Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen. Anwendungsbereich. Drittstaatsangehöriger, der über ein Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV verfügt. Ausschließlich vorübergehender Aufenthalt. Autonomer Begriff des Unionsrechts

 

Normenkette

Richtlinie 2003/109/EG Art. 3 Abs. 2 Buchst. e; AEUV Art. 20

 

Beteiligte

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

E. K

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ist dahin auszulegen, dass der dort verwendete Begriff des „ausschließlich vorübergehenden” Aufenthalts ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, der im Hoheitsgebiet sämtlicher Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist.

2. Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 ist dahin auszulegen, dass der dort verwendete Begriff des „ausschließlich vorübergehenden” Aufenthalts den Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen nach Art. 20 AEUV im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit der betreffende Unionsbürger besitzt, nicht erfasst.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Amsterdam (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Amsterdam, Niederlande), mit Entscheidung vom 24. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am selben Tag, in dem Verfahren

E. K.

gegen

Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, C. Lycourgos, I. Jarukaitis, und N. Jääskinen, der Kammerpräsidentin I. Ziemele (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten J. Passer, der Richter F. Biltgen, P. G. Xuereb und N. Piçarra, der Richterin L. S. Rossi, der Richter A. Kumin und N. Wahl sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von E. K., vertreten durch E. C. Gelok und H. Lichteveld, advocaten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, A. Hanje und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, E. Montaguti und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen E. K., einer ghanaischen Staatsangehörigen, die ein Aufenthaltsrecht in den Niederlanden nach Art. 20 AEUV besitzt, und dem Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Staatssekretär für Justiz und Sicherheit, Niederlande) über dessen Entscheidung, den Antrag von E. K. auf Erteilung einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung abzulehnen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 4, 6 und 12 der Richtlinie 2003/109 heißt es:

„(4) Die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, trägt entscheidend zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bei, der als eines der Hauptziele der Gemeinschaft im [EG-]Vertrag angegeben ist.

(6) Die Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sollte das Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sein. Der Aufenthalt sollte rechtmäßig und ununterbrochen sein, um die Verwurzlung der betreffenden Person im Land zu belegen. Eine gewisse Flexibilität sollte vorgesehen werden, damit Umstände berücksichtigt werden können, die eine Person veranlassen können, das Land zeitweilig zu verlassen.

(12) Um ein echtes Instrument zur Integration von langfristig Aufenthaltsberechtigten in die Gesellschaft, in der sie leben, darzustellen, sollten langfristig Aufenthaltsberechtigte nach Maßgabe der entsprechenden, in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen, in vielen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen wie die Bürger des Mitgliedstaats behandelt werden.”

Rz. 4

In Art. 3 („Anwendungsbereich”) der genannten Richtlinie heißt es:

„(1) Diese Richtlinie findet auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten.

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsang...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge