Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge. Rechtsschutzinteresse. Zugang zu den Nachprüfungsverfahren. Schwere Verfehlung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit aufgrund einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung. Anderer Wirtschaftsteilnehmer, der wegen Nichterfüllung der Mindestanforderungen endgültig von der Teilnahme am betreffenden Vergabeverfahren ausgeschlossen wir

 

Normenkette

Richtlinie 89/665/EWG Art. 1 Abs. 3

 

Beteiligte

VZ

VZ

CA

 

Tenor

Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

er der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die es einem Wirtschaftsteilnehmer, der an der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags gehindert war, weil er eine der in der betreffenden Ausschreibung vorgesehenen Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllt hat, und dessen gegen die Aufnahme dieser Voraussetzung in die Ausschreibung gerichtete Klage durch eine rechtskräftige Entscheidung abgewiesen wurde, nicht erlaubt, die Weigerung des betreffenden öffentlichen Auftraggebers anzufechten, die Zuschlagsentscheidung aufzuheben, nachdem durch eine gerichtliche Entscheidung bestätigt worden war, dass sowohl der erfolgreiche Bieter als auch die anderen Bieter an einer Vereinbarung beteiligt waren, die einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln in demselben Sektor wie demjenigen der Vergabe dieses öffentlichen Auftrags darstellt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht für die Lombardei, Italien) mit Entscheidung vom 7. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2022, in dem Verfahren

VZ

gegen

CA,

Beteiligte:

RT,

BO,

Regione Lombardia,

Regione Liguria,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von VZ, vertreten durch J. F. G. Brigandì und C. Mendolia, Avvocati,
  • von CA, vertreten durch M. L. Tamborino, Avvocata,
  • von RT, vertreten durch A. Clarizia, L. Pierallini, L. Sperati und P. Ziotti, Avvocati,
  • von BO, vertreten durch A. Borsero, V. Cannizzaro, C. Merani und S. Ventura, Avvocati,
  • der französischen Regierung, vertreten durch R. Bénard und A.-L. Desjonquères als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und G. Wils als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 (ABl. 2014, L 94, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Gesellschaft, VZ, und einem öffentlichen Auftraggeber, CA, wegen dessen Weigerung, die Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags in Bezug auf den in der Lombardei (Italien) und in Ligurien (Italien) zu erbringenden Hubschrauber-Rettungsdienst an RT und BO aufzuheben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 89/665

Rz. 3

In Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren”) der Richtlinie 89/665 heißt es:

„(1) Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65)] …

Aufträge im Sinne dieser Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Bauaufträge, Dienstleistungskonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme.

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU … fallenden Aufträge oder Konzessionen die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch … auf Verstöße gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nat...

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