Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Mit einem Einreiseverbot für die Dauer von drei Jahren verbundene Rückkehrentscheidung. Verstoß gegen das Einreiseverbot. Drittstaatsangehöriger, der zuvor abgeschoben worden war. Freiheitsstrafe bei erneuter illegaler Einreise in das Staatsgebiet. Zulässigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 2008/115/EG

 

Beteiligte

Celaj

Skerdjan Celaj

 

Tenor

Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen vorsieht, der nach einer im Rahmen eines früheren Rückkehrverfahrens erfolgten Rückkehr in sein Herkunftsland unter Verstoß gegen ein Einreiseverbot erneut illegal in das Hoheitsgebiet dieses Staates einreist, grundsätzlich nicht entgegensteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Firenze (Italien) mit Entscheidung vom 22. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juni 2014, in dem Strafverfahren gegen

Skerdjan Celaj

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D'Ascia, avvocato dello Stato,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vlácil als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Michelogiannaki als Bevollmächtigte,
  • der norwegischen Regierung, vertreten durch E. Widsteen und K. Moen als Bevollmächtigte,
  • der Schweizer Regierung, vertreten durch E. Bichet als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und A. Aresu als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348, S. 98).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Celaj, einen albanischen Staatsangehörigen, wegen dessen Einreise in das italienische Hoheitsgebiet unter Verstoß gegen ein für die Dauer von drei Jahren verhängtes Einreiseverbot.

Rechtlicher Rahmen

Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Rz. 3

Das am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnete Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) ist am 22. April 1954 in Kraft getreten. Es wurde durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzt (im Folgenden: Genfer Abkommen).

Rz. 4

Art. 31 Abs. 1 des Genfer Abkommens lautet:

„Die vertragschließenden Staaten werden wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen.”

Richtlinie 2008/115

Rz. 5

In den Erwägungsgründen 1, 4, 14 und 23 der Richtlinie 2008/115 heißt es:

„(1) Auf seiner Tagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere hat der Europäische Rat ein kohärentes Konzept im Bereich Migration und Asyl festgelegt, das die Schaffung eines gemeinsamen Asylsystems, eine Politik der legalen Einwanderung und die Bekämpfung der illegalen Einwanderung umfasst.

(4) Eine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik muss mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden.

(14) Die Wirkung der einzelstaatlichen Rückführungsmaßnahmen sollte durch die Einführung eines Einreiseverbots, das die Einreise in das Hoheitsgebiet sämtlicher Mitgliedstaaten und den dortigen Aufenthalt verbietet, europäischen Zuschnitt erhalten. …

(23) Die Anwendung dieser Richtlinie erfolgt unbeschadet der Verpflichtungen, die sich aus dem Genfer Abkommen … ergeben.”

Rz. 6

Art. 1 („Gegenstand”) de...

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