Entscheidungsstichwort (Thema)
Informationsgesellschaft. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Speicherung und Weitergabe bestimmter Verkehrsdaten. Schutz der Vertraulichkeit in der elektronischen Kommunikation. Begriff ‚Vermittler’ im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG
Normenkette
EuGH-VerfO Art. 104
Beteiligte
LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten |
LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH |
Tele2 Telecommunication GmbH |
Tenor
1. Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, eine Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Verkehrsdaten an private Dritte zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverstößen aufzustellen. Die Mitgliedstaaten sind aber gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, darauf zu achten, dass ihrer Umsetzung der Richtlinien 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr), 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, 2002/58 und 2004/48 eine Auslegung derselben zugrunde liegt, die es erlaubt, die verschiedenen beteiligten Grundrechte miteinander zum Ausgleich zu bringen. Außerdem müssen die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit Letzteren auslegen, sondern auch darauf achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit den Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kollidiert.
2. Ein Access-Provider, der den Nutzern nur den Zugang zum Internet verschafft, ohne weitere Dienste wie insbesondere E-Mail, FTP oder File-Sharing anzubieten oder eine rechtliche oder faktische Kontrolle über den genutzten Dienst auszuüben, ist „Vermittler” im Sinne des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 13. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2007, in dem Verfahren
LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH
gegen
Tele2 Telecommunication GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Grass,
gemäß – hinsichtlich der zweiten Frage – Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann, nach Unterrichtung des vorlegenden Gerichts über die Absicht des Gerichtshofs, über die erste Frage gemäß Art. 104 § 3 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, nachdem den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs bezeichneten Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist,
nach Anhörung des Generalanwalts
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinien 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10), 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201, S. 37) und 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der LSG-Gesellschaft zur Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GmbH (im Folgenden: LSG) und der Tele2 Telecommunication GmbH (im Folgenden: Tele2) wegen deren Weigerung, der Erstgenannten die Namen und Anschriften der Personen mitzuteilen, denen sie einen Internetzugang bereitstellt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Die Bestimmungen über die Informationsgesellschaft und den Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere des Urheberrechts
– Die Richtlinie 2000/31/E...