Entscheidungsstichwort (Thema)

Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Besondere Zuständigkeiten. Zivilrechtliche Haftungsklage. Vertragsrechtliche oder deliktsrechtliche Natur

 

Normenkette

VO (EG) Nr. 44/2001 Art. 5 Nrn. 1, 3

 

Beteiligte

Brogsitter

Marc Brogsitter

Fabrication de Montres Normandes EURL

Karsten Fräßdorf

 

Tenor

Klagen wegen zivilrechtlicher Haftung wie die des Ausgangsverfahrens, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, knüpfen gleichwohl an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag” im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen an, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Krefeld (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2012, in dem Verfahren

Marc Brogsitter

gegen

Fabrication de Montres Normandes EURL,

Karsten Fräßdorf

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Rechtsanwalt M. Brogsitter,
  • der Fabrication de Montres Normandes EURL und von Herrn Fräßdorf, vertreten durch Rechtsanwalt A. Mansouri,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und S. Nunes de Almeida als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem in Kempen (Deutschland) wohnhaften Herrn Brogsitter auf der einen Seite und der in Brionne (Frankreich) ansässigen Gesellschaft Fabrication de Montres Normandes EURL sowie dem in Neuchâtel (Schweiz) wohnhaften Herrn Fräßdorf auf der anderen Seite über verschiedene Ansprüche, die Herr Brogsitter wegen Schäden geltend gemacht hat, die ihm durch wettbewerbswidrige Handlungen entstanden seien.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.”

Rz. 4

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 5

Art. 5 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.

  1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
  2. im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung:

    • für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
    • für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
  3. ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a;

3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…”

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

Rz. 6

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Herr Brogsitter mit hochwertigen Uhren handelt. Im Jahr 2005 schloss er einen Vertrag mit einem Uhrmachermeister, Herrn Fräßdorf, der damals in Frankreich lebte. Dieser verpflichtete sich in dem Vertrag, für Rechnung von Herrn Brogsitter Uhrwerke für hochwertige Uhren zu entwicke...

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