Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 168 Buchst. a
Beteiligte
Voestalpine Giesserei Linz |
Voestalpine Giesserei Linz GmbH |
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj, Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca |
Verfahrensgang
Curtea de Apel Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 03.07.2023; ABl. EU 6.11.2023, C/2023/499,) |
Tenor
1. Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erworben hat, den er anschließend einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten dieses Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, der Abzug der Vorsteuer für den Erwerb dieses Gegenstands versagt wird, sofern diese Zurverfügungstellung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, einen oder mehrere besteuerte Ausgangsumsätze auszuführen oder andernfalls seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und sofern die Kosten für den Erwerb dieses Gegenstands zu den Kostenelementen entweder der von dem Steuerpflichtigen ausgeführten Umsätze oder der von ihm im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen gehören.
2. Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuerprüfung erfolgt, geführt habe, sofern die Steuerbehörden in der Lage sind, nachzuprüfen, ob die materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien) mit Entscheidung vom 3. Juli 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Juli 2023, in dem Verfahren
Voestalpine Giesserei Linz GmbH
gegen
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj,
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Voestalpine Giesserei Linz GmbH, vertreten durch C. Dragoman, Avocat,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch R. Antonie, E. Gane und L. Ghiţă als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und M. Herold als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen des Titels X der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Voestalpine Giesserei Linz GmbH (im Folgenden: VGL) auf der einen Seite und der Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Cluj, Rumänien) sowie der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) (im Folgenden zusammen: Finanzverwaltung) auf der anderen Seite über die Versagung des Abzugs der Vorsteuer, die beim Erwerb eines Gegenstands durch VGL – den diese einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten von VGL unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat – entrichtet wurde, durch die Finanzverwaltung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Titel X („Vorsteuerabzug”) der Richtlinie 2006/112 umfasst fünf Kapitel. In Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug”) dieses Titels steht u. a. Art. 168 der Richtlinie. Dieser sieht vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
…”
Rz. 4
Titel XI der Richtlinie über u. a. die Pflichten der Steuerpflichtigen enthält ein Kapitel 4 („Aufzeichnungen”), in dem sich Art. 242 der Richtlinie findet, der bestimmt:
„Jeder Steuerpflichtige hat Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen.”
Rumänisches Recht
Rz. 5
Art. 297 ...