Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Satzung der Europäischen Schulen. Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen für die Entscheidung über einen befristeten Arbeitsvertrag zwischen einer Europäischen Schule und einem nicht durch einen Mitgliedstaat zugewiesenen oder abgeordneten Lehrer
Beteiligte
Europäische Schule München |
Tenor
1. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der am 21. Juni 1994 in Luxemburg zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass von einer Europäischen Schule eingestellte Lehrbeauftragte, die nicht von den Mitgliedstaaten abgeordnet werden, anders als das von der Anwendung der Regelung ausgenommene Verwaltungs- und Dienstpersonal zu den in dieser Vorschrift genannten Personen gehören.
2. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass er der Einstufung einer Vereinbarung über die Befristung des Arbeitsverhältnisses in dem zwischen der Schule und dem Lehrbeauftragten geschlossenen Vertrag als eine den Lehrbeauftragten beschwerende Entscheidung nicht entgegensteht.
3. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass eine vom Direktor einer Europäischen Schule in Ausübung seiner Befugnisse getroffene Entscheidung grundsätzlich unter diese Bestimmung fällt. Die Ziff. 1.3, 3.2 und 3.4 des Statuts der zwischen dem 1. September 1994 und dem 31. August 2011 eingestellten Ortslehrkräfte der Europäischen Schulen sind dahin auszulegen, dass für einen Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer in einem Arbeitsvertrag zwischen einem Lehrbeauftragten und dem Direktor der Schule enthaltenen Vereinbarung über die Befristung eines Arbeitsverhältnisses die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen ausschließlich zuständig ist.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidungen vom 24. April 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2013, in den Verfahren
Europäische Schule München
gegen
Silvana Oberto (C-464/13),
Barbara O'Leary (C-465/13)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Europäischen Schule München, vertreten durch Rechtsanwalt H. Kunz-Hallstein,
- von Frau Oberto und Frau O'Leary, vertreten durch Rechtsanwalt A. Freiherr von Schorlemer,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und J. Currall als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. September 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der am 21. Juni 1994 in Luxemburg zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen (ABl. L 212, S. 3).
Rz. 2
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Schule München einerseits sowie Frau Oberto und Frau O'Leary andererseits und betreffen die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Klagen, die darauf gerichtet sind, die Gültigkeit der Befristung der Arbeitsverträge der Betroffenen zu prüfen.
Rechtlicher Rahmen
Wiener Übereinkommen
Rz. 3
Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331, im Folgenden: Wiener Übereinkommen) findet nach seinem Art. 1 („Geltungsbereich dieses Übereinkommens”) auf Verträge zwischen Staaten Anwendung.
Rz. 4
Art. 3 („Nicht in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende internationale Übereinkünfte”) des Wiener Übereinkommens bestimmt:
„Der Umstand, dass dieses Übereinkommen weder auf die zwischen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten oder zwischen solchen anderen Völkerrechtssubjekten geschlossenen internationalen Übereinkünfte noch auf nicht schriftliche internationale Übereinkünfte Anwendung findet, berührt nicht
…
b) die Anwendung einer der in diesem Übereinkommen niedergelegten Regeln auf sie, denen sie auch unabhängig von diesem Übereinkommen aufgrund des Völkerrechts unterworfen wären;
…”
Rz. 5
Art. 31 („Allgemeine Auslegungsregel”) des Wiener Übereinkommens sieht vor:
„(1) Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.
(2) Für die Auslegung eines Vertrags …
(3...