Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 93/13/EWG. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Rechtswirkungen einer missbräuchlichen Klausel. Befugnis und Verpflichtung des nationalen Gerichts, die Missbräuchlichkeit einer Gerichtsstandsklausel von Amts wegen zu prüfen. Beurteilungskriterien
Beteiligte
Tenor
1. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass eine missbräuchliche Vertragsklausel für den Verbraucher nicht verbindlich ist, und dass es hierzu nicht erforderlich ist, dass der Verbraucher sie vorher erfolgreich angefochten hat.
2. Das nationale Gericht ist verpflichtet, die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel von Amts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt. Ist es der Auffassung, dass eine solche Klausel missbräuchlich ist, so lässt es sie unangewendet, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht. Diese Verpflichtung obliegt dem nationalen Gericht auch bei der Prüfung seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit.
3. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob eine Vertragsklausel wie die, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, die Kriterien erfüllt, um als missbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 qualifiziert zu werden. Dabei hat das nationale Gericht zu beachten, dass eine Klausel, die in einen Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden aufgenommen worden ist, ohne im Einzelnen ausgehandelt worden zu sein, und die ausschließliche Zuständigkeit dem Gericht zuweist, in dessen Bezirk der Gewerbetreibende seinen Sitz hat, als missbräuchlich angesehen werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Budaörsi Városi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 22. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juni 2008, in dem Verfahren
Pannon GSM Zrt.
gegen
Erzsébet Sustikné Győrfi
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. April 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Pannon GSM Zrt., vertreten durch J. Vitári, C. Petia und B. Bíró, ügyvédek,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, R. Somssich, K. Borvölgyi und M. Fehér als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigten,
- der französischen Regierung, vertreten durch B. Cabouat und R. Loosli-Surrans als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und A. Hable als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von T. de la Mare, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und B. Simon als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Unternehmens Pannon GSM Zrt. (im Folgenden: Pannon) gegen Frau Sustikné Győrfi wegen Erfüllung eines zwischen ihnen geschlossenen Telefonabonnementvertrags.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsregelung
Rz. 3
Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ist Zweck der Richtlinie die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.
Rz. 4
Art. 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.
(2) Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte.
…
(3) Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.”
Rz. 5
In Nr. 1 Buchst. q dieses Anhangs sind Klauseln aufgeführt, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass
„dem Verbraucher die Mögli...