Entscheidungsstichwort (Thema)
Brüsseler Übereinkommen. Art. 1 Abs. 1 Satz 1. Anwendungsbereich. Zivil- und Handelssachen. Begriff. Schadensersatzklage, die in einem Vertragsstaat von den Hinterbliebenen der Opfer von Kriegsmassakern gegen einen anderen Vertragsstaat wegen des Verhaltens seiner Streitkräfte erhoben wird
Beteiligte
Dimosio tis Omospondiakis Dimokratias tis Germanias |
Tenor
Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Hellenischen Republik und vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die natürliche Personen in einem Vertragsstaat gegen einen anderen Vertragsstaat erheben und die auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, den die Hinterbliebenen der Opfer des Verhaltens von Streitkräften im Rahmen von Kriegshandlungen im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates erlitten haben, keine „Zivilsache” im Sinne dieser Bestimmung ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, eingereicht vom Efeteio Patron (Griechenland) mit Entscheidung vom 8. Juni 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 2005, in dem Verfahren
Eirini Lechouritou,
Vasileios Karkoulias,
Georgios Pavlopoulos,
Panagiotis Brátsikas,
Dimitrios Sotiropoulos,
Georgios Dimopoulos
gegen
Dimosio tis Omospondiakis Dimokratias tis Germanias
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter R. Schintgen (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie des Richters J. Makarczyk,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Lechouritou, Herrn Karkoulias, Herrn Pavlopoulos, Herrn Brátsikas, Herrn Sotiropoulos und Herrn Dimopoulos, vertreten durch I. Stamoulis, dikigoros, und Rechtsanwalt J. Lau,
- der deutschen Regierung, vertreten durch R. Wagner als Bevollmächtigten im Beistand von Professor B. Heß,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. November 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und – geänderter Text – S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Hellenischen Republik (ABl. L 388, S. 1) und vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Lechouritou, Herrn Karkoulias, Herrn Pavlopoulos, Herrn Brátsikas, Herrn Sotiropoulos und Herrn Dimopoulos – die Kläger des Ausgangsverfahrens, die griechische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Griechenland sind – sowie der Bundesrepublik Deutschland wegen Ersatzes des materiellen und immateriellen Schadens, den die Kläger durch das Verhalten der deutschen Streitkräfte erlitten haben, dem ihre Eltern während der Besetzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen.
Rechtlicher Rahmen
3 Art. 1 des Brüsseler Übereinkommens, der dessen Titel I „Anwendungsbereich”) bildet, bestimmt:
„Dieses Übereinkommen ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Es erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.
Es ist nicht anzuwenden auf:
- den Persone...