Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Internetvideoplattform. Hochladen eines Films ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers. Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums. Auskunftsrecht des Klägers. Begriff ‚Adressen’. E-Mail-Adresse, IP-Adresse und Telefonnummer. Nichteinbeziehung
Normenkette
Richtlinie 2004/48/EG Art. 8, 8 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Constantin Film Verleih GmbH |
Tenor
Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff „Adressen” sich, was einen Nutzer anbelangt, der ein Recht des geistigen Eigentums verletzende Dateien hochgeladen hat, nicht auf die E-Mail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzte IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2019, in dem Verfahren
Constantin Film Verleih GmbH
gegen
YouTube LLC,
Google Inc.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und C. Lycourgos,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Constantin Film Verleih GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte B. Frommer, R. Bisle und M. Hügel,
- der YouTube LLC und der Google Inc., vertreten durch Rechtsanwälte J. Wimmers und M. Barudi,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, T. Scharf, S. L. Kalėda und H. Kranenborg als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45, berichtigt im ABl. 2004, L 195, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Constantin Film Verleih GmbH, einer Filmverwertungsgesellschaft mit Sitz in Deutschland, auf der einen und der YouTube LLC sowie der Google Inc., beide mit Sitz in den Vereinigten Staaten, auf der anderen Seite betreffend Auskünfte, die Constantin Film Verleih von diesen beiden Gesellschaften über die E-Mail-Adressen, IP-Adressen und Mobiltelefonnummern von Nutzern verlangt, die ihre Rechte des geistigen Eigentums verletzt haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/48
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2, 10, 15 und 32 der Richtlinie 2004/48 heißt es:
„(2) … [Der Schutz geistigen Eigentums soll] weder die freie Meinungsäußerung noch den freien Informationsverkehr, noch den Schutz personenbezogener Daten behindern; dies gilt auch für das Internet.
…
(10) Mit dieser Richtlinie sollen diese Rechtsvorschriften einander angenähert werden, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten.
…
(15) Diese Richtlinie sollte … die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [(ABl. 1995, L 281, S. 31)] … nicht berühren.
…
(32) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. In besonderer Weise soll diese Richtlinie im Einklang mit Artikel 17 Absatz 2 der Charta die uneingeschränkte Achtung geistigen Eigentums sicherstellen”.
Rz. 4
Gemäß Art. 1 („Gegenstand”) der Richtlinie betrifft diese „die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen”.
Rz. 5
Art. 2 („Anwendungsbereich”) Abs. 1 und 3 Buchst. a der Richtlinie sieht vor:
„(1) Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, finden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Artikel 3 auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung.
…
(3) Diese Richtlinie berührt nicht:
a) die gemeinschaftlichen Bestimmungen zum materiellen Recht auf dem Gebiet des geistigen Eigentums [und] die Richtlinie 95/46…”
Rz. 6
Art. 8 („Recht auf Auskunft”) der Richtlinie ...