Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Elektrizitätsbinnenmarkt. Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde. Außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten. Begriff ‚Betroffener, der eine Beschwerde hat’. Beschwerde eines Endkunden gegen den Betreiber eines Übertragungsnetzes, an das die Anlage dieses Kunden nicht unmittelbar angeschlossen ist. Störung dieses Netzes. Fehlende Vertragsbeziehung zwischen dem Endkunden und dem Netzbetreiber. Zulässigkeit der Beschwerde
Normenkette
Richtlinie 2009/72/EG Art. 37
Beteiligte
Autoriteit Consument en Markt (ACM) |
Tenor
Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG ist dahin auszulegen, dass die Regulierungsbehörde eine Beschwerde, die ein Endkunde gegen den Betreiber eines Übertragungsnetzes infolge einer Störung dieses Netzes eingelegt hat, nicht mit der Begründung zurückweisen kann, dass die Anlage des Endkunden nicht unmittelbar an dieses Übertragungsnetz, sondern nur an ein von ihm gespeistes Verteilernetz angeschlossen sei.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Berufungsgericht für Wirtschaftsverwaltungssachen, Niederlande) mit Entscheidung vom 23. April 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Mai 2019, in dem Verfahren
Crown Van Gelder BV
gegen
Autoriteit Consument en Markt (ACM),
Beteiligte:
TenneT TSO BV,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Crown Van Gelder BV, vertreten durch R. het Lam, advocaat,
- der TenneT TSO BV, vertreten durch L. Baljon im Beistand von I. Brinkman, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und P. Huurnink als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Manhaeve und O. Beynet als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Juni 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 37 Abs. 11 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Crown Van Gelder BV und der Autoriteit Consument en Markt (ACM) (Behörde für Verbraucher- und Marktangelegenheiten, Niederlande, im Folgenden: ACM) wegen eines Bescheids der ACM, mit dem die von Crown Van Gelder gegen die TenneT TSO BV, die Betreiberin des nationalen Hochspannungsnetzes, infolge einer Störung dieses Netzes eingelegte Beschwerde für unzulässig erklärt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 37, 42, 51 und 54 der Richtlinie 2009/72 heißt es:
„(37) Die Regulierungsbehörden sollten über die Befugnis verfügen, Entscheidungen zu erlassen, die für die Elektrizitätsunternehmen bindend sind, und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Elektrizitätsunternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, entweder selbst zu verhängen oder einem zuständigen Gericht die Verhängung solcher Sanktionen gegen solche Unternehmen vorzuschlagen. … Die Regulierungsbehörden sollten ferner über die Befugnis verfügen, dazu beizutragen, hohe Standards bei der Gewährleistung der Grundversorgung und der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in Übereinstimmung mit den Erfordernissen einer Marktöffnung, den Schutz benachteiligter Kunden und die volle Wirksamkeit der zum Schutz der Kunden ergriffenen Maßnahmen zu gewährleisten. …
…
(42) Überall in der [Europäischen Union] sollten Industrie und Handel, einschließlich der kleinen und mittleren Unternehmen, sowie die Bürger der Union, die von den wirtschaftlichen Vorteilen des Binnenmarktes profitieren, … auch ein hohes Verbraucherschutzniveau genießen können … Darüber hinaus sollten diese Kunden ein Recht auf Wahlmöglichkeiten, Fairness, Interessenvertretung und die Inanspruchnahme eines Streitbeilegungsverfahrens haben.
…
(51) Im Mittelpunkt dieser Richtlinie sollten die Belange der Verbraucher stehen, und die Gewährleistung der Dienstleistungsqualität sollte zentraler Bestandteil der Aufgaben von Elektrizitätsunternehmen sein. Die bestehenden Verbraucherrechte müssen gestärkt und abgesichert werden und sollten auch auf mehr Transparenz ausgerichtet sein. Durch den Verbraucherschutz sollte sichergeste...