Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 97/7/EG. Verbraucherschutz. Im Fernabsatz abgeschlossene Verträge. Widerrufsrecht. Belastung des Verbrauchers mit den Kosten der Zusendung der Ware
Beteiligte
Handelsgesellschaft Heinrich Heine |
Handelsgesellschaft Heinrich Heine GmbH |
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V |
Tenor
Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2008, in dem Verfahren
Handelsgesellschaft Heinrich Heine GmbH
gegen
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter C. W. A. Timmermans, P. Kūris und L. Bay Larsen,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V., vertreten durch Rechtsanwalt K. Haase,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und S. Unzeitig als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch J. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und H. Almeida als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und H. Krämer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Januar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. L 144, S. 19).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Handelsgesellschaft Heinrich Heine GmbH (im Folgenden: Handelsgesellschaft Heinrich Heine) und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V. (im Folgenden: Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen) über die in Fernabsatzverträgen im Fall eines Widerrufs vorgesehene Belastung der Verbraucher mit den Kosten der Zusendung der Ware.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7 lautet:
„Mit der Einführung neuer Technologien erhalten die Verbraucher einen immer besseren Überblick über das Angebot in der ganzen Gemeinschaft und zahlreiche neue Möglichkeiten, Bestellungen zu tätigen. Einige Mitgliedstaaten haben bereits unterschiedliche oder abweichende Verbraucherschutzbestimmungen für den Fernabsatz erlassen, was negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen den Unternehmen im Binnenmarkt zur Folge hat. Es ist daher geboten, auf Gemeinschaftsebene eine Mindestzahl gemeinsamer Regeln in diesem Bereich einzuführen.”
Rz. 4
Der 14. Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:
„Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Daher sollte ein Widerrufsrecht bestehen, sofern in dieser Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt ist. Damit es sich um mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssen die Kosten, die, wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden. Das Widerrufsrecht berührt nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Rechte des Verbrauchers, insbesondere bei Erhalt von beschädigten Erzeugnissen oder unzulänglichen Dienstleistungen oder Erzeugnissen und Dienstleistungen, die mit der entsprechenden Beschreibung in der Aufforderung nicht übereinstimmen. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen.”
Rz. 5
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 bestimmt unter der Überschrift „Vorherige Unterrichtung”:
„Der Verbraucher muss rechtzeitig vor Abschluss eines Vertrags im Fernabsatz über folgende Informationen verfügen:
…
c) Preis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern;
d) gegebenenfalls Lieferkosten;
…”
Rz. 6
Art. 6 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bestimmt unter der Überschrift „Widerrufsrecht”:
„(1) Der Verbraucher kann jeden Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von min...