Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Verordnung (EWG) Nr. 3577/92. Seekabotage. Anwendbarkeit auf die Beförderungsleistungen in der Ria von Vigo. Vergabe durch die Verwaltung für 20 Jahre an einen einzigen Betreiber. Vereinbarkeit. Möglichkeit, Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes zu schließen oder derartige Verpflichtungen aufzuerlegen. Stillhalte- (oder ‚Standstill’-)Klausel

 

Beteiligte

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Königreich Spanien

 

Tenor

1. Das Königreich Spanien hat die Artikel 1, 4 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) verletzt und gegen seine Verpflichtungen aus dieser Verordnung verstoßen, indem es eine Regelung beibehalten hat,

  • die es zulässt, die Seeverkehrsdienstleistungen der Beförderung von Personen in der Ria von Vigo für einen Zeitraum von 20 Jahren an einen einzigen Betreiber zu vergeben, und als eines der Kriterien für die Vergabe der Konzession die Erfahrung auf dem Gebiet des Verkehrs in dieser Ria vorsieht,
  • die es zulässt, die saisonalen Verkehrdienste zu den Inseln oder die Liniendienste zwischen Festlandshäfen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes zu unterwerfen,
  • die vor ihrem Erlass nicht Gegenstand von Konsultationen mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften war.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Königreich Spanien trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 24. Juli 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Martínez del Peral und K. Simonsson als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea und J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), des Richters J. Makarczyk, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris und J. Klučka,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. November 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Spanien die Artikel 1, 4, 7 und 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7) verletzt und gegen seine Verpflichtungen aus dieser Verordnung und aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, indem es eine Regelung beibehalten hat,

  • die es zulässt, die Seeverkehrsdienstleistungen in der Ria von Vigo für einen Zeitraum von 20 Jahren an einen einzigen Betreiber zu vergeben, und als eines der Kriterien für die Vergabe der Konzession die Erfahrung auf dem Gebiet des Verkehrs in dieser Ria vorsieht;
  • die es zulässt, die saisonalen Verkehrsdienste zu den Inseln oder die Liniendienste zwischen Festlandshäfen Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes zu unterwerfen;
  • die es zulässt, ein restriktiveres System einzuführen als das, das im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 3577/92 bestand, nämlich das nach dem Beschluss vom 11. Juni 1984;
  • die vor ihrem Erlass nicht Gegenstand von Konsultationen mit der Kommission war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) sah in seinem Absatz 1 vor:

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, werden während der Übergangszeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen schrittweise aufgehoben.”

3 Artikel 62 EG-Vertrag (aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam) bestimmte:

„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, unterwerfen die Mitgliedstaaten die bei seinem Inkrafttreten tatsächlich erreichte Freiheit des Dienstleistungsverkehrs keinen neuen Beschränkungen.”

4 Die Verordnung Nr. 3577/92 sieht in ihrem Artikel 1 Absatz 1 vor:

„Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage) für Gemeinschaftsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfüllen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden …”

5 Artikel 2 der Verordnung Nr. 3577/92 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung sind

1. ‚Seeverkehrsdienstleistungen in...

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