Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Geltungsbereich. Nationale Vorschrift, die einen Höchstbetrag der zinsunabhängigen Kreditkosten vorsieht. Vertragsklausel, die Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit des Darlehensgebers auf den Verbraucher abwälzt. Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Rechten und den Pflichten der Vertragspartner. Verpflichtung, Vertragsklauseln klar und verständlich abzufassen. Vertragsklauseln, die die Dienstleistungen, die sie vergüten sollen, nicht einzeln angeben. Nationale Rechtsvorschriften, die die Art der Berechnung des Höchstbetrags der zinsunabhängigen Kreditkosten festlegen, die dem Verbraucher in Rechnung gestellt werden können
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2; Richtlinie 2008/48/EG Art. 3 Buchst. g
Beteiligte
Tenor
1. Art. 3 Buchst. g und Art. 22 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften über den Verbraucherkredit nicht entgegenstehen, mit denen eine Berechnungsweise für den Höchstbetrag der dem Verbraucher anlastbaren zinsunabhängigen Kreditkosten festgelegt wird, auch wenn diese Berechnungsweise es dem Gewerbetreibenden ermöglicht, einen Teil der mit der Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängenden Gemeinkosten vom Verbraucher tragen zu lassen, sofern diese Rechtsvorschriften nicht durch ihre diesen Höchstbetrag betreffenden Bestimmungen gegen die Vorschriften verstoßen, die durch diese Richtlinie harmonisiert wurden.
2. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in der durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Vertragsklausel, die die zinsunabhängigen Kreditkosten im Rahmen der durch nationale Rechtsvorschriften über Verbraucherkredite eingeführten Obergrenze festlegt, nicht vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen ist, wenn diese Rechtsvorschriften vorsehen, dass die zinsunabhängigen Kreditkosten für den Teil, der diese Grenze oder den Gesamtkreditbetrag überschreitet, nicht geschuldet werden.
3. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Klauseln eines Verbraucherkreditvertrags, die dem Verbraucher andere Kosten als die Rückzahlung des Kredits in Kapital und Zinsen auferlegen, nicht unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme fallen, wenn diese Klauseln weder die Art dieser Kosten noch die Dienstleistungen, die sie vergüten sollen, einzeln angeben und derart gefasst sind, dass sie den Verbraucher hinsichtlich seiner Verpflichtungen und der wirtschaftlichen Folgen dieser Klauseln irreführen, was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt.
4. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in der durch die Richtlinie 2011/83 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Vertragsklausel über zinsunabhängige Kreditkosten, die diese Kosten unterhalb einer gesetzlichen Obergrenze festlegt und Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit des Darlehensgebers auf den Verbraucher abwälzt, ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Rechten und den Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil des Verbrauchers verursachen kann, wenn sie diesem Kosten auferlegt, die gegenüber den erhaltenen Leistungen und dem bereitgestellten Darlehensbetrag unverhältnismäßig sind, was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht zum einen vom Sąd Rejonowy Szczecin – Prawobrzeże i Zachód w Szczecinie (Rayongericht Stettin – Stettin-Rechtes Ufer und -West, Polen) (C-84/19) mit Entscheidung vom 28. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2019, und zum anderen vom Sąd Rejonowy w Opatowie (Rayongericht Opatów, Erste Zivilabteilung, Polen) mit Entscheidungen vom 4. Februar 2019 (C-222/19) und vom 31. Januar 2019 (C-252/19), beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2019 und am 20. März 2019, in den Verfahren
Profi Credit Polska SA
gegen
QJ (C-84/19)
und
BW
gegen
DR (C-222/19)
und
QL
gegen
CG (C-252/19)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie des Richters N. Jääskinen,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von BW, vertreten durch K. Tomczyk, radca prawny,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und S. Šindelková als...