Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Regelung der Verschmelzung von Aktiengesellschaften. Verschmelzung durch Aufnahme. Wirkungen. Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft. Zuwiderhandlung der übertragenden Gesellschaft vor der Verschmelzung. Feststellung der Zuwiderhandlung durch einen Verwaltungsakt nach dieser Verschmelzung. Nationales Recht. Übergang der ordnungswidrigkeitsrechtlichen Haftung der übertragenden Gesellschaft. Zulässigkeit

 

Normenkette

Richtlinie 78/855/EWG Art. 19

 

Beteiligte

Modelo Continente Hipermercados

Modelo Continente Hipermercados SA

Autoridade para as Condições de Trabalho – Centro Local do Lis (ACT)

 

Tenor

Art. 19 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine „Verschmelzung durch Aufnahme” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie bewirkt, dass auf die übernehmende Gesellschaft die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße übergeht, die nach der Verschmelzung mit einer endgültigen Entscheidung verhängt wird, aber arbeitsrechtliche Zuwiderhandlungen ahndet, die die übertragende Gesellschaft vor der Verschmelzung begangen hatte.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal do Trabalho de Leiria (Portugal) mit Entscheidung vom 14. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2013, in dem Verfahren

Modelo Continente Hipermercados SA

gegen

Autoridade para as Condições de Trabalho – Centro Local do Lis (ACT)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter C. Vajda (Berichterstatter), A. Rosas, E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Modelo Continente Hipermercados SA, vertreten durch D. Abrunhosa e Sousa, advogado,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten zunächst durch M. Perestrelo de Oliveira, dann durch L. Inez Fernandes und F. Figueiroa Quelhas als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Kuon als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Guerra e Andrade und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 295, S. 36) in der durch die Richtlinie 2009/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. L 259, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/855).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Modelo Continente Hipermercados SA (im Folgenden: MCH) und der Autoridade para as Condições de Trabalho – Centro Local do Lis (ACT) (Arbeitsaufsichtsbehörde – Bezirkszentrum von Lis) wegen deren Entscheidung, MCH eine Geldbuße für Zuwiderhandlungen gegen das portugiesische Arbeitsrecht aufzuerlegen, die die Good and Cheap – Comércio Retalhista SA (im Folgenden: Good and Cheap) vor ihrer Aufnahme durch MCH begangen hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 3 und 6 der Richtlinie 78/855 hieß es:

„Der Schutz der Interessen von Gesellschaftern und Dritten erfordert es, die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften zu koordinieren; gleichzeitig erscheint es zweckmäßig, in die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten die Institution der Verschmelzung einzuführen.

Die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der sich verschmelzenden Gesellschaften müssen dagegen geschützt werden, dass sie durch die Verschmelzung Schaden erleiden.”

Rz. 4

Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie lautete:

„Im Sinne dieser Richtlinie ist die Verschmelzung durch Aufnahme der Vorgang, durch den eine oder mehrere Gesellschaften ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen im Wege der Auflösung ohne Abwicklung auf eine andere Gesellschaft übertragen, und zwar gegen Gewährung von Aktien der übernehmenden Gesellschaft an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft oder Gesellschaften und gegebenenfalls einer baren Zuzahlung, die den zehnten Teil des Nennbetrags oder, wenn ein Nennbetrag ni...

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