Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Bescheinigung nach Anhang I über eine Entscheidung in Zivil- und Handelssachen. Befugnisse des Ursprungsgerichts. Prüfung von Amts wegen zur Feststellung, ob Verstöße gegen die Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbraucherverträgen vorliegen

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 53

 

Beteiligte

Salvoni

Alessandro Salvoni

Anna Maria Fiermonte

 

Tenor

Art. 53 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/281 der Kommission vom 26. November 2014 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er es dem Ursprungsgericht, bei dem die Ausstellung der in diesem Art. 53 vorgesehenen Bescheinigung in Bezug auf eine rechtskräftige Entscheidung beantragt wird, nicht erlaubt, von Amts wegen zu prüfen, ob gegen die Vorschriften des Kapitels II Abschnitt 4 dieser Verordnung verstoßen wurde, um den Verbraucher über einen eventuell festgestellten Verstoß zu informieren und es ihm zu erlauben, in Kenntnis der Sachlage die Möglichkeit zu erwägen, von dem in Art. 45 der genannten Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf Gebrauch zu machen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Milano (Gericht Mailand, Italien) mit Entscheidung vom 14. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Mai 2018, in dem Verfahren

Alessandro Salvoni

gegen

Anna Maria Fiermonte

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Pucciariello, avvocato dello Stato,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und A. Kasalická als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch J. Quaney, G. Hodge, M. Browne und A. Joyce als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Moro, M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Mai 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 53 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/281 der Kommission vom 26. November 2014 (ABl. 2015, L 54, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1215/2012) und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Alessandro Salvoni und Frau Anna Maria Fiermonte wegen der Beträge, die sie ihm für die von ihm erbrachten Leistungen als Rechtsanwalt schuldet.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 29 und 32 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(29) … [D]er Schuldner [sollte] die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung einer Entscheidung beantragen können, wenn er der Auffassung ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Anerkennung vorliegt.

(32) Um den Schuldner über die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung zu unterrichten, sollte die gemäß dieser Verordnung ausgestellte Bescheinigung – erforderlichenfalls zusammen mit der Entscheidung – dem Schuldner innerhalb einer angemessenen Frist vor der ersten Vollstreckungsmaßnahme zugestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte als erste Vollstreckungsmaßnahme die erste Vollstreckungsmaßnahme nach einer solchen Zustellung gelten.”

Rz. 4

Die Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 1215/2012 stehen in Kapitel II, das die gerichtliche Zuständigkeit betrifft, und zwar in dessen Abschnitt 4 „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen”). Art. 17 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht vor:

„(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 6 und des Artikels 7 Nummer 5 nach diesem Abschnitt,

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt od...

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