Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage. Staatliche Beihilfen. Entscheidung 2003/442/EG. Von einer regionalen oder lokalen Körperschaft erlassene steuerliche Maßnahmen. Senkung der Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen mit steuerlichem Sitz auf den Azoren. Qualifizierung als staatliche Beihilfe. Selektiver Charakter. Rechtfertigung durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems. Begründungspflicht. Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt

 

Beteiligte

Portugal / Kommission

Portugiesische Republik

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 24. Februar 2003,

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von J. da Cruz Vilaça und L. Romão, advogados, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci und F. de Sousa Fialho als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und J. Malenovský, der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, J. Klučka und U. Lõhmus,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Oktober 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Portugiesische Republik die Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/442/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der autonomen Region der Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft (ABl. 2003, L 150, S. 52, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Artikel 87 Absatz 1 EG bestimmt:

„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.”

3 Die Mitteilung der Kommission vom 10. Dezember 1998 über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. C 384, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über staatliche Beihilfen im Bereich der direkten Besteuerung) hat nach ihrer Randnummer 2 Klarstellungen bezüglich der Einstufung als Beihilfe gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG im Fall steuerlicher Maßnahmen zum Gegenstand.

4 Nach Artikel 87 Absatz 3 EG können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden:

„a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;

c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;

…”

5 Artikel 299 Absatz 2 EG bestimmt, dass der Vertrag für die französischen überseeischen Departements, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln gilt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber kann jedoch mit Rücksicht darauf, dass die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage dieser Gebiete durch bestimmte Faktoren erschwert wird, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung schwer beeinträchtigen, spezifische Maßnahmen beschließen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung des Vertrages auf die genannten Gebiete festzulegen.

6 Nach Ziffer 4.15 der Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9) in der am 9. September 2000 geänderten Fassung (ABl. 2000, C 258, S. 5) (im Folgenden: Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung) sind Regionalbeihilfen, mit denen die laufenden Ausgaben eines Unternehmens gesenkt werden sollen, also Betriebsbeihilfen, verboten.

7 Jedoch können nach Ziffer 4.16.2 dieser Leitlinien in Gebieten in äußerster Randlage, ...

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