Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Beschluss Nr. 1/80 Art. 13. Stillhalteklausel. Familienzusammenführung. Nationale Regelung, die neue und strengere Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Fall nicht erwerbstätiger Familienangehöriger von erwerbstätigen türkischen Staatsangehörigen vorsieht, die sich im fraglichen Mitgliedstaat aufhalten und dort aufenthaltsberechtigt sind. Voraussetzung einer hinreichenden Verbindung, um eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen

 

Normenkette

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei

 

Beteiligte

Genc C

Caner Genc

Integrationsministeriet

 

Tenor

Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die es für die Familienzusammenführung zwischen einem türkischen Arbeitnehmer, der sich in dem betreffenden Mitgliedstaat legal aufhält, und seinem minderjährigen Kind zur Voraussetzung macht, dass das Kind eine hinreichende Verbindung mit diesem Mitgliedstaat, um eine erfolgreiche Integration zu ermöglichen, besitzt oder besitzen kann, wenn das Kind und sein anderer Elternteil im Herkunftsstaat oder in einem Drittstaat ansässig sind und der Antrag auf Familienzusammenführung nach einer Frist von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem der Elternteil, der seinen Aufenthalt im betreffenden Mitgliedstaat hat, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit der Möglichkeit zum Daueraufenthalt erhalten hat, stellt eine „neue Beschränkung” im Sinne von Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation, der dem von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichneten und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei beigefügt ist, dar.

Eine solche Beschränkung ist nicht gerechtfertigt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Østre Landsret (Berufungsgericht der Region Ost, Dänemark) mit Entscheidung vom 3. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2014, in dem Verfahren

Caner Genc

gegen

Integrationsministeriet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, F. Biltgen und C. Lycourgos, der Richter A. Rosas, A. Borg Barthet, J. Malenovský und E. Levits, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters M. Vilaras,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: T. Millett, Beigeordneter Kanzler,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Genc, vertreten durch T. Ryhl, advokat,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning als Bevollmächtigten im Beistand von R. Holdgaard, advokat,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Clausen, C. Tufvesson, D. Martin und F. Erlbacher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Januar 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden: Beschluss Nr. 1/80), der dem von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits am 12. September 1963 in Ankara unterzeichneten und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ABl. 1964, 217, S. 3685) (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) beigefügt ist.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Genc und dem Integrationsministerium wegen dessen Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Dänemark zum Zweck der Familienzusammenführung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Assoziierungsabkommen

Rz. 3

Nach Art. 2 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens hat dieses zum Ziel, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien unter voller Berücksichtigung der Notwendigkeit zu fördern, dass hierbei der beschleunigte Aufbau der türkischen Wirtschaft sowie die Hebung des Beschäftigungsstandes und der Lebensbedingungen des türkischen Volkes gewährleistet werden.

Rz. 4

Art. 12 des Assoziierungsabkommens lautet: „Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln [39 EG], [40 EG] und [41 EG] leiten zu lassen, um untereinander die Frei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge