Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Informationsgesellschaft. Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte. Öffentliche Wiedergabe. Begriff. Internet. Hyperlinks zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zugänglich gemacht werden. Noch nicht vom Rechtsinhaber veröffentlichte Werke. Setzen solcher Links zu Erwerbszwecken
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Beteiligte
Sanoma Media Netherlands BV |
Playboy Enterprises International Inc |
Tenor
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe” im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 3. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2015, in dem Verfahren
GS Media BV
gegen
Sanoma Media Netherlands BV,
Playboy Enterprises International Inc.,
Britt Geertruida Dekker
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der GS Media BV, vertreten durch R. Chavannes und D. Verhulst, advocaten,
- der Sanoma Media Netherlands BV, der Playboy Enterprises International Inc. und von Britt Geertruida Dekker, vertreten durch C. Alberdingk Thijm und C. de Vries, advocaten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und D. Kuon als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Segoin, D. Colas und G. de Bergues als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und T. Rendas als Bevollmächtigte,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman, T. Scharf und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. April 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10, mit Berichtigung in ABl. 2002, L 6, S. 71).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der GS Media BV auf der einen Seite und der Sanoma Media Netherlands BV (im Folgenden: Sanoma), der Playboy Enterprises International Inc. sowie Frau Britt Geertruida Dekker (im Folgenden zusammen: Sanoma u. a.) auf der anderen Seite insbesondere über das Setzen elektronischer Verweise (Hyperlinks) auf die von GS Media betriebene Website GeenStijl.nl (im Folgenden: Website GeenStijl) zu anderen Websites, die den Zugang zu für die Zeitschrift Playboy aufgenommenen Fotos von Frau Dekker (im Folgenden: in Rede stehende Fotos) ermöglichten.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 3, 4, 9, 10, 23 und 31 der Richtlinie 2001/29 heißt es:
„(3) Die vorgeschlagene Harmonisierung trägt zur Verwirklichung der vier Freiheiten des Binnenmarkts bei und steht im Zusammenhang mit der Beachtung der tragenden Grundsätze des Rechts, insbesondere des Eigentums einschließlich des geistigen Eigentums, der freien Meinungsäußerung und des Gemeinwohls.
(4) Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substanzielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Te...