Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Kapitalverkehr. Artikel 56 EG. Verfahren der Erklärung des Erwerbs von Baugrundstücken. Rückwirkende Rechtsunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Fall einer vom Erwerber verspätet abgegebenen Erklärung
Beteiligte
Tenor
Artikel 56 Absatz 1 EG steht der Anwendung einer nationalen Regelung wie dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vom 23. September 1993 in geänderter Fassung entgegen, wonach die bloße verspätete Abgabe der geforderten Erklärung über den Erwerb zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des betreffenden Grundverkehrsgeschäfts führt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-213/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 29. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Mai 2004, in dem Verfahren
Ewald Burtscher
gegen
Josef Stauderer
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. Malenovský, J.-P. Puissochet (Berichterstatter), S. von Bahr und U. Lõhmus,
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Burtscher, vertreten durch die Rechtsanwälte G. Lins und T. Lins,
- von Herrn Stauderer, vertreten durch Rechtsanwalt W. Weh,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und S. Pfanner als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und H. Støvlbaek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 56 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Räumungsklage, die Herr Burtscher, der Eigentümer einer in der Gemeinde Sonntag gelegenen Liegenschaft, gegen Herrn Stauderer angestrengt hat, der Langzeitmieter dieser Immobilie ist und sich eines Anspruchs auf ihren Erwerb berühmt.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Artikel 56 Absatz 1 EG lautet:
„Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.”
Österreichisches Recht
4 Mit der Bundesverfassungsgesetznovelle vom 5. Juni 1992 (BGBl. Nr. 276/1992) wurden die Länder ermächtigt, bei Grundverkehrsgeschäften über Baugrundstücke Verwaltungskontrollen einzuführen.
5 Gemäß Artikel VII der Bundesverfassungsgesetznovelle 1974 (BGBl. Nr. 444/1974) wurden die Länder außerdem ermächtigt, im Allgemeininteresse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes grundverkehrsbehördliche Beschränkungen einzuführen.
6 Für das Land Vorarlberg bestimmt der mit „Genehmigungsfreier Erwerb, Erklärung” überschriebene Artikel 7 des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes vom 23. September 1993 (LGBl. Nr. 61/1993) in geänderter Fassung (LGBl. Nr. 29/2000, im Folgenden: VGVG):
„(1) Rechtserwerbe gemäß § 6 Abs. 1 an bebauten Baugrundstücken bedürfen keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn der Rechtserwerber der Grundverkehrs-Landeskommission oder der Gemeinde, in der das Grundstück liegt, schriftlich eine Erklärung gemäß Abs. 2 bis 4 abgibt.
(2) Der Erwerber hat zu erklären, dass
- das Grundstück bebaut ist,
- er österreichischer Staatsbürger ist oder – falls er keine natürliche Person ist – nicht als Ausländer gemäß § 2 Abs. 4 lit. b bis d gilt oder eine der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 2 erfüllt und
- der Erwerb zu Ferienzwecken oder nicht zu Ferienzwecken erfolgt.
(3) Mit der Erklärung hat der Erwerber Angaben zu machen, aus denen sich seine Identität und Staatsbürgerschaft bzw. der Umstand, dass er nicht als Ausländer gemäß § 2 Abs. 4 lit. b bis d gilt, bzw. seine Gleichstellung nach § 3 ergibt. Soweit ein Nachweis durch Urkunden möglich ist, sind diese vorzulegen.
…”
7 Artikel 17 VGVG hat folgenden Wortlaut:
„(1) Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ist schriftlich zu beantragen. Der Antrag hat die Angaben und Unterlagen zu umfassen, die zur Beurteilung erforderlich sind, insbesondere Angaben über den Zweck des Rechtserwerbes sowie eine Ausfertigung der Urkunden, aus welchen sich der Rechtsgrund des Rechtserwerbes ergibt.
(2) Der Antrag kann auch schon vor Abschluss des Vertrages, der Rechtsgrund des genehmigungsbedürftigen Rechtserwerbes ist, eingebracht werden. In diesem Fall muss er die wesentlichen Punkte des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäftes enthalten und von allen Parteien unterfertigt sein. Besteht der Rechtsgrund in einem Vertrag, so muss innerhalb von drei Monaten nach Vertragsabschluss der Antrag auf Genehmigung eingebracht oder die Erklärung abgegeben werden.
…”
8 Artikel 29 VGVG sieht vor:
„(1) Solange die nach diesem Gesetz erforderliche Genehmigung od...