Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 92/43/EWG. Erhaltung der natürlichen Lebensräume. Wild lebende Tiere und Pflanzen. Prüfung der Verträglichkeit bestimmter Projekte mit dem Schutzgebiet. Artenschutz
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
1.
- Die Bundesrepublik Deutschland hat, indem sie für bestimmte Projekte außerhalb besonderer Schutzgebiete im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, die nach Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Richtlinie einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, nicht die Pflicht zur Durchführung einer solchen Prüfung vorsieht, unabhängig davon, ob die Projekte ein besonderes Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten,
- Emissionen in ein besonderes Schutzgebiet unabhängig davon zulässt, ob sie dieses erheblich beeinträchtigen könnten,
- bestimmte nicht absichtliche Beeinträchtigungen von geschützten Tieren aus dem Geltungsbereich der Artenschutzbestimmungen ausnimmt,
- bei bestimmten mit dem Gebietsschutz zu vereinbarenden Handlungen nicht die Einhaltung der Ausnahmetatbestände des Artikels 16 der Richtlinie 92/43 sicherstellt,
- Bestimmungen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln besitzt, die den Artenschutz nicht ausreichend berücksichtigen, und
- nicht dafür Sorge getragen hat, dass die Fischereivorschriften ausreichende Fangverbote enthalten,
gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 3 sowie den Artikeln 12, 13 und 16 der Richtlinie 92/43 verstoßen.
2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 28. Februar 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters C. Gulmann (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter P. Kūris und G. Arestis,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2005,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. November 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland, indem sie
- für bestimmte Projekte außerhalb besonderer Schutzgebiete im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Richtlinie), die nach Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Richtlinie einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, nicht die Pflicht zur Durchführung einer solchen Prüfung vorsieht, unabhängig davon, ob die Projekte ein besonderes Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten,
- Emissionen in ein besonderes Schutzgebiet unabhängig davon zulässt, ob sie dieses erheblich beeinträchtigen könnten,
- bestimmte nicht absichtliche Beeinträchtigungen von geschützten Tieren aus dem Geltungsbereich der Artenschutzbestimmungen ausnimmt,
- bei bestimmten mit dem Gebietsschutz zu vereinbarenden Handlungen nicht die Einhaltung der Ausnahmetatbestände des Artikels 16 der Richtlinie sicherstellt,
- Bestimmungen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln besitzt, die den Artenschutz nicht ausreichend berücksichtigen,
- fischereirechtliche Fangvorschriften nicht notifiziert hat und/oder diese keine ausreichenden Fangverbote enthalten,
gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Absätze 3 und 4 sowie den Artikeln 12, 13 und 16 der Richtlinie verstoßen hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Die Richtlinie hat nach Artikel 2 Absatz 1 zum Ziel, „zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen”.
3 Artikel 4 der Richtlinie regelt ein Verfahren für die Bestimmung von Gebieten, in denen die durch die Richtlinie geschützten Arten und Lebensräume vorkommen, zu besonderen Schutzgebieten.
4 Nach der zehnten Begründungserwägung der Richtlinie sind „Pläne und Projekte, die sich auf die mit der Ausweisung eines Gebiets verfolgten Erhaltungsziele wesentlich auswirken könnten, … einer angemessenen Prüfung zu unterziehen”. Diese Begründungserwägung findet ihren Ausdruck in Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie, der auf Absatz 4 verweist. Die beiden Absätze bestimmen:
„(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung ste...