Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 91/439/EWG. Gegenseitige Anerkennung der Führerscheine. Entzug der vom Wohnsitzmitgliedstaat erteilten inländischen Fahrerlaubnis und Ausstellung eines Führerscheins für Fahrzeuge der Klassen B und D durch einen anderen Mitgliedstaat. Ablehnung der Anerkennung durch den Wohnsitzmitgliedstaat. Notwendigkeit, bei Ausstellung eines Führerscheins für Fahrzeuge der Klasse D im Besitz eines gültigen Führerscheins für Fahrzeuge der Klasse B zu sein
Beteiligte
Tenor
Die Art. 1 Abs. 2, 5 Abs. 1 Buchst. a, 7 Abs. 1 Buchst. b sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission vom 14. September 2000 geänderten Fassung verwehren es einem Aufnahmemitgliedstaat nicht, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins für Fahrzeuge der Klassen B und D abzulehnen, wenn erstens dem Inhaber des entsprechenden Führerscheins eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse B unter Missachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Voraussetzung und zu einem Zeitpunkt ausgestellt wurde, nachdem sein von dem erstgenannten Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein in diesem Mitgliedstaat in polizeiliche Verwahrung genommen worden war, aber bevor seine Fahrerlaubnis in diesem erstgenannten Mitgliedstaat gerichtlich entzogen wurde, und zweitens dem Inhaber des Führerscheins eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge der Klasse D nach der gerichtlichen Entziehung und nach Ablauf der Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis erteilt wurde.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Baden-Baden (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Mai 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2010, in dem Strafverfahren gegen
Leo Apelt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Apelt, vertreten durch Rechtsanwalt B. Stege,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1, 5 Abs. 1 Buchst. a, 7 Abs. 1 Buchst. b sowie 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission vom 14. September 2000 (ABl. L 237, S. 45) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439) sowie des Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403, S. 18).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Apelt wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 lautet:
„Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.”
Rz. 4
Gemäß dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 sind aus Gründen der Sicherheit im Straßenverkehr Mindestvoraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins festzulegen.
Rz. 5
In Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 91/439 heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen den einzelstaatlichen Führerschein gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem EG-Muster in Anhang I oder Ia aus. …
(2) Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.”
Rz. 6
Art. 3 der Richtlinie 91/439 bestimmt:
„(1) Der Führerschein nach Artikel 1 berechtigt zum Führen von Fahrzeugen folgender Klassen:
…
Klasse B:
- Kraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3 500 kg und mit nicht mehr als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz; …
…
Klasse D:
- Kraftwagen zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Führersitz; …
…
(2) Innerhalb der Klassen A, B, B + E, C, C + E, D und D + E kann für das Führen von Fahrzeugen folgender Unterklassen ein besonderer Führerschein ausgestellt werden …”
Rz. 7
Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 91/439 lautet:
„Die Ausstellung des Führerscheins unterliegt folgenden Bedingungen:
- ein Führerschein für die Klassen C und D kann nur Fahrzeugführern ausgestellt werden, die bereits zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B berechtigt sind”.
Rz. 8
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 bestimmt:
„Die Ausste...