshof die Aktenbestandteile, deren Vertraulichkeit er in dieser Hinsicht bejaht, nicht genau bezeichnet.
Rz. 23
Hiervon abgesehen vermittelt § 6 Satz 2 IFG ebenso wenig wie die Vorschriften über das Berufsgeheimnis einen zeitlich unbegrenzten Schutz. In der Rechtsprechung ist auch für den Begriff des Geschäftsgeheimnisses nach nationalem Recht anerkannt, dass der Zeitablauf für die Einstufung als schutzwürdiges Geheimnis von Relevanz ist (BVerwG, Urteil vom 17. März 2016 - 7 C 2.15 - BVerwGE 154, 231 Rn. 35 f. m.w.N. aus der Rspr des Fachsenats; siehe auch BVerfG, Urteil vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 - BVerfGE 147, 50 Rn. 350, 353).
Rz. 24
Daran hat sich aufgrund der unionsrechtlichen Regelungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 S. 1), die zwischenzeitlich mit Gesetz vom 18. April 2019 (BGBl. I, S. 466) ins nationale Recht umgesetzt worden ist, nichts geändert. Gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen - GeschGehG -, der auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie beruht, gehen öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vor. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs gilt dies auch für eine abweichende Definition des Geschäftsgeheimnisses in öffentlich-rechtlichen Vorschriften (BT-Drs. 19/4724 S. 23). Ob damit lediglich ein Vorbehalt für Legaldefinitionen normiert wird, die es im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht gibt, oder ob damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der öffentlich-rechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch bezogen auf die Begriffsbestimmung eigenständig geregelt ist (vgl. Guckelberger, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. November 2019, § 6 IFG Rn. 17.1), kann hier dahinstehen. Auch wenn insoweit - nicht zuletzt angesichts des Umstands, dass sich das öffentliche Recht am gewachsenen wettbewerbsrechtlichen Begriffsverständnis orientiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 - juris Rn. 10) - keine strikte Trennung der Regelungsbereiche anzunehmen und die Begriffsdefinition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 GeschGehG jedenfalls mit zu berücksichtigen sein sollte (Wiebe, NVwZ 2019, 1705 ≪1706≫; Goldhammer, NVwZ 2017, 1809 ≪1810≫), ergäbe sich nichts anderes. Auch dort wird insbesondere auf den wirtschaftlichen Wert abgestellt (§ 2 Nr. 1 Buchst. a GeschGehG), der vom Zeitablauf nicht unberührt bleibt. Soweit der Kläger auf Definitionsmerkmale verweist, die sich vom bisherigen Verständnis absetzen (§ 2 Nr. 2 und 3 GeschGehG), nimmt auch er das zum Beleg eines schwächeren, nicht aber eines stärkeren Schutzes des Geschäftsgeheimnisses.
Rz. 25
cc) Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat wegen fehlender Tatsachenfeststellungen verwehrt, so dass es der Zurückverweisung der Sache bedarf (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Rz. 26
2. Einen Anspruch des Klägers in seiner Eigenschaft als Vertreter der Presse hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls unter Verletzung revisiblen Rechts versagt.
Rz. 27
a) Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof zwar ausgeführt, dass das Hessische Pressegesetz nicht einschlägig ist; einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat er aber mit bundesrechtlichen Erwägungen verneint.
Rz. 28
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst die Regelung eines Auskunftsanspruchs in den Landespressegesetzen nicht Ansprüche gegen Bundesbehörden. Solche Regelungen sind vielmehr als Annex zu den bundesrechtlichen Sachregelungen dem Bundesgesetzgeber - hier auf der Kompetenzgrundlage des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG - vorbehalten. Bleibt er untätig, kann die Presse sich auf einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch berufen. Auf dieser Rechtsgrundlage können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Dieser Anspruch fordert grundsätzlich eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei darf er in seinem materiellen Gehalt nicht hinter demjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (so zuletzt BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 - 6 A 7.18 - ZUM 2020, 152 Rn. 13 m.w.N.). Eine pauschalierte Rechtsgütervorrangregelung und ein Ausschluss einzelner behördlicher Funktionsbereiche kommen aufgrund einer typisierenden Interessengewichtung und -abwägung indessen jedenfalls ausnahmsweise in Betracht (siehe BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 33.17 - juris Rn. 14, 18).
Rz. 29
Diesen Maßstäben wird der Verwaltungsgerichtshof nicht gerecht, wenn er den Anspruch auf einen bloßen Mindeststandard beschränkt, den er durch die vorhandenen einfach-gesetzlichen Auskunftsansprüche abgedeckt sieht. Soweit der Verwaltungsgerichtshof damit das Informationsfreiheitsgesetz im Blick hat - andere Regelungen sind nicht ersichtlich -, berücksichtigt er nicht, dass der Bundesgesetzgeber damit nicht in Erfüllung seines Gesetzgebungsauftrags aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spezifisch die informationsrechtliche Stellung der Presse ausgeformt hat (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 28).
Rz. 30
bb) Das Urteil erweist sich auch in dieser Hinsicht nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.
Rz. 31
(1) Der verfassungsunmittelbare presserechtliche Auskunftsanspruch geht hier - ungeachtet seiner Ausgestaltung im Einzelnen - nicht bereits deswegen ins Leere, weil der Kläger Einsicht in Unterlagen begehrt. Ein Anspruch der Presse ist zwar grundsätzlich auf Auskunft, d.h. auf mündliche oder schriftliche Beantwortung einzelner konkret gestellter Fragen gerichtet (BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 - Buchholz 402.71 BNDG Nr. 3 Rn. 24). Entgegen der vom Verwaltungsgerichtshof zum landesrechtlichen Auskunftsanspruch vertretenen Auffassung ist sein Inhalt damit aber nicht abschließend beschrieben. Vielmehr kann sich der Auskunftsanspruch im Einzelfall zu einem Akteneinsichtsanspruch verdichten, wenn andere Formen des Informationszugangs im Hinblick auf die begehrte Information unsachgemäß wären und nur auf diese Weise vollständige und wahrheitsgemäße Sachverhaltskenntnis vermittelt werden kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 17. März 2017 - 15 B 1112/15 - juris Rn. 68 ff.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. September 2015 - 1 BvR 857/15 - NJW 2015, 3708 Rn. 18; siehe auch Cornils, Stellungnahme, BT-ADrs. 19(4)236 A, S. 10 und Gärditz, Stellungnahme, BT-ADrs. 19(4)236 D, S. 9 f.). Eine solche (Sonder-)Situation liegt hier aufgrund der Eigenart der betroffenen Informationen nahe; komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge, die sich in den Unterlagen niederschlagen, lassen sich gegebenenfalls nur schwer im Wege einer Auskunft aufbereiten, die dem pressespezifischen Informationsinteresse genügt.
Rz. 32
(2) Des Weiteren kann nicht festgestellt werden, dass ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch unter Berufung auf das Berufsgeheimnis der Beklagten insgesamt zu versagen ist.
Rz. 33
Das in § 9 KWG geschützte Berufsgeheimnis bezeichnet allerdings einen behördlichen Funktionsbereich, dessen Geheimhaltungsinteressen ausnahmsweise nicht dem den Auskunftsanspruch in der Regel prägenden Abwägungsvorbehalt unterliegen. Denn damit wird spezialgesetzlich eine allgemeine Auskunftsgrenze normiert. Gebieten nach der Entscheidung des Gesetzgebers die Besonderheiten der Finanzmarktaufsicht eine strikte Beachtung des Berufsgeheimnisses, das nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen durchbrochen werden darf, kann diese Regelung von den Gerichten nicht im Einzelfall unter Berufung auf höherrangiges (Verfassungs-)Recht korrigiert und relativiert werden.
Rz. 34
Es besteht im Übrigen kein Zweifel, dass eine Regelung, nach der das Berufsgeheimnis sich auch gegenüber einem Auskunftsbegehren der Presse durchsetzt, mit höherrangigem Recht - hier dem Unionsrecht - in Einklang steht. § 9 Abs. 1 KWG beruht auf einer Richtlinie, die in Bezug auf die streitige Regelung dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung keinen Spielraum einräumt (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 38; zur Maßgeblichkeit nur der konkret auf den Fall anzuwendenden Vorschrift siehe BVerfG, Beschluss vom 6. November 2019 - 1 BvR 276/17, Recht auf Vergessen II - NVwZ 2020, 63 Rn. 78 m.w.N.). Wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, der sich auch auf das nationale Verfassungsrecht erstreckt, ist § 9 Abs. 1 KWG nicht an der grundgesetzlichen Pressefreiheit, sondern - vermittelt über die Richtlinienbestimmungen - nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EUGRCh an den Garantien der Europäischen Grundrechtecharta zu messen. Einschlägig ist Art. 11 Abs. 1 EUGRCh. Der Unionsgesetzgeber hat sich bei der Schaffung des mit "Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit" umschriebenen Grundrechts des Art. 11 EUGRCh an Art. 10 EMRK orientiert; in Art. 11 Abs. 2 EUGRCh hat er die Freiheit der Medien, die von der Europäischen Menschenrechts-Konvention als implizit (mit)garantierte Ausdrucksform der Meinungsäußerung angesehen wird, allerdings einer besonderen Regelung zugeführt. Auch wenn diese Freiheit neben Aspekten einer marktorientierten Unternehmerfreiheit ein Kommunikationsgrundrecht umfasst, erstreckt sich der Schutzbereich von Art. 11 Abs. 2 EUGRCh, der auf die Achtung einer freiheitlichen Medienordnung abzielt, nicht auf jegliches für die Aufgabenerfüllung der Presse relevante Sachproblem. Das gilt insbesondere für die hier streitige Beschaffung von Informationen, die von Art. 10 Abs. 1 EMRK, der insoweit wörtlich übernommen worden ist, als Teil der Informationsfreiheit geschützt wird (siehe nachfolgend b (1), Rn. 37 f.). In diesem Rahmen wird durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere auch der besonderen Aufgabe der Presse Rechnung getragen (vgl. Cornils, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. November 2019, Art. 11 EU-GRCharta Rn. 3, 11). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union verweist für die Nutzung von Informationen durch die Presse auf die Informationsfreiheit und die Pressefreiheit in Art. 11 EUGRCh (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 - C-469/17 [ECLI:EU:C:2019:623], Funke Medien - Rn. 55 ff., 60, 64). Folglich deckt sich gemäß Art. 52 Abs. 3 Satz 1 EUGRCh der hier von der Charta vermittelte Schutz mit dem nach Art. 10 EMRK. Die Schrankenregelung des Art. 10 Abs. 2 EMRK ist weit gefasst; sie erfasst Einschränkungen, die gesetzlich vorgesehen und "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig", d.h. verhältnismäßig sind unter anderem für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der Rechte anderer und zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen. Hiernach ist nicht ersichtlich, dass eine strikte Beachtung des Berufsgeheimnisses auch der Presse gegenüber mit Unionsrecht nicht vereinbar sein könnte.
Rz. 35
Wie bereits oben zum Zugangsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz aufgezeigt, kann indessen auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht darüber entschieden werden, ob die begehrten Informationen in ihrer Gesamtheit dem Berufsgeheimnis unterfallen und der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch demnach rechtlich zwingend ausscheidet. Auch insoweit bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen.
Rz. 36
b) Eine andere Bewertung ist nicht aufgrund europarechtlicher und völkerrechtlicher Bestimmungen geboten.
Rz. 37
(1) Einen insbesondere auf Vertreter der Presse bezogenen Anspruch aus Art. 10 EMRK hat der Verwaltungsgerichtshof mit fehlgehender Begründung versagt, wenn er ausführt, diese Vorschrift könne grundsätzlich nicht so verstanden werden, dass sie dem Staat die Pflicht auferlegt, Informationen zu geben. Der so formulierte allgemeine Maßstab entspricht nicht der Auslegung, die die Informationsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK mittlerweile in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden und an der sich die Anwendung der Europäischen Menschenrechts-Konvention als im Range eines Bundesgesetzes geltenden Bundesrechts auszurichten hat (siehe BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 BvC 62/14 - NJW 2019, 1201 Rn. 64 und Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 BvR 1738/12 u.a. - BVerfGE 148, 296 Rn. 129; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 45).
Rz. 38
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Grundsatzentscheidung im Verfahren Magyar Helsinki Bizottság./. Ungarn (Urteil der Großen Kammer Nr. 18030/11 vom 8. November 2016; auszugsweise in dt. Übersetzung in AfP 2017, 301) die Rechtsgrundsätze dargelegt, unter denen sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EMRK ein Recht auf Informationszugang ergeben kann (Rn. 155 f., 158 ff.). Nach den insoweit maßgeblichen Kriterien des Zwecks der Informationsanfrage, der Natur der erstrebten Informationen und der Rolle des Antragstellers spricht viel dafür, dass das vom Kläger in seiner Rolle als Journalist und somit in seiner Funktion als "public watchdog" geltend gemachte Zugangsbegehren zu Informationen, die ein Thema von allgemeiner Bedeutung betreffen, von der Garantie des Art. 10 Abs. 1 EMRK erfasst wird. Dann kommt es maßgeblich darauf an, ob die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz öffentlicher und privater Interessen vorgesehenen Einschränkungen (Art. 10 Abs. 2 EMRK) hier vorliegen; das führt auf einen Gleichlauf zu dem nach nationalem Recht zu prüfenden presserechtlichen Anspruch (vgl. auch Engelbrecht, ZD 2018, 108 ≪111≫).
Rz. 39
(2) Aus Art. 19 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 - IPBPR - (Zustimmungsgesetz vom 15. November 1973, BGBl. II S. 1533) folgt ebenfalls nichts anderes. Auch diese Vorschrift garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung und darin enthalten die Freiheit, sich Informationen jeder Art zu beschaffen. In der Spruchpraxis des nach Teil IV IPBPR errichteten UN-Menschenrechtsausschusses, der auf der Grundlage des 1. Fakultativprotokolls auch für die Prüfung von Individualbeschwerden (Mitteilungen) zuständig ist, wird die Auffassung vertreten, dass sich aus Art. 19 Abs. 2 IPBPR das Recht eines Journalisten auf Zugang zu staatlichen Informationen ergeben kann (siehe dazu UN-Menschenrechtsausschuss, Allgemeine Bemerkungen Nr. 34 zu Art. 19, General Comment No. 34 ≪UN-Doc CCPR/C/GC/34≫ Rn. 18, und die rechtsvergleichenden Hinweise im Urteil des EGMR vom 8. November 2016 - Nr. 18030/11 - Rn. 37 ff., 141 ff). Welches Gewicht diesem Umstand bei der Auslegung der im innerstaatlichen Recht unmittelbar geltenden Vorschrift zukommt, kann dahinstehen (siehe hierzu BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 BvC 62/14 - NJW 2019, 1201 Rn. 65). Denn ein Zugangsrecht kann nach Art. 19 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b IPBPR durch Gesetz zum Schutz der öffentlichen Ordnung (ordre public) eingeschränkt werden (siehe dazu General Comment No. 34 ≪UN-Doc CCPR/C/GC/34≫ Rn. 21 ff., 29 ff.). Art. 19 IPBPR vermittelt folglich jedenfalls keinen über Art. 10 EMRK hinausgehenden Schutz.
Rz. 40
(3) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof schließlich entschieden, dass der geltend gemachte Anspruch auf Art. 11 EUGRCh nicht gestützt werden kann. Ungeachtet des Gewährleistungsinhalts der unionsrechtlichen Informationsfreiheit folgt dies bereits daraus, dass die Bestimmungen der Grundrechte-Charta im vorliegenden Fall - als mögliche Anspruchsgrundlage bzw. deren Verstärkung - nicht anwendbar sind.
Rz. 41
Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EUGRCh gilt die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach Art. 51 Abs. 2 EUGRCh dehnt die Charta den Geltungsbereich des Unionsrechts nicht über die Zuständigkeiten der Union aus. Daher ist das Recht der Mitgliedstaaten nur dann an den Grundrechten der Charta zu messen, wenn es durch Unionsrecht determiniert ist oder Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Rede stehen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn das Informationsfreiheitsrecht ist nicht durch unionsrechtliche Vorgaben determiniert (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - BVerwGE 159, 194 Rn. 45 f.).
Rz. 42
Etwas anderes folgt nicht daraus, dass das Fachrecht, das hier dem Informationszugang entgegensteht, von unionsrechtlichen Richtlinien bestimmt wird. Denn allein der Umstand, dass nationale Maßnahmen zu einem Bereich gehören, in dem die Union über Zuständigkeiten verfügt, führt nicht dazu, dass sie in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen und somit die Charta anwendbar wird (EuGH, Urteil vom 19. November 2019 - C-609 und 610/17 [ECLI:EU:C:2019:981], TSN - Rn. 46). Es reicht nicht, dass die fraglichen Sachverhalte benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann. Maßgeblich ist vielmehr, ob mit der fraglichen nationalen Regelung die Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann, sowie ferner, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C-198/13 [ECLI:EU:C:2014:2055], Hernandez u.a. - Rn. 34, 37). Danach kommt es hier maßgeblich darauf an, dass die Vorschriften, die den Informationszugang eröffnen und näher ausgestalten, keine unionsrechtliche Verankerung haben. So betont auch der Gerichtshof der Europäischen Union, dass mit den Vorschriften über das unionsrechtliche Berufsgeheimnis weder ein Zugangsrecht der Öffentlichkeit zu den den zuständigen Behörden vorliegenden Informationen geschaffen noch die Ausübung eines etwaigen nach nationalem Recht bestehenden Zugangsrechts näher geregelt werden soll (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 38 f.).
Fundstellen
BVerwGE 2020, 319 |
DÖV 2020, 841 |
ZD 2020, 479 |