Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit. Fehlende Übereinstimmung zwischen der Begründung und den Anträgen in der Klageschrift. Regel, nach der ein Gericht nicht ultra petita entscheiden darf. Artikel 49 EG. Nationale Regelung, die die Erteilung einer Lizenz von einer Bedarfsprüfung abhängig macht. Nationale Regelung, die eine Vermutung der Arbeitnehmereigenschaft aufstellt. Umkehr der Beweislast. Keine Bestimmung zur ‚Ausgestaltung des Verfahrens’. im Sinne der Peterbroeck-Rechtsprechung. Sozialer Schutz. Koordinierung der anwendbaren Rechtsvorschriften durch die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Präemption. Bekämpfung der Schwarzarbeit
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, dass sie
- die Erteilung einer Lizenz an Künstleragenturen, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, vom Bedarf an Künstlervermittlung abhängig macht und
- für Künstler, die in ihrem Herkunftsmitgliedstaat als niedergelassene Dienstleister anerkannt sind und dort gewöhnlich vergleichbare Dienstleistungen erbringen, die Vermutung aufstellt, dass sie als Arbeitnehmer tätig werden.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Französische Republik tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 14. Juni 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und E. Traversa als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und A. Hare als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 In ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 43 EG und 49 EG verstoßen hat, dass sie
- die Erteilung einer Lizenz an eine Künstleragentur, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, davon abhängig macht, dass an der Tätigkeit der Agentur im Hinblick auf die Künstlervermittlung ein Bedarf besteht,
- für einen Künstler, der in seinem Herkunftsmitgliedstaat als niedergelassener Dienstleister anerkannt ist und der dort gewöhnlich vergleichbare Dienstleistungen erbringt, die Vermutung aufstellt, dass er als Arbeitnehmer tätig wird.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Die vorliegende Rechtssache wirft neben der Frage der Anwendung des Artikels 49 EG auch Fragen in Bezug auf die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit auf.
3 Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1), (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) sieht vor:
„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
- Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft,
- Leistungen bei Invalidität einschließlich der Leistungen, die zur Erhaltung oder Besserung der Erwerbsfähigkeit bestimmt sind,
- Leistungen bei Alter,
- Leistungen an Hinterbliebene,
- Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten,
- Sterbegeld,
- Leistungen bei Arbeitslosigkeit,
- Familienleistungen.”
4 Artikel 13 Absatz 1 derselben Verordnung bestimmt:
„… Personen, für die diese Verordnung gilt, [unterliegen] den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.”
5 Nach Artikel 14a Nummer 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 unterliegt „[e]ine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, … weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet”.
Nationales Recht
6 Das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende französische Recht betrifft zum einen die Tätigkeit der Künstlervermittlung und zum anderen die Tätigkeit als Künstler.
Die französischen Vorschriften über die Tätigkeit der Künstlervermittlung
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