Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Hypothekendarlehensvertrag. Variabler Zinssatz. Auf den Hypothekendarlehen der Sparkassen beruhender Referenzindex. Index, der sich aus einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift ergibt. Einseitige Einführung einer solchen Klausel durch den Gewerbetreibenden. Kontrolle der Transparenzerfordernisse durch den nationalen Richter. Folgen der Feststellung der Missbräuchlichkeit der Klausel
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Marc Gómez del Moral Guasch |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass die Klausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags, der zufolge der auf das Darlehen anwendbare Zinssatz auf einem der in nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen offiziellen Referenzindizes beruht, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen angewandt werden können, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn diese Vorschriften weder die unabdingbare Anwendung dieses Index noch seine dispositive Anwendung mangels einer abweichenden Vereinbarung der Parteien vorsehen.
2. Die Richtlinie 93/13 und insbesondere ihr Art. 4 Abs. 2 und ihr Art. 8 sind dahin auszulegen, dass das Gericht eines Mitgliedstaats eine Vertragsklausel, die sich auf den Hauptgegenstand des Vertrags bezieht, auf Klarheit und Verständlichkeit überprüfen muss, unabhängig davon, ob Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie in die Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats umgesetzt worden ist.
3. Die Richtlinie 93/13 und insbesondere ihr Art. 4 Abs. 2 und ihr Art. 5 sind dahin auszulegen, dass zur Einhaltung des Transparenzerfordernisses bei einer Vertragsklausel, mit der im Rahmen eines Hypothekendarlehensvertrags ein variabler Zinssatz festgelegt wird, diese Klausel nicht nur in formeller und grammatikalischer Hinsicht nachvollziehbar sein muss, sondern dass die Klausel es außerdem ermöglichen muss, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, zu verstehen, wie dieser Zinssatz konkret berechnet wird, und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen. Für die Prüfung, die das nationale Gericht in dieser Hinsicht anstellen muss, sind zum einen der Umstand, dass die Hauptelemente zur Berechnung dieses Zinssatzes für jedermann, der den Abschluss eines Hypothekendarlehens beabsichtigt, aufgrund der Veröffentlichung der Berechnungsmethode des fraglichen Satzes leicht zugänglich sind, und zum anderen die Bereitstellung von Informationen über die frühere Entwicklung des Index, auf dessen Grundlage der genannte Zinssatz berechnet wird, in besonderer Weise maßgebend.
4. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter nicht verwehren, bei Nichtigkeit einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die zur Berechnung der variablen Zinsen eines Darlehens einen Referenzindex festlegt, diesen Index durch einen gesetzlichen Index, der in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar ist, zu ersetzen, sofern der fragliche Hypothekendarlehensvertrag bei Wegfall der genannten missbräuchlichen Klausel nicht fortbestehen kann und die Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia n° 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 16. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren
Marc Gómez del Moral Guasch
gegen
Bankia SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan, M. Safjan und S. Rodin (Berichterstatter), der Richter L. Bay Larsen, T. von Danwitz, D. Šváby und F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Gómez del Moral Guasch, vertreten durch J. M. Erausquin Vázquez, A. Benavente Antolín, M. Ortiz Perez und S. Moreno de Lamo, abogados,
- der Bankia SA, vertreten durch R. Fernández-Aceytuno Sáenz de Santamaría, F. Manzanedo González, M. Muñoz García Liñán, V. Rodríguez de Vera Casado, L. Briones Bori und A. Fernández García, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego und ...