Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit. Art. 21 AEUV. Richtlinie 2004/38/EG. Begriff ‚Berechtigter’. Art. 3 Abs. 1. Staatsangehöriger, der noch nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich stets in dem Mitgliedstaat aufgehalten hat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Auswirkungen des Besitzes der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats. Rein interner Sachverhalt
Beteiligte
Secretary of State for the Home Department |
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass diese Richtlinie auf einen Unionsbürger, der noch nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, der sich stets in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufgehalten hat und der sich im Übrigen im Besitz der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats befindet, nicht anwendbar ist.
2. Art. 21 AEUV ist auf einen Unionsbürger, der noch nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, der sich stets in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, aufgehalten hat und der sich im Übrigen im Besitz der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats befindet, nicht anwendbar, sofern die Situation dieses Bürgers nicht von der Anwendung von Maßnahmen eines Mitgliedstaats begleitet ist, die bewirkten, dass ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch den Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte verwehrt oder die Ausübung seines Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, behindert würde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom, vormals House of Lords (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 5. Mai 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2009, in dem Verfahren
Shirley McCarthy
gegen
Secretary of State for the Home Department
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau McCarthy, vertreten durch S. Cox, Barrister, und K. Lewis, Solicitor,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von T. Ward, Barrister,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten,
- der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan und D. Conlan Smyth als Bevollmächtigte im Beistand von B. Lennon, Barrister,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Maidani und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. November 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 Abs. 1 und 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, berichtigte Fassung: ABl. 2004, L 229, S. 35).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau McCarthy und dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister; im Folgenden: Secretary of State) über einen von Frau McCarthy gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 1 bis 3 der Richtlinie 2004/38 lauten:
„(1) Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.
(2) Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist.
(3) Die Unionsbürgerschaft sollte der grundsätzliche Status der Staatsangehörigen der M...