Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums. Begriff der ‚Mittelsperson, deren Dienste zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden’. Mieter von Markthallen, der die Verkaufsflächen untervermietet. Möglichkeit des Erlasses einer gerichtlichen Anordnung gegenüber diesem Mieter
Normenkette
Richtlinie 2004/48/EG Art. 11
Beteiligte
Tommy Hilfiger Licensing u.a |
Tommy Hilfiger Licensing LLC |
Tenor
1. Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass ein Mieter von Markthallen, der die verschiedenen in diesen Hallen befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet, von denen einige ihren Stand zum Verkauf von Fälschungen von Markenerzeugnissen nutzen, unter den Begriff der „Mittelsperso[n] …, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden”, im Sinne der genannten Bestimmung fällt.
2. Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48 ist dahin auszulegen, dass die Voraussetzungen, denen die an eine Mittelsperson, die eine Vermietungsdienstleistung von Verkaufsflächen in Markthallen anbietet, gerichtete gerichtliche Anordnung im Sinne dieser Bestimmung unterliegt, mit jenen identisch sind, die der Gerichtshof im Urteil vom 12. Juli 2011, L'Oréal u. a. (C-324/09, EU:C:2011:474), für gerichtliche Anordnungen gegenüber Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz aufgestellt hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší soud (Oberster Gerichtshof, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 25. August 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 2015, in dem Verfahren
Tommy Hilfiger Licensing LLC,
Urban Trends Trading BV,
Rado Uhren AG,
Facton Kft.,
Lacoste SA,
Burberry Ltd
gegen
Delta Center a.s.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas sowie der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiunas,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Tommy Hilfiger Licensing LLC, der Urban Trends Trading BV, der Rado Uhren AG, der Facton Kft., der Lacoste SA und der Burberry Ltd, vertreten durch L. Neustupná, advokátka,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und D. Segoin als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman und P. Němečková als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Tommy Hilfiger Licensing LLC, der Urban Trends Trading BV, der Rado Uhren AG, der Facton Kft., der Lacoste SA und der Burberry Ltd einerseits sowie der Delta Center a.s. andererseits betreffend gerichtliche Anordnungen, deren Erlass gegenüber Delta Center die Klägerinnen im Ausgangsverfahren zwecks Durchsetzung ihrer Rechte des geistigen Eigentums beantragen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 10 und 23 der Richtlinie 2004/48 lauten:
„(10) Mit dieser Richtlinie sollen [die] Rechtsvorschriften [der Mitgliedstaaten] einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.
…
(23) … Rechtsinhaber [sollten] die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen eine Mittelsperson zu beantragen, deren Dienste von einem Dritten dazu genutzt werden, das gewerbliche Schutzrecht des Rechtsinhabers zu verletzen. Die Voraussetzungen und Verfahren für derartige Anordnungen sollten Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bleiben. Was Verletzungen des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte betrifft, so gewährt die Richtlinie 2001/29/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10)] bereits ein umfassendes Maß an Harmonisierung. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG sollte daher von dieser Richtlinie unberührt bleiben.”
Rz. 4
Der den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/48 definierende Art. 2 dieser Richtlini...