Entscheidungsstichwort (Thema)
Staatliche Beihilfen. Art. 88 Abs. 3 EG. Für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Beihilfen. Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Nationale Gerichte. Antrag auf Rückforderung der rechtswidrig eingeführten Beihilfen. Aussetzung der gerichtlichen Entscheidung bis zum Erlass einer neuen Entscheidung der Kommission. Außergewöhnliche Umstände, die die Rückerstattungspflicht begrenzen können
Beteiligte
CELF, en liquidation, und ministre de la Culture und de la Communication |
Centre d'exportation du livre français (CELF) |
Ministre de la Culture et de la Communication |
Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE) |
Tenor
1. Ein nationales Gericht, das nach Art. 88 Abs. 3 EG mit einem Antrag auf Rückforderung einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe befasst wird, kann seine Entscheidung über diesen Antrag nicht aussetzen, bis sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach der Nichtigerklärung einer früheren positiven Entscheidung zur Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt geäußert hat.
2. Der Umstand, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften drei aufeinanderfolgende, eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärende Entscheidungen erlassen hat, die sodann vom Gemeinschaftsgericht für nichtig erklärt worden sind, kann als solcher keinen außergewöhnlichen Umstand darstellen, der geeignet ist, eine Begrenzung der Verpflichtung des Empfängers zur Rückerstattung dieser Beihilfe zu rechtfertigen, wenn diese unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 EG durchgeführt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Frankreich) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2009, in dem Verfahren
Centre d'exportation du livre français (CELF),
Ministre de la Culture et de la Communication
gegen
Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann, P. Kūris und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Centre d'exportation du livre français (CELF), vertreten durch O. Schmitt und A. Tabouis, avocats,
- der Société internationale de diffusion et d'édition (SIDE), vertreten durch N. Coutrelis, avocat,
- der französischen Regierung, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne und B. Stromsky als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis, B. Alterskjær und L. Armati als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 88 Abs. 3 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Centre d'exportation du livre français (im Folgenden: CELF) und dem Ministre de la Culture et de la Communication auf der einen und der Société internationale de diffusion et d'édition (im Folgenden: SIDE) auf der anderen Seite wegen dem CELF vom französischen Staat gewährter Beihilfen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt und die Verfahren vor dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
Rz. 3
Das CELF, eine genossenschaftliche Aktiengesellschaft, war bis 2009 als Ausfuhrkommissionär tätig.
Rz. 4
Die Aufgabe des CELF bestand darin, Aufträge über die Lieferung von Büchern, Broschüren und Kommunikationsträgern jeder Art in das Ausland sowie die französischen überseeischen Hoheitsgebiete und Departements unmittelbar auszuführen und allgemein alle Geschäfte zu tätigen, die mit Hilfe dieser Kommunikationsträger insbesondere zur Förderung der französischen Kultur in der Welt beitragen sollen.
Rz. 5
Von 1980 bis 2002 erhielt das CELF vom französischen Staat Betriebsbeihilfen als Ausgleich für die Mehrkosten der Ausführung kleiner Bestellungen durch im Ausland ansässige Buchhändler.
Rz. 6
Auf eine im Jahr 1992 eingereichte Beschwerde der SIDE, eines Konkurrenzunternehmens des CELF, bejahte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit Entscheidung NN 127/92 vom 18. Mai 1993, deren Bekanntmachung am 25. Juni 1993 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 174, S. 6) veröffentlicht wurde, die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt. Sie beschloss daher, keine Einwände zu erheben.
Rz. 7
Mit Urteil vom 18. S...