Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwelt. Abfalldeponien. Richtlinie 1999/31. Nationale Regelung, die strengere Normen vorsieht. Vereinbarkeit

 

Beteiligte

Deponiezweckverband Eiterköpfe

Deponiezweckverband Eiterköpfe

Land Rheinland-Pfalz

 

Tenor

1. Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien steht einer nationalen Maßnahme nicht entgegen, die

  • für die Zulassung von biologisch abbaubaren Abfällen zur Deponierung engere Grenzen als die Richtlinie aufstellt, auch wenn diese Grenzen derart eng sind, dass sie eine mechanisch-biologische Behandlung oder eine Verbrennung solcher Abfälle vor ihrer Deponierung implizieren,
  • zur Verringerung der zur Deponierung bestimmten Abfälle kürzere Fristen als die Richtlinie festlegt,
  • nicht nur auf biologisch abbaubare Abfälle, sondern auch auf nicht biologisch abbaubare organische Substanzen anwendbar ist und
  • nicht nur auf Siedlungsabfälle anwendbar ist, sondern auch auf Abfälle, die wie Siedlungsabfälle entsorgt werden können.

2. Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auf verstärkte Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten, die nach Artikel 176 EG ergriffen werden und über die in einer Gemeinschaftsrichtlinie im Umweltbereich vorgesehenen Mindestanforderungen hinausgehen, nicht anwendbar, soweit nicht andere Bestimmungen des Vertrages betroffen sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Koblenz (Deutschland) mit Entscheidung vom 4. Dezember 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Januar 2003, in dem Verfahren

Deponiezweckverband Eiterköpfe

gegen

Land Rheinland-Pfalz

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), M. Ilešic und E. Levits,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: K. Sztranc, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Deponiezweckverbands Eiterköpfe, vertreten durch W. Klett, G. Moesta und A. Oexle, Rechtsanwälte,
  • des Landes Rheinland-Pfalz, vertreten durch P. Delorme als Bevollmächtigten im Beistand von D. Sellner, Rechtsanwalt,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing, M. Lumma und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und M. Hauer als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. November 2004

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 5 der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. L 182, S. 1, im Folgenden: Richtlinie) sowie des Artikels 176 EG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Deponiezweckverband Eiterköpfe (im Folgenden: Deponiezweckverband) und dem Land Rheinland-Pfalz über die Genehmigung für den Betrieb einer Deponie.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Im Rahmen der Umweltpolitik der Gemeinschaft sieht Artikel 176 EG vor:

„Die Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Artikels 175 getroffen werden, hindern die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen müssen mit diesem Vertrag vereinbar sein. Sie werden der Kommission notifiziert.”

4 Die Richtlinie wurde auf der Grundlage von Artikel 130s Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 175 Absatz 1 EG) erlassen.

5 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:

„Im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie 75/442/EWG, insbesondere ihrer Artikel 3 und 4, ist es Ziel der vorliegenden Richtlinie, durch die Festlegung strenger betriebsbezogener und technischer Anforderungen in Bezug auf Abfalldeponien und Abfälle Maßnahmen, Verfahren und Leitlinien vorzusehen, mit denen während des gesamten Bestehens der Deponie negative Auswirkungen der Ablagerung von Abfällen auf die Umwelt, insbesondere die Verschmutzung von Oberflächenwasser, Grundwasser, Boden und Luft, und auf die globale Umwelt, einschließlich des Treibhauseffekts, sowie alle damit verbundenen Risiken für die menschliche Gesundheit weitestmöglich vermieden oder vermindert werden.”

6 Nach Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie sind „Abfälle” alle Stoffe oder Gegenstände, die von der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 47) erfasst werden. In Artikel 1 Buchstabe a dieser Richtlinie werden „Abfälle” definiert als „[a]lle Stoffe oder Gegenstände, deren sich der Besitzer entledigt oder gemäß den geltenden einzelstaatlichen Vorschriften zu entledigen hat”.

7 „Sie...

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