Mit Erfolg! Die vom Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümer gefassten Beschlüsse seien nichtig. Der Verwalter habe in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen und damit gegen Rechtsvorschriften verstoßen, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden könne. Ein solcher Eingriff liege darin, dass den Wohnungseigentümern unentziehbare Mitwirkungsrechte entzogen worden seien: Sie seien an der persönlichen Teilnahme und Stimmabgabe in der Versammlung gehindert worden. So liege es nämlich, wenn die Wohnungseigentümer in der Einladung zu der Versammlung darauf hingewiesen würden, dass sich nur 2 Personen in dem für die Versammlung vorgesehenen Raum aufhalten dürften und die Versammlung sofort abgebrochen werde, sofern Wohnungseigentümer zur Versammlung erscheinen würden. In der Einladung sei eine klare Aufforderung zu sehen, der Versammlung fernzubleiben und dem Verwalter eine Stimmrechtsvollmacht zu erteilen. Diese Einschränkung der Teilnahme- und Stimmrechte der Wohnungseigentümer sei auch nicht in der COVID-19-Pandemie gerechtfertigt. Im Übrigen hätte eine Versammlung unter Beachtung der geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen ohne Weiteres durchgeführt werden können. Es wäre Aufgabe des Verwalters gewesen, gegebenenfalls einen geeigneten Saal für die Durchführung der Versammlung anzumieten, in welchem die erforderlichen Abstände hätten eingehalten werden können. Alternativ hätte die Abhaltung der Versammlung verschoben werden müssen, bis eine Besserung der Lage eingetreten wäre.
Hinweis
Die Entscheidung reiht sich in die AG-Phalanx ein, deren Credo lautet: Eine Vertreterversammlung ist möglich. Der Verwalter darf diese Möglichkeit anbieten, sie aber nicht als alternativlos darstellen. Das mittelbare, gegebenenfalls nur suggerierte Verbot, der Wohnungseigentümer dürfe nicht zur Versammlung erscheinen, darf nicht ausgesprochen werden.
Beschluss außerhalb der Versammlung
- Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt. Dazu müssen die Wohnungseigentümer in einer Versammlung mehrheitlich oder schriftlich allstimmig nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG beschließen, dass ein Beschluss zu einem konkreten Gegenstand mehrheitlich schriftlich gefasst werden kann. Der Beschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG muss immer einen einzelnen Gegenstand betreffen, was allerdings auch der Fall ist, wenn über eine Maßnahme und ihre Finanzierung ein Beschluss gefasst werden soll und also bei allen teilbaren Beschlüssen. Allerdings ist es möglich, für mehrere konkrete Gegenstände auch mehrere Beschlüsse zu fassen. Keine Beschlusskompetenz besteht hingegen für einen Beschluss, abstrakt unbekannte Gegenstände nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG mehrheitlich zu beschließen.
- Diese neue Regelung führt in der Praxis noch zu Missverständnissen. Ich habe z. B. Folgendes gelesen: "Sehr geehrte Eigentümerin, sehr geehrter Eigentümer, die Frist zur Abgabe der Abstimmung im Umlaufbeschlussverfahren ist nun verstrichen. Umlaufbeschlüsse, die nicht unterschrieben bzw. nicht zurückgesendet wurden, sind als Enthaltung berücksichtigt. Seit dem 1.12.2020 hat sich auch dieses Verfahren geändert, da ab diesem Datum keine Allstimmigkeit mehr erforderlich ist, die zu einer Beschlussfassung bislang notwendig war." Diese Aussagen sind falsch.
- Noch unklar ist, was gilt, wenn der Verwalter dennoch einen Beschluss feststellt. Dieser ist jedenfalls anfechtbar, gegebenenfalls aber auch nichtig oder "Nichtbeschluss".