Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Aufenthalt eines Angehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats trotz eines Verbots des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates. Rechtmäßigkeit einer Entscheidung über die Rücknahme einer Anmeldebescheinigung und einer zweiten Ausweisung aus dem Hoheitsgebiet. Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit einer früheren Entscheidung zu berufen. Übersetzungsverpflichtung

 

Normenkette

Richtlinie 2004/38/EG1; Richtlinie 2008/115/EG

 

Beteiligte

Petrea

Ovidiu-Mihăiţă Petrea

Ypourgos Esoterikon kai Dioikitikis Anasygrotisis

 

Tenor

1. Es läuft der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht zuwider, dass ein Mitgliedstaat eine zu Unrecht erteilte Anmeldebescheinigung für einen Unionsbürger zurücknimmt, gegen den noch ein Aufenthaltsverbot bestand, und gegen ihn eine Ausweisung verfügt, die allein auf die Feststellung gestützt ist, dass das Aufenthaltsverbot noch in Kraft war.

2. Es läuft der Richtlinie 2004/38 und der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger nicht zuwider,dass eine Rückkehrentscheidung gegen einen Unionsbürger wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende von denselben Behörden und nach demselben Verfahren wie eine Rückkehrentscheidung gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 erlassen wird, sofern diejenigen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2004/38 angewendet werden, die für den Unionsbürger günstiger sind.

3. Der Grundsatz der Effektivität steht nicht einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der sich ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, gegen den unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, zur Stützung eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs nicht auf die Rechtswidrigkeit des vorher gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbots berufen kann, wenn der Betroffene tatsächlich die Möglichkeit hatte, die Entscheidung über das Aufenthaltsverbot gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 fristgerecht anzufechten.

4. Art. 30 der Richtlinie 2004/38 verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass der Betroffene Inhalt und Wirkung einer Entscheidung nach Art. 27 Abs. 1 dieser Richtlinie auch wirklich versteht, aber fordert nicht, dass ihm diese Entscheidung, selbst wenn er keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, in einer Sprache mitgeteilt wird, die er versteht oder bei der vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass er sie versteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Dioikitiko Protodikeio Thessalonikis (erstinstanzliches Verwaltungsgericht Thessaloniki, Griechenland) mit Entscheidung vom 23. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2016, in dem Verfahren

Ovidiu-Mihăiţă Petrea

gegen

Ypourgos Esoterikon kai Dioikitikis Anasygrotisis

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Ovidiu-Mihăiţă Petrea, vertreten durch S. Dima und A. Muntean, dikigoroi,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch D. Katopodis und A. Magrippi als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch M. S. Wolff und C. Thorning als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brandon und C. Brodie als Bevollmächtigte im Beistand von B. Lask, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. April 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 27, 28 und 30 bis 32 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordn...

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