Entscheidungsstichwort (Thema)
Freier Dienstleistungsverkehr. Glücksspiele. Veranstaltung von Glücksspielen über Internet. Förderung von Spielen, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden. Tätigkeiten, die öffentlichen oder nicht gewinnorientierten Einrichtungen vorbehalten sind. Strafrechtliche Sanktionen
Beteiligte
Tenor
1. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, die an die Bevölkerung dieses Mitgliedstaats gerichtete Werbung für Glücksspiele verbietet, die von privaten Anbietern in anderen Mitgliedstaaten zu Erwerbszwecken veranstaltet werden.
2. Art. 49 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, mit der Glücksspiele einem System von ausschließlichen Rechten unterstellt werden und nach der die Förderung von Spielen, die in einem anderen Mitgliedstaat veranstaltet werden, strenger geahndet wird als die Förderung von Spielen, die im Inland ohne Genehmigung veranstaltet werden. Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies nach der nationalen Regelung, um die es in den Ausgangsverfahren geht, der Fall ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Svea hovrätt (Schweden) mit Entscheidung vom 8. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Oktober 2008, in den Strafverfahren
Otto Sjöberg (C-447/08),
Anders Gerdin (C-448/08)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann (Berichterstatter), P. Kūris und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Sjöberg, vertreten durch U. Isaksson, advokat,
- von Herrn Gerdin, vertreten durch S. Widmark und J. Gyllenberg, advokater,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und A. Hubert, advocaten,
- der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und O. Patsopoulou als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, P. Mateus Calado und A. Barros als Bevollmächtigte,
- der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Moen und K. Moe Winther als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Traversa, K. Simonsson und P. Dejmek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 49 EG.
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen Herrn Sjöberg und Herrn Gerdin, denen vorgeworfen wird, gegen § 54 Abs. 2 des Lotteriegesetzes (Lotterilag, SFS 1994 Nr. 1000) in seiner auf die Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Lotterilag) verstoßen zu haben.
Nationales Recht
Rz. 3
Das Lotterilag regelt alle Arten von Glücksspielen, die der Allgemeinheit in Schweden angeboten werden.
Rz. 4
Die mit der schwedischen Spielpolitik verfolgten Ziele sind in den Gesetzgebungsmaterialien zum Lotterilag wie folgt zusammengefasst worden:
„Das Ziel der Spielpolitik soll auch in der Zukunft ein gesunder und sicherer Spielmarkt sein, auf dem sozialen Schutzinteressen und der Nachfrage nach Spielen in kontrollierten Formen Genüge getan wird. Glücksspielerträge sollen geschützt und weiterhin der Allgemeinheit oder gemeinnützigen Zwecken vorbehalten sein, d. h. dem Vereinsleben, dem Pferdesport und dem Staat. Der Schwerpunkt soll wie bisher auf der Bevorzugung sozialer Schutzbelange liegen, während gleichzeitig dem Interesse an einem verschiedenartigen Spielangebot und den Gefahren betrügerischer oder ungesetzlicher Spiele Rechnung getragen werden soll.”
Rz. 5
Dem vorlegenden Gericht zufolge zielt die schwedische Glücksspielgesetzgebung darauf,
- die Kriminalität zu bekämpfen,
- schädlichen sozialen oder wirtschaftlichen Folgen entgegenzuwirken,
- für die Interessen des Verbraucherschutzes Sorge zu tragen und
- die Einkünfte aus Lotterien im Allgemeininteresse liegenden oder gemeinnützigen Zwecken zuzuleiten.
Genehmigungspflicht für die Veranstaltung von Glücksspielen
Rz. 6
Nach § 9 Lotterilag ist die Veranstaltung von Glücksspielen in Schweden grundsätzlich genehmigungspflichtig.
Rz. 7
Nach § 15 Lotterilag kann eine solche Genehmigung juristischen Personen des schwedischen Rechts ohne Gewinnerzielungsabsicht erteilt werden, die nach ihrer Satzung hauptsächlich...