Entscheidungsstichwort (Thema)
Anträge auf Eintragung einer Marke. Einzelfallprüfung. Nichtberücksichtigung der früheren Entscheidungen. Offenkundige Unzulässigkeit
Normenkette
EuGH-VerfO Art. 104; Richtlinie 89/104/EWG
Beteiligte
Bild digital (anciennement Bild.T-Online.de) |
ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart GmbH |
Bild digital GmbH & Co. KG, vormals Bild.T-Online.de AG & Co. KG |
Präsident des Deutschen Patent-und Markenamts |
Tenor
Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, die über eine Markenanmeldung zu entscheiden hat, ist nicht verpflichtet, die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der durch die Entscheidung 92/10/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 geänderten Fassung aufgeführten Eintragungshindernisse unberücksichtigt zu lassen und dem Antrag auf Eintragung deshalb stattzugeben, weil das Zeichen, dessen Eintragung als Marke begehrt wird, auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet wird, dessen Eintragung als Marke sie bereits gebilligt hat und das sich auf identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen bezieht.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 19. Dezember 2007, eingegangen beim Gerichtshof am 4. bzw. 8. Februar 2008, in den Verfahren
Bild digital GmbH & Co. KG, vormals Bild.T-Online.de AG & Co. KG (C-39/08),
ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart GmbH (C-43/08)
gegen
Präsident des Deutschen Patent-und Markenamts
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter J. Makarczyk und P. Kūris,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: R. Grass,
gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der durch die Entscheidung 92/10/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 (ABl. 1992, L 6, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/104).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bild digital GmbH & Co. KG, vormals Bild.T-Online.de AG & Co. KG (im Folgenden: Bild.T-Online.de), und der ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart GmbH (im Folgenden: ZVS) auf der einen und dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts auf der anderen Seite wegen dessen Entscheidung, die von den betreffenden Gesellschaften eingereichten Anträge auf Eintragung von Wort- und Bildmarken zurückzuweisen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 3 der Richtlinie 89/104 zählt die Hindernisse für die Eintragung einer Marke und die Gründe für die Ungültigkeit einer eingetragenen Marke auf. Art. 3 Abs. 1 bestimmt:
„Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft … der Ware oder Dienstleistung dienen können,
…”
Rz. 4
Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 89/104 heißt es:
„Den Mitgliedstaaten steht es weiterhin frei, Verfahrensbestimmungen für … die Ungültigkeit der durch Eintragung erworbenen Marken zu erlassen. …”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 5
In der Rechtssache C-39/08 geht der Ausgangsrechtsstreit auf die Weigerung des Deutschen Patent- und Markenamts zurück, die Wort- und Bildmarken Volks.Handy, Volks.Camcorder und Volks.Kredit einzutragen, die Bild.T-Online.de für bestimmte Waren oder Dienstleistungen angemeldet hatte. Vor dem Bundespatentgericht beruft sich Bild.T-Online.de darauf, dass das Deutsche Patent- und Markenamt in anderen Fällen ihren Anträgen auf Eintragung ähnlich gebildeter Zeichen für vergleichbare Waren und Dienstleistungen stattgegeben habe und deshalb nicht ohne Begründung von seiner Entscheidungspraxis abweichen dürfe.
Rz. 6
In der Rechtssache C-43/08 liegt dem Ausgangsrechtsstreit die Weigerung des Deutschen Patent- und Markenamts zugrunde, die von ZVS für bestimmte Waren und Dienstleistungen angemeldete Wortmarke SCHWABENPOST einzutragen, weil das entsprechende Zeichen nur die Verbindung zwischen der Sachangabe „Post” und der Herkunftsangabe „Schwaben” erkennen lasse. Vor dem Bundespatentgericht macht ZVS geltend, dass das Deutsche Patent- und Markenamt auf vergleichbare Art und Weise gebildete Zeichen, die ein konkurrierendes Unternehmen für dieselben Dienstleistungen vorgeschlagen habe, bereits eingetragen habe; sie begehre deshalb, gleichgeste...