1 Leitsatz

Erfüllungsort für die Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, § 18 Abs. 4 WEG, ist nach der Natur des Schuldverhältnisses, § 269 Abs. 1 BGB, immer der Geschäftsraum des Verwalters.

2 Normenkette

§ 18 Abs. 4 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer streiten um die Frage, wer in ihrer Wohnungseigentumsanlage die Verwaltung führen soll. Im Rahmen dieses Streites wird die Frage aufgeworfen, an welchem Ort ein Wohnungseigentümer die Verwaltungsunterlagen einsehen kann.

4 Die Entscheidung

Das AG meint, Erfüllungsort für die Einsicht in die Verwaltungsunterlagen sei nach der Natur des Schuldverhältnisses, § 269 Abs. 1 BGB, immer der Geschäftsraum des Verwalters als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, also nicht nur dann, wenn sich dessen Geschäftsräume in zumutbarer Entfernung zum gemeinschaftlichen Grundstück befänden (Hinweis auf a. A. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 371).

Es könne zwar gegen das Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen, einen Verwalter zu bestellen, dessen Geschäftsraum sehr weit vom gemeinschaftlichen Grundstück entfernt liege. Sei die Bestellung gültig, sei dieser Ort der Einsichtnahme aber hinzunehmen. Eine "flexible Bestimmung anhand der Interessenlage" (so Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 371) schaffte Unsicherheit für Wohnungseigentümer und Verwalter. Es existiere kein eindeutiges Abgrenzungskriterium dafür, was noch eine zumutbare Entfernung zum gemeinschaftlichen Grundstück sei. Es sei auch keinem Verwalter zumutbar bzw. würde die Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erheblich erhöhen, wenn ein Verwalter zwecks Einsichtnahmen, deren Ausübung nach § 18 Abs. 4 WEG nur durch § 242 BGB begrenzt werde, jedes Mal das gemeinschaftliche Grundstück aufsuchen müsste. Für die Einsichtgewährung in digitale Unterlagen sei darüber hinaus regelmäßig eine Datenverbindung (LAN oder W-LAN) erforderlich, da digitale Unterlagen in der Regel nicht lokal auf einem Rechner, sondern auf einem zentralen Server bzw. in einer Cloud gespeichert seien. Allein praxistauglich und damit § 269 Abs. 1 BGB entsprechend sei daher der Geschäftsraum des Verwalters als Erfüllungsort der Einsichtnahme.

5 Hinweis

Problemüberblick

Bis zur WEG-Reform war unstreitig, dass ein Wohnungseigentümer oder ein von ihm ermächtigter Drittnutzer die Verwaltungsunterlagen am Sitz der Verwaltung einzusehen hat. Diese Selbstverständlichkeit fand ihre Begründung im Kern in dem Umstand, dass die Verwaltung die Einsichtnahme schuldete und dabei eine originär eigene Aufgabe wahrnahm.

Diese Rechtfertigung lässt sich nicht mehr erhalten, da die Verwaltung im geltenden Recht nurmehr Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist. Die Verwaltung wird – formal betrachtet – von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geführt. Daher gibt es derzeit im Schrifttum Stimmen, die als Leistungsort für die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen die Wohnungseigentumsanlage ansehen. Insoweit ist es gerade aus Sicht der Verwaltungen wohltuend, dass das AG, ohne diese Stimmen auch nur zu nennen (Nachweise findet man beispielsweise bei BeckOK WEG/Elzer, 52. Ed. 3.4.2023, WEG § 18 Rn. 155), sich wenigstens pragmatisch für die m. E. allein vertretbare Ansicht entscheidet.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer es als wichtig empfinden, die Verwaltungsunterlagen beim Verwalter einzusehen. Beruft sich ein Wohnungseigentümer auf § 18 WEG, sollte die Verwaltung zwar einräumen, dass die Rechtslage unsicher sei, sich aber darauf berufen, dass die h. M. der Ansicht sei, es habe sich an der Rechtslage nichts geändert. Ergänzend kann man dann auf die vorstehende Entscheidung hinweisen.

6 Entscheidung

AG Heidelberg, Urteil v.19.4.2023, 45 C 103/22

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