Beteiligte
Tenor
1. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Gesellschaften, die im Glücksspielsektor tätig werden wollen, für die Ausübung derartiger Tätigkeiten neben einer staatlichen Konzession die Einholung einer polizeilichen Genehmigung vorschreibt und insbesondere die Erteilung einer solchen Genehmigung auf Antragsteller beschränkt, die bereits über eine derartige Konzession verfügen.
2. Die Art. 43 EG und 49 EG sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, der unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern von der Vergabe von Konzessionen für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeschlossen hat und diesen Verstoß durch Ausschreibung einer großen Zahl neuer Konzessionen beheben will, verwehren, die von den bestehenden Betreibern erworbenen Geschäftspositionen u. a. durch die Festlegung von Mindestabständen zwischen den Einrichtungen der neuen Konzessionäre und denen der bestehenden Betreiber zu schützen.
Aus den Art. 43 EG und 49 EG, dem Grundsatz der Gleichbehandlung, dem Transparenzgebot und dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt, dass die Bedingungen und Modalitäten eines Vergabeverfahrens wie des in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden und insbesondere Bestimmungen, die wie Art. 23 Abs. 3 des Mustervertrags den Entzug von nach einer solchen Ausschreibung vergebenen Konzessionen vorsehen, klar, genau und eindeutig formuliert sein müssen; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die praktisch jede grenzüberschreitende Tätigkeit im Glücksspielsektor unterbindet, ungeachtet der Art und Weise ihrer Durchführung und insbesondere in Fällen, in denen es zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen dem Verbraucher und dem Wirtschaftsteilnehmer kommt und die im Staatsgebiet ansässigen Vertreter des Unternehmens zu ordnungspolizeilichen Zwecken einer physischen Kontrolle unterzogen werden können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Hinblick auf Art. 23 Abs. 3 des Mustervertrags der Fall ist.
3. Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin gehend auszulegen, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts der Umstand, dass ein Veranstalter in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, über eine Erlaubnis für das Anbieten von Glücksspielen verfügt, es einem anderen Mitgliedstaat nicht verwehrt, unter Beachtung der Anforderungen des Unionsrechts die Möglichkeit für solche Veranstalter, derartige Dienstleistungen den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet anzubieten, vom Besitz einer von seinen eigenen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Toscana (Italien) mit Entscheidungen vom 5. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2011 und am 2. Januar 2012, in den Verfahren
Daniele Biasci,
Alessandro Pasquini,
Andrea Milianti,
Gabriele Maggini,
Elena Secenti,
Gabriele Livi
gegen
Ministero dell'Interno,
Questura di Livorno,
Beteiligte:
SNAI – Sindacato Nazionale Agenzie Ippiche SpA (C-660/11),
und
Cristian Rainone,
Orentino Viviani,
Miriam Befani
gegen
Ministero dell'Interno,
Questura di Prato,
Questura di Firenze,
Beteiligte:
SNAI – Sindacato Nazionale Agenzie Ippiche SpA,
Stanley International Betting Ltd,
Stanleybet Malta ltd. (C-8/12)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richter E. Jarašiūnas und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters C. G. Fernlund,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Herren Biasci, Pasquini, Milianti und Maggini, von Frau Secenti, der Herren Livi, Rainone und Viviani sowie von Frau Befani, vertreten durch A. Dossena und F. Donati, avvocati,
- der SNAI – Sindacato Nazionale Agenzie Ippiche SpA, vertreten durch G. Viciconte, C. Sambaldi, A. Fratini und F. Filpo, avvocati,
- der Stanley International Betting Ltd, vertreten durch D. Agnello, A. Piccinini und M. Mura, avvocati,
- der Stanleybet Malta ltd., vertreten durch R. Jacchia, A. Terranova, F. Ferraro, D. Agnello und A. Piccinini, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato, und A. Bizzarai, esperto,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck und R. Verbeke, advocaten,
- der maltesischen Regierung, vertreten durch A. ...