Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürgerschaft. Artikel 12 EG und 18 EG. Beihilfe für Studenten in Form eines vergünstigten Darlehens. Bestimmung, die die Gewährung eines solchen Darlehens auf im Inland ansässige Studenten beschränkt
Beteiligte
Secretary of State for Education and Skills |
Tenor
1. Eine Beihilfe, sei es in Form eines vergünstigten Darlehens oder eines Stipendiums, die Studenten, die sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, zur Deckung ihrer Unterhaltskosten gewährt wird, fällt in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags, soweit es um das in Artikel 12 Absatz 1 EG aufgestellte Diskriminierungsverbot geht.
2. Artikel 12 Absatz 1 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die Studenten nur dann einen Anspruch auf eine Beihilfe zur Deckung ihrer Unterhaltskosten gewährt, wenn sie im Aufnahmemitgliedstaat dauernd ansässig sind, und zugleich ausschließt, dass ein Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats als Student den Status einer dauernd ansässigen Person erlangt, auch wenn sich dieser Staatsangehörige rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält und dort einen großen Teil seiner Ausbildung an weiterführenden Schulen erhalten hat und folglich eine tatsächliche Verbindung zu der Gesellschaft dieses Mitgliedstaats hergestellt hat.
3. Die Wirkungen dieses Urteils sind nicht zeitlich zu begrenzen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 12. Februar 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2003, in dem Verfahren
The Queen, auf Antrag von:
Dany Bidar
gegen
London Borough of Ealing,
Secretary of State for Education and Skills
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts (Berichterstatter) und A. Borg Barthet, der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter M. Ilešič, J. Malenovský, J. Klucka und U. Lõhmus,
Generalanwalt: L. A. Geelhoed,
Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2004,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Bidar, vertreten durch R. Scannell und M. Soorjoo, Barristers, und J. Luqmani, Solicitor,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von E. Sharpston, QC, und C. Lewis, Barrister,
- der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski und A. Tiemann als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch N. Yerrell und M. Condou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. November 2004,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 12 Absatz 1 EG und 18 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Herrn Bidar gegen den London Borough of Ealing und den Secretary of State for Education and Skills (Minister für Bildung und berufliche Qualifizierung) wegen der Ablehnung seines Antrags auf ein vergünstigtes Studentendarlehen zur Deckung seiner Unterhaltskosten.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Artikel 12 Absatz 1 EG bestimmt:
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.”
4
Artikel 18 Absatz 1 EG lautet:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.”
5
Artikel 149 EG bestimmt:
„(1) Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt.
(2) Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele:
- Entwicklung der europäischen Dimension im Bildungswesen, insbesondere durch Erlernen und Verbreitung der Sprachen der Mitgliedstaaten;
- Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademisc...