Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Elektronische Kommunikation. Richtlinie 2002/19/EG. Richtlinie 2002/21/EG. Richtlinie 2002/22/EG. Netze und Dienste. Nationale Regulierung. Neue Märkte
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch den Erlass von § 9a des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie), aus den Art. 6 bis 8 Abs. 1 und 2, Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) sowie aus Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) verstoßen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 13. September 2007,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun und A. Nijenhuis als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma als Bevollmächtigten im Beistand von Professor C. Koenig und Rechtsanwalt S. Loetz,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis (Berichterstatter) und T. von Danwitz,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. April 2009
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) (ABl. L 108, S. 7), aus den Art. 6 bis 8 Abs. 1 und 2, Art. 15 Abs. 3 und Art. 16 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 108, S. 33) sowie aus Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. L 108, S. 51) verstoßen hat, dass sie mit dem Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. 2007 I S. 106) in das Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. 2004 I S. 1190, im Folgenden: TKG) die §§ 3 Nr. 12b und 9a eingefügt hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 2
Art. 8 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie bestimmt:
„Die nach diesem Artikel auferlegten Verpflichtungen müssen der Art des aufgetretenen Problems entsprechen und müssen im Hinblick auf die Ziele des Artikels 8 der [Rahmenrichtlinie] angemessen und gerechtfertigt sein. Die Verpflichtungen dürfen nur nach der Anhörung gemäß den Artikeln 6 und 7 jener Richtlinie auferlegt werden.”
Rz. 3
Der 27. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie lautet:
„Vorabverpflichtungen sollten nur auferlegt werden, wenn kein wirksamer Wettbewerb besteht, d. h. auf Märkten, auf denen es ein oder mehrere Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gibt, und die Instrumente des nationalen und gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts nicht ausreichen, um das Problem zu lösen. Daher ist es erforderlich, dass die Kommission im Einklang mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts Leitlinien auf Gemeinschaftsebene festlegt, die von den nationalen Regulierungsbehörden [im Folgenden: NRB] bei der Beurteilung der Frage, ob auf einem bestimmten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht und eine beträchtliche Marktmacht vorliegt, eingehalten werden müssen. Die [NRB] sollten untersuchen, ob auf dem Markt für bestimmte Produkte oder Dienste in einem bestimmten geografischen Gebiet ein wirksamer Wettbewerb herrscht, wobei sich dieses Gebiet auf die Gesamtheit oder einen Teil des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats oder auf als Ganzes betrachtete benachbarte Gebiete von Mitgliedstaaten erstrecken könnte. Die Untersuchung der tatsächlichen Wettbewerbssituation sollte auch eine Klärung der Fra...