Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung. Begriff ‚Kabelweiterverbreitung’. Anbieter der Weiterverbreitung, der nicht die Eigenschaft eines Kabelunternehmens hat. Zeitgleiche, unveränderte und vollständige Verbreitung von durch Satellit übermittelten und zum öffentlichen Empfang bestimmten Fernseh- oder Radiosendungen durch den Betreiber eines Hotels mittels Parabolantenne, Kabel sowie Fernseh- oder Radioempfängern. Nichtvorliegen

 

Normenkette

RL 93/83/EWG Art. 1 Abs. 3

 

Beteiligte

RTL Television

RTL Television GmbH

Grupo Pestana S.G.P.S. SA

SALVOR – Sociedade de Investimento Hoteleiro SA

 

Tenor

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie

ist dahin auszulegen, dass

  • er für Sendeunternehmen kein ausschließliches Recht vorsieht, die Kabelweiterverbreitung im Sinne dieser Vorschrift zu erlauben oder zu verbieten, und
  • die zeitgleiche, unveränderte und vollständige Verbreitung von durch Satellit übermittelten und zum öffentlichen Empfang bestimmten Fernseh- oder Radiosendungen keine solche Kabelweiterverbreitung darstellt, wenn diese Weiterverbreitung durch eine andere Person als ein Kabelunternehmen im Sinne dieser Richtlinie, wie etwa ein Hotel, erfolgt.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) mit Entscheidung vom 10. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Dezember 2020, in dem Verfahren

RTL Television GmbH

gegen

Grupo Pestana S.G.P.S. SA,

SALVOR – Sociedade de Investimento Hoteleiro SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, M. Ilešič (Berichterstatter), D. Gratsias und Z. Csehi,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der RTL Television GmbH, vertreten durch J. P. de Oliveira Vaz Miranda de Sousa, Advogado,
  • der Grupo Pestana S.G.P.S. SA und der SALVOR – Sociedade de Investimento Hoteleiro SA, vertreten durch H. Trocado, Advogado,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier, B. Rechena und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. März 2022

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. 1993, L 248, S. 15).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RTL Television GmbH (im Folgenden: RTL) auf der einen und der Grupo Pestana S.G.P.S. SA (im Folgenden: Grupo Pestana) sowie der SALVOR – Sociedade de Investimento Hoteleiro SA (im Folgenden: Salvor) auf der anderen Seite über das Zurverfügungstellen von Sendungen eines RTL-Senders in den Zimmern von von Grupo Pestana und Salvor betriebenen Hotels ohne vorherige Erlaubnis seitens RTL.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

TRIPS-Übereinkommen

Rz. 3

Das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnete Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen) in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) wurde mit dem Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigt.

Rz. 4

Art. 9 („Verhältnis zur Berner Übereinkunft”) Abs. 1 des TRIPS-Übereinkommens bestimmt:

„Die Mitglieder befolgen die Artikel 1 bis 21 der Berner Übereinkunft [zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft)] und den Anhang dazu. …”

Rz. 5

Art. 14 („Schutz von ausübenden Künstlern, Herstellern von Tonträgern [Tonaufnahmen] und Sendeunternehmen”) Abs. 3 dieses Abkommens sieht vor:

„Sendeunternehmen haben das Recht, folgende Handlungen zu verbieten, wenn diese ohne ihre Erlaubnis vorgenommen werden: die Festlegung, die Vervielfältigung von Festlegungen und die drahtlose Weitersendung von Funksendungen sowie die öffentliche Wiedergabe von Fernsehsendungen solcher Funksendungen. Mitglieder, die den Sendeunternehmen solche Rechte nicht gewähren, müssen den Inhabern des Urheberrechts an dem Gegenstand von Funksendungen die Möglichkei...

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