Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Missbrauch einer beherrschenden Stellung. Markt für Breitband-Internetzugangsleistungen. Verdrängungspreise. Verlustausgleich. Anpassungsrecht
Beteiligte
France Télécom / Kommission |
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die France Télécom SA trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 10. April 2007,
France Télécom SA mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: J. Philippe, H. Calvet, O. W. Brouwer und T. Janssens, avocats,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Gippini Fournier als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. ilešič, A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. April 2008, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die France Télécom SA (im Folgenden: France Télécom) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission (T–340/03, Slg. 2007, II-107, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit der das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG-Vertrag (Sache COMP/38.233 – Wanadoo Interactive) (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
Rz. 2
Die Wanadoo Interactive SA (im Folgenden: WIN) war zur maßgebenden Zeit eine zur France-Télécom-Gruppe gehörende Gesellschaft, die in Frankreich im Sektor der Internet-Zugangsdienste einschließlich der ADSL-Dienste (Asymmetric Digital Subscriber Line, asymmetrischer, digitaler Teilnehmer-Anschluss) tätig war.
Rz. 3
In Art. 1 der streitigen Entscheidung stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass WIN von März 2001 bis Oktober 2002 „gegen Artikel 82 [EG] verstoßen [hat], indem [sie] im Rahmen einer Strategie zur Vereinnahmung des gerade im Entstehen begriffenen Marktes für Breitband-Internetzugänge für [ihre] Dienste eXtense und Wanadoo ADSL Verdrängungspreise festlegte, mit denen [sie] bis August 2001 [ihre] variablen Kosten und ab August 2001 [ihre] Vollkosten nicht decken konnte”. In Art. 2 dieser Entscheidung gab die Kommission WIN daher auf, diesen Verstoß abzustellen, und in Art. 4 der Entscheidung erlegte sie ihr eine Geldbuße in Höhe von 10,35 Millionen Euro auf.
Rz. 4
Am 2. Oktober 2003 erhob WIN, deren Rechtsnachfolgerin infolge einer Verschmelzung am 1. September 2004 France Télécom geworden ist, beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Diese Klage wurde mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.
Rz. 5
Mit ihrer Nichtigkeitsklage machte WIN als Klagegrund insbesondere einen Verstoß der Kommission gegen Art. 82 EG geltend. Mit einem der Teile dieses Klagegrundes trug WIN vor, die Kommission habe nicht rechtlich hinreichend bewiesen, dass sie mit der Anwendung von Verdrängungspreisen für die fraglichen Dienste von März 2001 bis Oktober 2002 eine beherrschende Stellung missbraucht habe, und sie habe eine Reihe von Rechtsfehlern begangen.
Rz. 6
Der fragliche Teil bestand aus zwei Gruppen von Argumenten, die die von der Kommission angewandte Methode zur Berechnung des Kostendeckungsgrads und die Prüfung des Vorliegens von Verdrängungspreisen durch die Kommission betrafen.
Rz. 7
In Bezug auf die Argumente hinsichtlich der Methode zur Berechnung des Kostendeckungsgrads hat das Gericht in den Randnrn. 129 und 130 des angefochtenen Urteils einleitend auf das weite Ermessen, das der Kommission bei komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen eingeräumt sei, und die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Einstufung eines Preises als Verdrängungspreis hingewiesen.
Rz. 8
Unter Bezugnahme u. a. auf die Urteile vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C-62/86, Slg. 1991, I-3359), und vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission (C-333/94 P, Slg. 1996, I-5951), hat das Gericht in Randnr. 130 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, „dass zum einen bei Preisen, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, vermutet werden kann, dass es sich um Verdrängungspreise handelt, und dass zum anderen Preise, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, als missbräuchlich anzusehen sind, wenn sie im Rahmen eines Plans festgelegt wurden, der die Ausschaltung eines Mitbewerbers bezweckt”.
Rz. 9
Nach diesem Hinweis hat das ...