Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Europäischen Union. Pflicht des Roaminganbieters zur automatischen Anwendung des regulierten Roamingtarifs. Anwendung auf Verbraucher, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 einen spezifischen Roamingtarif gewählt hatten
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 531/2012 Art. 6a, 6e Abs. 3
Beteiligte
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V |
Telefónica Germany GmbH & Co. OHG |
Tenor
Art. 6a und Art. 6e Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union in der durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Roaminganbieter ab dem 15. Juni 2017 verpflichtet waren, den u. a. in Art. 6a dieser Verordnung vorgesehenen regulierten Roamingtarif automatisch auf alle ihre Kunden anzuwenden, und zwar unabhängig davon, ob die Kunden zuvor einen regulierten Roamingtarif oder einen anderen Tarif als den regulierten Roamingtarif gewählt hatten, es sei denn, dass sie vor dem Stichtag des 15. Juni 2017 gemäß dem dafür in Art. 6e Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung vorgesehenen Verfahren ausdrücklich erklärt haben, dass sie einen solchen anderen Tarif nutzen möchten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht München I (Deutschland) mit Entscheidung vom 4. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Juli 2019, in dem Verfahren
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
gegen
Telefónica Germany GmbH & Co. OHG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský und N. Wahl (Berichterstatter),
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, vertreten durch Rechtsanwalt H. Plassmeier,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6a und Art. 6e Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (ABl. 2012, L 172, S. 10) in der durch die Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 (ABl. 2015, L 310, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 531/2012).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Telefónica Germany GmbH & Co. OHG, einer Anbieterin von Telekommunikationsdiensten, die u. a. unter dem Namen „O2” tätig ist, und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Deutschland) (im Folgenden: Bundesverband) über dessen Unterlassungsklage gegen die Verfahrensweise von O2 in Bezug auf die Modalitäten der Umstellung auf den neuen auf Unionsebene regulierten Roamingtarif nach Abschaffung der Endkunden-Roamingaufschläge in der Union mit Wirkung vom 15. Juni 2017.
Rechtlicher Rahmen
VerordnungNr. 531/2012
Rz. 3
In Art. 2 Abs. 2 Buchst. r der Verordnung Nr. 531/2012 wird der „inländische Endkundenpreis” wie folgt definiert:
„‚inländischer Endkundenpreis’ ist das inländische Endkundenentgelt pro Einheit, das der Roaminganbieter für Anrufe und versendete SMS-Nachrichten (die in verschiedenen öffentlichen Kommunikationsnetzen im selben Mitgliedstaat abgehen und ankommen) und für die von einem Kunden genutzten Daten berechnet. Falls es kein spezifisches inländisches Endkundenentgelt pro Einheit gibt, ist davon auszugehen, dass für den inländischen Endkundenpreis derselbe Mechanismus zur Berechnung des Entgelts angewandt wird wie wenn der Kunde den Inlandstarif für Anrufe und versendete SMS-Nachrichten (die in verschiedenen öffentlichen Kommunikationsnetzen im selben Mitgliedstaat abgehen und ankommen) sowie genutzte Daten in seinem Mitgliedstaat nutzen würde”.
Rz. 4
Art. 6a „Abschaffung von Endkunden-Roamingaufschlägen”) dieser Verordnung bestimmt:
„Roaminganbieter dürfen ihren Roamingkunden ab dem 15. Juni 2017, … vorbehaltlich der Artikel 6b und 6c, für die Abwicklung abgehender oder ankommender regulierter Roaminganrufe, für die Abwicklung versendeter regulierter SMS-Roamingnachrichten oder für die Nutzung regulierter Datenroamingdienste, einschließlich MMS-Nachrichten, im Vergleich mit dem...