Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzgrundstück. Ersatzgrundstücksregelung, Aufhebung der. Aufhebung von § 9 VermG. Streichung von § 9 VermG. Vermögensrechtsergänzungsgesetz. Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Eigentumsschutz für vermögensrechtliche Ansprüche. Gleichheitsgrundsatz bei Änderungen des Vermögensrechts. Willkürverbot bei Änderungen des Vermögensrechts
Leitsatz (amtlich)
Die Aufhebung des § 9 VermG durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
VermG §§ 9, 21 Abs. 3; VermRErG Art. 1 Ziff. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Halle (Saale) (Urteil vom 29.02.2000; Aktenzeichen 1 A 381/99 HAL) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger haben das Grundstück der Gemarkung K.…, Flur 18, Flurstück 30/5 in H.… durch eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG verloren. Mit Bescheid vom 29. April 1994 stellte die Beklagte fest, dass den Klägern wegen des Eigentumsverlustes an dem streitbefangenen Grundstück ein Entschädigungsanspruch zustehe. Art und Höhe der Entschädigung wurden durch besonderen Bescheid nach Verabschiedung des Entschädigungsgesetzes festgesetzt. Die Rückübertragung des Grundstücks wurde in dem Bescheid wegen redlichen Erwerbs des Verfügungsberechtigten abgelehnt. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Kläger wies das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalt mit Bescheid vom 3. April 1997 zurück. Die Kläger haben daraufhin Klage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das genannte Grundstück an sie zurückzuübertragen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, an sie ein Ersatzgrundstück mit einem dem streitbefangenen Grundstück vergleichbaren Wert zu übereignen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Februar 2000 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Hauptantrag sei unbegründet. Der Hilfsantrag sei unzulässig. Frühestens mit Rechtskraft des Urteils im vorliegenden Fall stehe bestandskräftig fest, dass eine Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks nicht mehr möglich sei. Vorher könne ein Entschädigungsverfahren, in dem auch über die Übereignung eines Ersatzgrundstücks entschieden werde, nicht durchgeführt werden. Würde dem Hilfsantrag stattgegeben werden und sodann ein Rechtsmittel dem Hauptantrag zum Erfolg verhelfen, verfügten die Kläger sowohl über einen Anspruch auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks als auch über einen Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks. Eine solche Verdoppelung des Anspruchs widerspräche jedoch dem Willen des Gesetzgebers.
Gegen die Abweisung des Hilfsantrags richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger, die beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Halle vom 29. Februar 2000, 1 A 381/99 HAL, die Beklagte zu verpflichten, an die Kläger ein Ersatzgrundstück mit vergleichbarem Wert wie das Grundstück der Gemarkung K.…, Flur 18, Flurstück 30/5 mit einer Größe von 2 756,00 m(2) zu übereignen.
Zur Begründung tragen sie vor, die während des Revisionsverfahrens erfolgte Streichung von § 9 VermG verstoße gegen das Grundgesetz.
Die Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Streichung von § 9 VermG für verfassungsgemäß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Kläger ist unbegründet. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben zwar eine Verletzung von Bundesrecht; die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat den Hilfsantrag der Kläger zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Da das Verwaltungsgericht den auf Rückübertragung gerichteten Hauptantrag abgelehnt hat, hätte es über den Hilfsantrag in der Sache entscheiden müssen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, vor rechtskräftiger Ablehnung des mit dem Hauptantrag verfolgten Rückübertragungsanspruchs könne über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch nicht entschieden werden, entbehrt jeder Grundlage. Setzt das Vorliegen eines hilfsweise geltend gemachten Anspruchs voraus, dass der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch nicht besteht, ist allgemein bei Abweisung des Hauptantrags auch über den Hilfsantrag zu entscheiden. Hat dann ein Rechtsmittel gegen die Abweisung des Hauptantrags in der Sache Erfolg, ist selbstverständlich im Rechtsmittelverfahren das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben, als es dem Hilfsantrag stattgegeben hat. Ein solches Urteil steht unter der auflösenden Bedingung, dass dem Hauptantrag im Rechtsmittelverfahren nicht stattgegeben wird. Mit dem Erfolg des Hauptantrags fehlt es dem angefochtenen Urteil an der verfahrensrechtlichen Grundlage (vgl. BGH, NJW 2001, 1127). Die vom Verwaltungsgericht befürchtete Verdoppelung von Ansprüchen ist daher ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht hätte somit über den Hilfsantrag insbesondere auf der Grundlage der zur Auslegung und Anwendung von § 9 VermG ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. insbesondere Urteile vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – BVerwGE 107, 205 = Buchholz 428 § 9 VermG Nr. 2 und vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – BVerwGE 111, 83 = Buchholz 428 § 9 VermG Nr. 4 – im Folgenden zitiert nach BVerwGE) entscheiden müssen.
Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar.
Durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften vom 15. September 2000 (Vermögensrechtsergänzungsgesetz – VermRErgG – BGBl I S. 1382) wurde § 9 VermG aufgehoben (Art. 1 Ziff. 2 VermRErgG). Das Gesetz ist am 16. September 2000 in Kraft getreten (Art. 6 VermRErgG). Es erfasst auch die Fälle, in denen – wie hier – vor Erlass des Gesetzes ein noch nicht bestandskräftig verbeschiedener Antrag auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks gestellt worden ist. Denn es enthält keine Übergangsregelung. Diese während des Revisionsverfahrens eingetretene Änderung der Rechtslage ist bei der vorliegenden Verpflichtungsklage zu berücksichtigen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 1. Dezember 1972 – BVerwG 4 C 6.71 – BVerwGE 41, 227 ≪230 f.≫). Dies bezweifelt auch die Revision nicht.
Die Aufhebung von § 9 VermG durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz ist – entgegen der Meinung der Revision – nicht verfassungswidrig. Das Grundgesetz verlangt nicht, dass Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG), deren Grundstück wegen redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 VermG) nicht zurückübertragen werden kann, ein Ersatzgrundstück beanspruchen können (1). Verfassungswidrig ist es auch nicht, dass die seit In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes bestehende Ersatzgrundstücksregelung (§ 9 VermG) nunmehr aufgehoben wurde (2).
1. Die Entschädigung, die Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG) nach dem Entschädigungsgesetz verlangen können, wenn die Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 VermG) ausgeschlossen ist, ist ein verfassungsrechtlich ausreichender Ausgleich für das in der DDR begangene Unrecht. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, hier eine Wiedergutmachung zu gewähren, die – wie die Übereignung eines Grundstücks mit vergleichbarem Wert – einer Restitution gleichkommt (BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 – 1 BvR 2307/94 u.a. – ZOV 2001, 21).
Eine Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur Wiedergutmachung von Unrecht einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Staatsgewalt lässt sich nicht aus einzelnen Grundrechten – wie dem Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG – herleiten (vgl. BVerfG, a.a.O. S. 21 m.w.N.). Die abschließende Regelung von Entschädigungsansprüchen durch das Entschädigungsgesetz steht mit dem Sozial- und dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes in Einklang. Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verlangt, dass die staatliche Gemeinschaft in der Regel Lasten mitträgt, die – wie hier – aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und mehr oder weniger zufällig nur einzelne Bürger oder bestimmte Gruppen von ihnen getroffen haben. Daraus folgt jedoch keine automatische Abwälzung solcher Lasten auf den Staat mit der Wirkung, dass dieser den Betroffenen unmittelbar zum vollen Ausgleich – wie ihn die Ersatzgrundstücksregelung vorsah – verpflichtet wäre; vielmehr kann sich aus dem Sozialstaatsprinzip nur die Pflicht zu einer Lastenverteilung nach Maßgabe einer gesetzlichen Regelung ergeben. Der Gesetzgeber hat hier einen besonders weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum. Bei der Ausgestaltung der Wiedergutmachung im Einzelnen entfaltet ergänzend zu dem Sozialstaatsgrundsatz auch das Rechtsstaatsprinzip Wirkung (BVerfG, a.a.O.). Davon ausgehend sind die nach dem Entschädigungsgesetz möglichen Entschädigungsleistungen nicht so niedrig, dass von einem mit dem Sozial- und dem Rechtsstaatsgrundsatz noch vergleichbaren Ausgleich nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. BVerfG, a.a.O. S. 22).
Die sich aus dem Entschädigungsgesetz ergebende wertmäßige Ungleichbehandlung der Restitutionsberechtigten mit denjenigen, die ihr Eigentum endgültig verloren haben, verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot (BVerfG, a.a.O.).
2. Die Aufhebung der Ersatzgrundstücksregelung (§ 9 VermG) durch das Vermögensrechtsergänzungsgesetz ist ebenfalls nicht verfassungswidrig:
a) Die Aufhebung der Ersatzgrundstücksregelung verletzt nicht das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) der Betroffenen. Es kann dahinstehen, ob Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen. Jedenfalls war der Anspruch auf Übereignung eines Ersatzgrundstücks (§ 9 VermG) nicht durch das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) geschützt.
War die Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 4 Abs. 2 VermG wegen redlichen Erwerbs ausgeschlossen, führte dies trotz der Ausgestaltung des § 9 VermG als subjektives Recht des Berechtigten (vgl. Urteile vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. S. 207 und vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 87) nicht quasi automatisch zur Übereignung eines Ersatzgrundstücks. Vielmehr mussten eine Reihe weiterer, vom Berechtigten nicht zu beeinflussender Voraussetzungen hinzukommen, so dass bei realistischer Betrachtungsweise nur von einer Chance des Berechtigten ausgegangen werden konnte. Es musste ein im kommunalen Eigentum stehendes Grundstück zur Verfügung stehen, das im selben Stadt- oder Gemeindegebiet belegen war, wie das Grundstück, dessen Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs ausgeschlossen war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. und vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O.) setzte dies voraus, dass ein Grundstück dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen von der Gemeinde zur Verfügung gestellt worden war. Das Immobilieneigentum, das den im Jahre 1990 neu gegründeten Gemeinden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vor und infolge der Wiedervereinigung zugefallen ist, diente und dient aber vorrangig der Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben. Die Gemeinden mussten daher Grundstücke, die sie aktuell oder in Zukunft für ihre Zwecke benötigten, nicht als Ersatzgrundstücke zur Verfügung stellen. Sie hatten insoweit einen weiten kommunalpolitischen Spielraum (vgl. Urteile vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. S. 209 f. und vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 87 f.).
Der Eigentumsübertragung durften darüber hinaus keine berechtigten Interessen entgegenstehen (§ 9 Satz 3 VermG a.F. i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 VermG). Berechtigte Interessen standen insbesondere entgegen, wenn Mieter und Nutzer erhebliche Aufwendungen zur Werterhöhung oder Werterhaltung eines Objekts getätigt hatten (§ 9 Satz 3 VermG a.F. i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 2 VermG).
Lagen alle Voraussetzungen für die Übereignung eines Ersatzgrundstücks vor, überstieg aber die Zahl der Berechtigten die Zahl der zur Verfügung stehenden Grundstücke, musste darüber hinaus das Vermögensamt eine Auswahl unter den Berechtigten treffen, und zwar sobald Ersatzgrundstücke zur Verfügung standen (vgl. Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 92). Unvermeidbare Folge hiervon war, dass die von den Berechtigten kaum beeinflussbare Bearbeitungsreihenfolge und Bearbeitungsgeschwindigkeit der Vermögensämter und der Gerichte sich auf den Kreis der gegebenenfalls konkurrierenden Bewerber um Ersatzgrundstücke und damit zwangsläufig auf die tatsächlichen Erfolgschancen auswirkte (vgl. Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 92 f.). Dass im Falle eines Berechtigten sämtliche Voraussetzungen für die Übereignung eines Ersatzgrundstücks vorliegen und auch noch die Auswahl unter mehreren Berechtigten auf ihn fällt, wäre – bei Fortbestehen des § 9 VermG – jedenfalls nicht die Regel, möglicherweise sogar nur eine Ausnahme gewesen. Ob sich die dem Berechtigten durch § 9 VermG eingeräumte Chance verwirklicht hätte, blieb also für ihn ungewiss.
Bloße Chancen werden aber durch das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) nicht geschützt (vgl. BVerfGE 78, 205 ≪211≫ m.w.N.). Vielmehr kann Eigentum im Sinne des Art. 14 GG nur eine Rechtsposition sein, die einem Rechtssubjekt bereits zusteht (vgl. BVerfGE 20, 31 ≪34≫). Das Bundesverfassungsgericht hat die wesentlichen Merkmale des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums darin gesehen, dass ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist (vgl. BVerfGE 83, 201 ≪209≫ m.w.N.).
b) Die Streichung von § 9 VermG verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gleichheitsgrundsatz setzt der Gesetzgebung lediglich eine äußerste Grenze. Der Gesetzgeber ist weitgehend frei, Lebenssachverhalte gleich oder verschieden zu behandeln. Die Grenzen des Willkürverbots werden erst dann überschritten, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt (stRspr, vgl. u.a. BVerfGE 55, 72 ≪89 f.≫ und Urteil vom 25. März 1998 – BVerwG 8 C 11.97 – BVerwGE 106, 281 ≪288≫ = Buchholz 415.1 Allgemeines Kommunalrecht Nr. 146, S. 32 ≪38≫).
Die Gründe des Gesetzgebers für die Aufhebung von § 9 VermG sind sachgerecht:
Die Arbeit der Gemeinden, der Vermögensämter sowie der Verwaltungsgerichte sollte erleichtert werden. Für diese hätte nämlich der Vollzug der Ersatzgrundstücksregelung einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht. Die Gemeinden hätten ihren gesamten Grundstücksbestand daraufhin überprüfen müssen, welche Grundstücke den Vermögensämtern als Ersatzgrundstücke zur Verfügung gestellt werden können (vgl. Urteil vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. S. 210). In die Prüfung hätten auch alle Grundstücke kommunaler Wohnungsbaugesellschaften einbezogen werden müssen (vgl. Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 90). Die Vermögensämter hätten Versagungsgründe der Gemeinden ggf. im Wege der Amtshilfe unter Einschaltung der Kommunalaufsicht überprüfen müssen (vgl. Urteil vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 91) und eine Auswahl unter mehreren Berechtigten treffen müssen. Für die Auswahl hätten sie – anhand der notwendigerweise nur sehr allgemeinen Vorgaben durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. S. 215 und vom 5. April 2000 – BVerwG 8 C 22.99 – a.a.O. S. 91) – Auswahlkriterien entwickeln müssen. Mit einer größeren Zahl von Klagen von Berechtigten, die aufgrund eines Auswahlverfahrens kein Ersatzgrundstück erhalten hätten, wäre zu rechnen gewesen.
Mit der Streichung von § 9 VermG sollten hohe finanzielle Belastungen, die sonst auf den Entschädigungsfonds zugekommen wären, vermieden werden. Die Gemeinden hätten wegen des Eigentumsverlusts an den von ihnen bereit gestellten Grundstücken von diesem den vollen Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen können (vgl. Urteil vom 17. September 1998 – BVerwG 7 C 6.98 – a.a.O. S. 212). Der Entschädigungsfonds hätte deshalb möglicherweise einige Milliarden DM an Gemeinden zahlen müssen. Dies wiederum hätte dazu führen können, dass der Bund dem Entschädigungsfonds erhebliche zusätzliche Mittel zuführen muss.
Der Gesetzgeber wollte schließlich alle Entschädigungsberechtigten gleich behandeln. Dies war nach der bisherigen Rechtslage nicht der Fall. Berechtigte, die Entschädigung durch Übereignung eines Ersatzgrundstücks erhalten hätten (§ 9 Satz 1 VermG a.F.), hätten – auf Kosten der Allgemeinheit – wertmäßig weit mehr erhalten, als Berechtigte, die nach dem Entschädigungsgesetz entschädigt worden wären (§ 9 Satz 2 VermG a.F. i.V.m. EntschG). Diese Ungleichbehandlung wurde durch die Gesetzesänderung beseitigt. Unabhängig davon, ob die bisher bestehende Ungleichbehandlung der Entschädigungsberechtigten willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG) war oder nicht, ist auch dies ein sachlicher Grund für die Gesetzesänderung (zu den Gründen des Gesetzgebers vgl. Deutschen Bundestag, Protokoll Nr. 47 ≪7. Ausschuss≫ und Protokoll Nr. 40 ≪6. Ausschuss≫ über die öffentliche Anhörung des Finanzausschusses und des Rechtsausschusses am 19. Januar 2000).
Der Gesetzgeber durfte also die Bestimmung des § 9 VermG streichen. Die dadurch entstehende Ungleichbehandlung der Berechtigten, die nun keine Chance mehr haben, ein Ersatzgrundstück zu bekommen, mit den Berechtigten, denen bereits ein Ersatzgrundstück übereignet worden ist, hätte nur vermieden werden können, wenn Letztere zur Rückübertragung der Grundstücke verpflichtet worden wären. Zu einer solchen Regelung verpflichtete der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) den Gesetzgeber aber nicht. Diejenigen, denen bereits ein Ersatzgrundstück übereignet worden war, hatten bereits grundgesetzlich geschütztes Eigentum erlangt, auf dessen Bestand sie grundsätzlich vertrauen durften. Hätte der Gesetzgeber sie zur Rückübertragung verpflichtet, wäre dies wegen der echten Rückwirkung, die einer solchen gesetzlichen Regelung zugekommen wäre, verfassungsrechtlich zumindest bedenklich gewesen. Die übrigen Berechtigten hatten dagegen – wie dargelegt – lediglich eine durch das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) nicht geschützte Chance. Dies rechtfertigt jedenfalls eine Ungleichbehandlung beider Gruppen.
Aus alledem ergibt sich zugleich, dass – selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen die früheren Ansprüche aus § 9 VermG als vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst ansehen wollte – eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung vorläge und dass der Gesetzgeber die Grenzen der Zulässigkeit von Regelungen mit unechter Rückwirkung beachtet hat.
Schließlich ist es verfassungsrechtlich ohne Bedeutung, dass die Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 für Fälle, in denen die Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs ausgeschlossen ist, auch die Übereignung von Ersatzgrundstücken vorsieht (vgl. Ziff. 3b GemErkl). Die Gemeinsame Erklärung ist zwar Bestandteil des Einigungsvertrags (Art. 41 Abs. 1 EVertr). Auch ist in Art. 41 Abs. 3 EVertr vereinbart, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Rechtsvorschriften erlassen wird, die der Gemeinsamen Erklärung widersprechen. Diese Vorschrift hat aber keinen Verfassungsrang, sondern kann als Bundesrecht (vgl. Art. 45 Abs. 2 EVertr) vom Bundesgesetzgeber geändert werden. Rechte aus dem Einigungsvertrag zugunsten der DDR und ihrer Länder können zwar von den neuen Ländern geltend gemacht werden (Art. 44 EVertr). Von einer Gesetzesänderung betroffene Bürger können aber nicht die Einhaltung des Einigungsvertrags beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Postier
Fundstellen
Haufe-Index 1349585 |
NJW 2001, 3065 |
BuW 2001, 875 |
BVerwGE, 291 |
ZAP 2001, 1388 |
NJ 2001, 497 |