Entscheidungsstichwort (Thema)

Schengener Grenzkodex. Beschluss 2010/252/EU. Überwachung der Seeaußengrenzen. Festlegung zusätzlicher Modalitäten für die Grenzüberwachung. Durchführungsbefugnisse der Kommission. Reichweite. Antrag auf Nichtigerklärung

 

Beteiligte

Parlament / Rat

Europäisches Parlament

Rat der Europäischen Union

 

Tenor

1. Der Beschluss 2010/252/EU des Rates vom 26. April 2010 zur Ergänzung des Schengener Grenzkodex hinsichtlich der Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit wird für nichtig erklärt.

2. Die Wirkungen des Beschlusses 2010/252 werden aufrechterhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist eine neue Regelung in Kraft tritt.

3. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten.

4. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 12. Juli 2010,

Europäisches Parlament, vertreten durch M. Dean, A. Auersperger Matić und K. Bradley als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch Z. Kupčová und R. Szostak als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch C. O'Reilly und M. Wilderspin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richterin M. Berger und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. April 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit seiner Klageschrift beantragt das Parlament die Nichtigerklärung des Beschlusses 2010/252/EU des Rates vom 26. April 2010 zur Ergänzung des Schengener Grenzkodex hinsichtlich der Überwachung der Seeaußengrenzen im Rahmen der von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union koordinierten operativen Zusammenarbeit (ABl. L 111, S. 20, im Folgenden: angefochtener Beschluss).

Rz. 2

Das Parlament stützt seine Klage insbesondere darauf, dass der angefochtene Beschluss über die Durchführungsbefugnisse hinausgehe, die in Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 105, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 296/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 (ABl. L 97, S. 60) geänderten Fassung (im Folgenden: SGK oder Grenzkodex) vorgesehen seien. Das Parlament steht auf dem Standpunkt, dass die Vorschriften des angefochtenen Beschlusses im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren hätten erlassen werden müssen und dass ihr Erlass im Ausschussverfahren gemäß Art. 12 Abs. 5 SGK unzulässig gewesen sei.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Der Beschluss 1999/468/EG

Rz. 3

Auf der Grundlage von Art. 202 EG wurde der Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. L 200, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: zweiter Komitologiebeschluss) erlassen.

Rz. 4

Zum Regelungsverfahren mit Kontrolle wird im Erwägungsgrund 7a des zweiten Komitologiebeschlusses ausgeführt:

„Auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle sollte bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite zur Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen eines nach dem Verfahren des Artikels 251 des [EG-Vertrags] erlassenen Rechtsakts zurückgegriffen werden, einschließlich durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen. Dieses Verfahren soll es den beiden an der Rechtsetzung beteiligten Organen ermöglichen, vor der Annahme solcher Maßnahmen eine Kontrolle durchzuführen. Die wesentlichen Elemente eines Rechtsakts dürfen nur durch den Gesetzgeber auf der Grundlage des Vertrags geändert werden.”

Rz. 5

Art. 2 Abs. 2 des zweiten Komitologiebeschlusses bestimmt:

„Ist in einem nach dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags erlassenen Basisrechtsakt vorgesehen, dass Maßnahmen von allgemeiner Tragweite angenommen werden, die eine Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieses Rechtsakts bewirken, einschließlich durch Streichung einiger dieser Bestimmungen oder Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmu...

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