Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 93/13/EWG. Verbraucherverträge. Missbräuchliche Verzugszinsklausel. Mahnverfahren. Befugnisse des nationalen Gerichts
Beteiligte
Banco Español de Crédito SA |
Tenor
1. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach ein mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstes Gericht, sofern der Verbraucher keinen Widerspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eine Verzugszinsklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlich ist, obwohl es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.
2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie Art. 83 des Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Real Decreto Legislativo 1/2007 zur Billigung der Neufassung des Allgemeinen Gesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen) vom 16. November 2007 entgegensteht, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) mit Entscheidung vom 29. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Dezember 2010, in dem Verfahren
Banco Español de Crédito SA
gegen
Joaquín Calderón Camino
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter M. Safjan, M. Ilešič und E. Levits sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Banco Español de Crédito SA, vertreten durch A. Herrador Muñoz, V. Betancor Sánchez und R. Rivero Sáez, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Kemper und T. Henze als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Homung und E. Gippini Fournier als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. Februar 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung
- von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29),
- von Art. 2 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (ABl. L 110, S. 30),
- der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399 S. 1),
- des Art. 5 Abs. 1 Buchst. l und m sowie der Art. 6, 7 und 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66) und
- des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Banco Español de Crédito SA (im Folgenden: Banesto) und Herrn Calderñn Camino wegen der Zahlung von Beträgen, die in Erfüllung eines zwischen den Parteien geschlossenen Verbraucherkreditvertrags geschuldet werden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 87/102/EWG
Rz. 3
Art. 6 der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48) sah vor:
„(1) Unbeschadet der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e) ist der Verbraucher im Falle eines Vertrages zwischen ihm und einem Kredit- oder Finanzinstitut über die Gewährung eines Kredits in Form eines Überziehungskredits auf einem laufen...