Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Richtlinien 80/987/EWG und 2002/74/EG. Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Schutz der Arbeitnehmer. Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche. Bestimmung der zuständigen Garantieeinrichtung. Günstigere Garantie nach nationalem Recht. Möglichkeit, sich darauf zu berufen
Beteiligte
Christian Wiart, handelnd als Liquidator der Sotimon SARL |
Office national de l'emploi – fonds de fermeture d'entreprises |
Centre de gestion et d'études de l'Association pour la gestion du régime de garantie des créances des salariés de Lille (CGEA) |
Tenor
Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in ihrer Fassung vor derjenigen, die sich aus ihrer Änderung durch die Richtlinie 2002/74/EG ergibt, ist dahin auszulegen, dass für die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche eines Arbeitnehmers, der seine Beschäftigung gewöhnlich in einem anderen Mitgliedstaat als dem ausgeübt hat, in dem sich der Sitz seines vor dem 8. Oktober 2005 für zahlungsunfähig erklärten Arbeitgebers befindet, die Garantieeinrichtung des Mitgliedstaats des Sitzes des Arbeitgebers für die in diesem Artikel festgelegten Verpflichtungen verantwortlich ist, wenn dieser Arbeitgeber keinen Betrieb in diesem anderen Mitgliedstaat hat und seine Beitragspflicht für die Finanzierung dieser Einrichtung im Mitgliedstaat seines Sitzes erfüllt.
Die Richtlinie 80/987 untersagt es nicht, dass eine nationale Regelung vorsieht, dass sich ein Arbeitnehmer nach dem Recht dieses Mitgliedstaats ergänzend oder anstelle der Lohngarantie, die von der in Anwendung dieser Richtlinie als zuständig bestimmten Einrichtung geboten wird, auf die Lohngarantie der nationalen Regelung berufen kann, allerdings nur, soweit diese Garantie ein höheres Schutzniveau für den Arbeitnehmer gewährt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 18. November 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2009, in dem Verfahren
Charles Defossez
gegen
Christian Wiart, handelnd als Liquidator der Sotimon SARL,
Office national de l'emploi – fonds de fermeture d'entreprises,
Centre de gestion et d'études de l'Association pour la gestion du régime de garantie des créances des salariés de Lille (CGEA),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und J. Malenovský,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Defossez, vertreten durch C. Uzan-Sarano, avocat,
- der CGEA Lille, vertreten durch E. Piwnica und J. Molinié, avocats,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A. Czubinski als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und C. Vang als Bevollmächtigte,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von B. Doherty, BL,
- der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Engman als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten im Beistand von D. J. Rhee, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet und J. Enegren als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. November 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in der durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 270, S. 10) geänderten Fassung.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Defossez einerseits und Herrn Wiart, handelnd als Liquidator des Unternehmens Sotimon SARL (im Folgenden: Sotimon), bei dem Herr Defossez vor seiner rechtswidrigen Entlassung beschäftigt war, sowie dem Office national de l'emploi – fonds de fermeture d'entreprises de l'Office national de l'emploi (belgisches nationales Arbeitsamt – Fonds für Betriebsschließungen, im Folgenden: FFE) und dem Centre de gestion et d'études de l'Association pour la gestion du régime de garantie des créances des salariés de Lille (CGEA) (Zentrum für Verwaltung und Studien der Vereinigung für die Verwaltung des Systems der Garantie der...