1 Leitsatz
Ein Sondereigentümer hat einen Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss (hier: zum Austausch maroder Fenster und Türen), wenn das Ermessen der Wohnungseigentümer am Tag der Beschlussfassung auf "null" reduziert ist.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Im Jahr 2020 lehnen die Wohnungseigentümer den Antrag von Wohnungseigentümer K ab, Fenster und Türen seiner Räume im Souterrain ("Souterrain-Einheiten"), auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und in Abstimmung mit dem Denkmalschutz auszutauschen. Die Wohnungseigentümer meinen, K müsse nach der Gemeinschaftsordnung die Kosten selbst tragen. Dort heißt es u. a.: "Jeder Miteigentümer hat auf seine Kosten diejenigen Gebäudeteile, Anlagen und Teile von diesen, die entweder in seinem Sondereigentum oder seinem Sondernutzungsrecht stehen oder sich als Gemeinschaftseigentum im Bereich seines Sondereigentums befinden, ordnungsgemäß instandzuhalten bzw. instandzusetzen. (…) Die vorstehende Verpflichtung umfasst insbesondere: (…) b) die Türen und Fenster einschließlich Rahmen und Verglasung, ausgenommen den Farbanstrich der Außenseiten der Abschlusstüren und der Fenster; (…)."
Gegen diesen Beschluss geht K im Oktober 2020 vor. K meint, die Umlagevereinbarung in der Gemeinschaftsordnung gelte nicht für Fenster. Die für die Reparatur der Fenster erforderlichen Kosten (14.000 EUR bis 19.000 EUR), seien nach Miteigentumsanteilen auf alle Miteigentümer zu verteilen. Die anderen Wohnungseigentümer wenden ein, K's Beschlussantrag sei zu unbestimmt gewesen. Er sei nicht einmal als Grundlagenbeschluss haltbar gewesen.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! K habe einen Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss. Das Ermessen der Wohnungseigentümer sei im Fall auf "null" reduziert gewesen. Die Fenster und Türen der Souterrain-Einheiten müssten unstreitig repariert werden. Die Wohnungseigentümer hätten daher eine Reparatur nicht ablehnen dürfen.
Der Beschlussantrag sei auch nicht zu unbestimmt gewesen. Nach ihm seien die Fenster und Türen auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auszutauschen. Soweit es darüber hinaus in dem Antrag heiße, der Austausch solle "in Abstimmung mit dem Denkmalschutz" und "noch in diesem Jahr" stattfinden, ändere dies nichts. Zwar sei es richtig, dass noch ein weiterer Beschluss über das "Wie" der Maßnahme zu treffen sei, der die Einzelheiten regele. Für einen Grundlagenbeschluss sei dies aber unerheblich.
Sofern es im Antrag "auf Kosten der Gemeinschaft" heiße, sei dagegen nichts zu erinnern, da die Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG a. F. zu verteilen seien. Denn die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Umlagevereinbarung sei unwirksam (Hinweis auf BGH, Urteil v. 14.6.2019, V ZR 254/17).
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall möchte eine Wohnungseigentümerin eine Erhaltungsmaßnahme durchsetzen. Für diese soll die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Kosten tragen. Insoweit ist zu klären, wann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine Erhaltungsmaßnahme hat. Und zweitens ist zu klären, wer die Kosten für eine Erhaltungsmaßnahme zu tragen hat.
Anspruch auf eine Erhaltungsmaßnahme
Die Pflicht zur Instandhaltung und/oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (Erhaltung) ruht nach § 18 Abs. 1 WEG auf der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Für die Frage, wie diese ihrer Pflicht nachkommt, ob und in welchen Schritten sie eine sachlich gebotene (modernisierende) Erhaltung durchführt, besteht ein Ermessen. Ein Anspruch eines Wohnungseigentümers auf sofortige Durchführung einer sachgerechten Erhaltung besteht, wenn allein dieses Vorgehen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. So soll es liegen, wenn bauliche Mängel vorhanden sind, die den zweckentsprechenden Gebrauch bzw. eine solche Nutzung des Sondereigentums erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen.
Um zu beurteilen, ob es so liegt, muss geklärt werden, wie das gemeinschaftliche Eigentum beschaffen sein muss. Im Fall geht es allerdings nicht um einen Beschluss zur Erhaltung, mit dem im Einzelnen bestimmt wird, was zu tun ist, sondern um einen bloßen Grundlagenbeschluss. Bei Erhaltungsmaßnahmen ist nämlich ein "zweistufiges Verfahren" möglich. Dieses Verfahren liegt darin, zunächst einen Grundlagenbeschluss zu fassen, dessen Inhalt die Art der geplanten Maßnahme ist, und erst danach – nach Einholung von Angeboten – den eigentlichen Erhaltungsbeschluss zu fassen. Im Fall ist dem AG m. E. eher nicht zuzustimmen, dass der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Grundlagenbeschluss in diesem Sinne hatte. Dieser ist für sie völlig wertlos, Maßnahmen auf seiner Grundlage sind nicht einklagbar. Die Frage war daher möglicherweise, ob die Fenster und Türen sofort zu reparieren sind. Dafür sind die vom Gericht getroffenen Feststellungen gegebenenfalls zu "dünn".
Kosten einer Erhaltungsmaßnahme
Die Kosten für eine Erhaltungsmaßnahme sind nach dem dafür vereinbarten oder nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG beschlossenen Umlageschlüssel, subsidiär nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG umzulegen. Es kann ferner nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG verein...